103. Kapitel - Heimkehr

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Nach dem Abschied fühlte ich mich seltsam. Zum einen hatte ich die letzten mehr als fünfhundert Jahre im Palast des Düsterwaldes verbracht, hatte Legolas immer an meiner Seite gehabt, trotzdem fühlte sich diese Rückkehr seltsam an. Nun waren wir wieder in unserer Heimat und bald würde es Richtung Herbst zugehen. Die Luft im Wald roch zwar noch nach Sommer, doch in den Schatten schlummerte bereits der Herbst. Im Norden war der Wald lichter und langsam arbeiteten wir uns zum Palast vor.
Eine Weile verblieben wir ruhig, bis Legolas das Schweigen brach: »Wieder hier zu sein, hat sich auf der ganzen Reise wie ein Wunsch angefühlt und jetzt fühlt es sich wie ein Traum an. Würde ich in der nächsten Sekunde irgendwo in Ithilien oder wo in Rohan am Boden liegend aufwachen, würde es mich nicht wundern.«
»Diese Reise, sei sie kurz in unserer Zeitspanne gewesen, fühlt sich wie eine Einbildung an. Wenn du mir sagen würdest, wir zwei wären gerade eine Patrouille im Wald gegangen und ich hätte mir bei einem Sturz den Kopf gestoßen, würde ich es dir glauben und auch, dass ich mir diese Reise bloß eingebildet habe«, erwiderte ich und Legolas sah mich von der Seite aus an. Kurz tauchte ein amüsiertes Funkeln in seinen Augen auf, doch dann sprach er wahrheitsgemäß: »Dies würde ich nicht wollen, dass alles nicht passiert wäre.«
»Warum? Dann wären wir dieses Jahr einfach im Düsterwald geblieben und wären unseren Pflichten nachgegangen.«
»Genau, es hätte sich nichts verändert.«
»Ach, magst du plötzlich Veränderungen, als penibler Perfektionist?«
»Nun, eine gewisse Veränderung gefällt mir halt, sehr sogar«, antwortete er und während wir langsam nebeneinander gingen, bremste er mich, indem er mein Kinn mit drei von seinen Fingern umfasse und mich küsste. Ich lächelte in den Kuss hinein, weswegen es ein kurzer wurde, und sah in Legolas' Augen.
»Ja, das gefällt mir auch«, meinte ich, »doch denkst du, dass wir ohne diese Reise nie so weit gekommen wären?«, fragte ich und Neugier war aus meiner Stimme herauszuhören.
»Ich glaube, dass alles aus einem bestimmten Grund geschieht und nicht nur, dass diese Reise der Grund war. Ich denke daher, dass sie es nur beschleunigt hat.«
»Ja, mit dem Tod im Nacken ist Wahrheit in diesen Worten zu finden. Wie lange, denkst du, hätten wir sonst gebraucht?«, fragte ich und strich beiläufig seine Schulter und Oberarm entlang, dann die Gurte, die seinen Köcher und Messer am Rücken hielten.
»Ich denke, dass sich auch so in der nächsten Zeit zumindest Anzeichen ergeben hätten. Was aus ihnen geworden wäre, kann ich nicht wissen«, er griff nach meiner Hand, verschränkte unsere Finger miteinander, »Leider muss ich zugeben, dass du mich die Woche vor unserer Abreise mit deinen Provokationen innerlich aufgewühlt hast.«
Unweigerlich musste ich grinsen. Ich erinnerte mich, dass ich vor der Abreise aus dem Königreich wieder einen Hochpunkt im Nerven von Legolas gehabt hatte. Dass dies zu einer gewissen Anspannung unter uns auf dem Weg nach Imladris geführt hatte, stand bereits im Buch des Lebens geschrieben.
»Innerlich aufgewühlt?«, fragte ich süß und er rollte mit seinen Augen.
»Ja. Aber vielleicht wird es langsam an der Zeit, nach den vielen Jahren, mir zu erklären, warum du dies immerzu getan hast?«, kam eine Gegenfrage, eine sehr gute Gegenfrage, warum ich meinen Kopf hin und her wog.
»Weißt du, ich hab' mich innerlich immer so aufgewühlt gefühlt. Deswegen habe ich es auf dich übertragen.«
Auf meine Worte bekam ich ein weiteres Augenrollen, aber dann sprach ich ernst weiter: »Ganz logisch betrachtet, hat es mir Spaß gemacht, tut es immer noch, doch vielleicht waren die Intentionen nicht unbedingt nur auf der Ebene der Unterhaltung. Etwas, das ich aber erst später bemerkt, dann verdrängt habe, bis es wieder aufgebrochen ist«, erklärte ich mich und war überrascht, dass ich Worte gefunden hatte. In meinem Inneren hatte ich schon immer gewusst, dass mehr hinter meinen Sticheleien stecken musste und dieses Mehr stand in diesem Moment vor mir.
»Wie ich gesagt habe; alles passiert aus einem gewissen Grund.«
»Und was ist mit einfachen Zufällen?«, fragte ich, da ich nicht sehr an das Schicksal glaubte. Ich glaubte schon, dass es größere Mächte gab, die einen Einfluss auf uns Lebenden hatten, doch dass es ein Schicksal gab, das sich um alle Lebewesen gleichzeitig kümmerte, daran glaubte ich nicht. Viele solche Zufälle hatte es zwischen Legolas und mir gegeben, doch ob ich jetzt an das Schicksal glauben sollte, dass ich von ihm im Wald gerettet worden war, oder dass ich ihm ebenso schon das Leben gerettet hatte, wusste ich nicht.
»Was, wenn Zufälle genau das sind, was man als Schicksal, Vorherbestimmung definiert?«, fragte der Elb und hob eine Braue. Ich wusste, dass er gerade recht haben wollte, und so gönnte ich ihm diesen Triumph. Ich hatte um ehrlich zu sein viel zu wenig über das Schicksal mit der Gleichsetzung mit Zufällen nachgedacht.
»Vielleicht, vielleicht auch nicht. Wir können es nicht wissen«, meinte ich demnach und um das Gespräch zu beenden, bekam er ebenso von mir einen Kuss, den er jedoch intensivierte. Seine Hand zog mich an meiner Taille näher zu ihm, sodass sich unsere Oberkörper berührten und mein Magen einen kleinen Salto machte. Instinktiv schlang ich meine Arme um seinen Nacken, um ihm noch näher zu sein, und schloss meine Augen. Seine Lippen lagen stark, aber gleichzeitig hauchfein auf meinen und fies wie der Herr Elb war, beendete er den Kuss im nächsten Augenblick.
»Angst, dass hier irgendwo Wachtposten sind, die uns entdecken?«, stichelte ich und bekam ein Seufzen. Infolgedessen ging sein Blick aber kurz nach oben in die Bäume, sodass ich lachen musste. Es war amüsant, zu beobachten, wie er sich den Gedanken durch den Kopf gehen ließ. Folglich kniff er jedoch seine Hand an meiner Taille zusammen, warum ich überrascht aufquiekte und einen Schritt nach hinten ging.
»Ce uchand!« (Du bist dumm!), kam es, »Hier ist kein Jägerposten in der Nähe!«
»Was, wenn doch?«, hielt ich dagegen, »Ein paar Elben auf Patrouille vielleicht?«
»Sehr unwahrscheinlich, aber es ist mir egal.«
»So hat dein Blick aber nicht ausgesehen«, neckte ich und als ich eine weitere Attacke seinerseits befürchtete, löste ich mich endgültig aus seinen Armen.
»Was denkst du werden die anderen sagen unseretwegen?«, fragte ich ernst und so nah am Palast musste ich darüber nachdenken. Auf der Reise war alles unbeschwert gewesen, weswegen ich nicht viel darüber nachgedacht hatte, dass eine richtige Bindung bei uns Elben mit einer Verlobung und einer Hochzeit einherging. Neben mir stand bekanntlich der Prinz, was ich immerzu vergaß.
»Darüber musst du dir nicht den Kopf zerbrechen«, begann Legolas, »Ich werde meinen Vater morgen darüber in Kenntnis setzen, wenn ich mit ihm über alles gesprochen habe, was auch Ithilien betrifft. Auch wenn du es nicht glaubst, Lithil, er mag dich sogar, gibt er nur nicht zu.«
»Er mag mich?«, ich hob eine Braue und ich musste ein dummes Gesicht machen, da der Elb vor mir zu lachen begann, »Ich dachte, er akzeptiert mich und sieht mich als gute Kriegerin.«
»Ja, er mag dich. Mögen gleichgesetzt, dass du Ansehen besitzt. Du denkst immer viel zu gering von dir, narwa fín«, meinte er und sah mich an. Ich erwiderte seinen Blick und eine Zeit lang existierten nur wir zwei, umgeben vom Düsterwald.
»Aber es ist doch wahr«, erwiderte ich, »Ich meine, ich kann dir als Prinz nichts geben, wenn wir eine Verbindung eingehen, sind wir ja schon. Hätten wir es besser überdenken sollen? Oder-«, jedoch, weiter konnte ich mich nicht mehr in den Strudel dieser Gedanken hineinziehen, denn Legolas kam zu mir und nahm mein Gesicht in seine Hände. Er zwang mich, ihn anzusehen und immer noch lag ein Lächeln auf seinen Lippen.
»Dann sag' noch einer, dass du nicht auch manchmal zu viel nachdenkst. Du bist nicht bloß eine gute Kriegerin; du bist eine Kommandantin des Palastes, hältst somit den gleichen Rang inne, wie andere Elben, die das doppelte deines Alters haben, und nebenbei bist du eine gute, vielleicht sogar die beste Schwertkämpferin im Königreich, die auch als Meisterin unterrichtet. Belesen bist du auch und du lässt dir nicht den Mund verbieten, was manchmal nervig ist, aber das gleichst du mit deinen Schlafgewohnheiten aus. Nicht ohne Grund bist du auf dieser Reise gewesen und nicht einmal gab es einen Moment, wo jemand anderes dich als eine einfache Waldelbin wahrgenommen hat. Die Menschen und auch noch die Elben in Imladris wie in Lórien kennen dich alle. Selbst die Menschen werden viele Generationen brauchen, um zu vergessen, dass ihnen einst eine Elbin im Ringkrieg beigestanden hat«, sein Blick wurde intensiver, »Obwohl du nicht irgendeine hohe Tochter eines Fürsten bist, heißt das noch lange nicht, dass du mir und dem Volk nichts geben kannst. Meinem Vater ist schon seit Jahren klar, dass er mich nicht mit irgendeiner Fürstentochter verheiraten kann, weil ich dann nie heiraten würde. Nichts gegen die Töchter von Fürsten. Viele von ihnen sind in Ordnung und jeder Elb wäre froh, sie als Frauen zu haben, doch du bist nicht unter ihnen und ich will nur dich. Es war mir klar, als ich dich zum ersten Mal gesehen habe und so ist es. Ich brauche keine eheliche Verbindung, die einen politischen Sinn hat, wenn es dort keine Liebe gibt. Liebe, die du mir gibst, und das ist das Einzige, was ich will. Und ehrlich, was bringt es dem Volk an sich, wenn irgendeine Fürstentochter an meiner Seite wäre, wenn sie keinen Bezug zum Volk hat? Alle kennen dich im Düsterwald. Selbst Kinder in den Siedlungen kennen die Kommandantin Lithil und deinetwegen wollen viel mehr Mädchen und junge Elbinnen dem Heer beitreten. Du bist jemand, der in ihnen etwas bewirkt, und all das ist mehr wert als ein Titel, den man seit der Geburt besitzt. Selbst mir ist mein Titel egal und du kennst mich. Hätte mich mein Vater zu einer Heirat gezwungen, würde man mich nicht mehr im Düsterwald finden.«, und bei seinem letzten Satz musste ich lächeln. Ja, wäre er jemals zu einer Hochzeit gezwungen worden, wusste ich, dass er rebelliert hätte.
»Das wollte ich dir eigentlich schon lange sagen«, endete er. Ich sah ihn an. Seine Worte fanden in mir Anker und liebevoll musterten meine Augen ihn.
»Du hast recht«, gab ich zu,
»Manchmal vergesse ich all dies, danke. Ich bin froh, dich an meiner Seite zu haben. Le melin.« (Ich liebe dich)
»Le melin, narwa fín.«

Lithil - gwend en lóre | Legolas Ff / Teil 1 ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt