Der Wolf kam auf die Wiese und sah Johanna interessiert an. Dann trabte er um die Lichtung, um den Baum und um Johanna. Diese jedoch blieb ganz ruhig. Sie wusste, dass der Wolf ihr nichts anhaben könne. Wenn er das überhaupt vorgehabt hätte. Denn gerade lenkte er seine ganze Aufmeksamkeit auf einen Feldhasen, der nicht weit von ihm auf der Wiese saß. Der Wolf stand ganz ruhig da. Dann spannte er alle seine Muskeln an und begann, im selben Augenblick, mit dem Todessprint. Er hetzte den Hasen über die Lichtung in den Wald hinein. Blätter raschelten und Äste knackten. Dann war es still. Totenstill. Johanna, die die ganze Zeit reglos auf dem Ast gesessen hatte, sah in die Richtung, in die der Wolf verschwunden war. Und da kam er schon wieder. Der Hase hing schlaff aus seinem Maul. An dessen Hals lief eine dunkelrote Blutspur aus einer grausam aussehenden Wunde. Der Hase staarte aus trüben, weit aufgerissenen Augen geradeaus. Johanna (die übrigens Vegetarierin war) musste bei dem Anblick des toten Hasen schlucken. ,, Vielleicht hatte er eine Familie oder Freunde und konnte sich nicht mal von ihnen verabschieden!" dachte Johanna traurig. Aber auch wenn sie Mitgefühl für den Hasen empfand, wusste sie den Kreislauf zu respektieren. Wäre der Hase entkommen, müsste der Wolf Hunger leiden und würde letztendlich irgendwann sterben.
Nachdem der Wolf wieder im Unterholz verschwunden war, sprang Johanna vom Baum und rannte schnurstracks nach Hause. Zu gerne wäre sie im Wald geblieben, doch ihre Eltern waren, was Pünktlichkeiten anging, sehr streng und sie hatte keine Lust auf Hausarrest. Rechtzeitig, um 5 Uhr, schloss Johanna die Tür auf und stellte ihre Schuhe in den Flur. Da klingelte das Telofon. Johanna nahm den Hörer in die Hand und wollte gerade anfangen zu sprechen, da tönte es aus dem Telefon: ,,Hallo, Papa hier. Ich stehe mit Mama und Jolanda im Stau und schaffe es nicht rechtzeitig nach Hause. Wir sind morgen wieder da. Mach keinen Unfug! Tschüss" Fassungslos schnappte Johanna nach Luft:,, Er hat mich nichtmal zu Wort kommen lassen! Und so was nennt sich Eltern. Sperren mich in ein Haus und lassen mich dann hier verrecken! Mir reichts, ich hau ab!" Doch so großartig wie der Plan klang, ein paar Schwierigkeiten gab es noch.
DU LIEST GERADE
The Woods of Freedom
Teen FictionStress in der Schule und mit den Eltern. Wut und Angst durchbohren die zwölfjährige Johanna. Als es ihr endgültig zuviel wird, haut sie von Zuhause in den Wald ab. Dort findet sie das Glück in der Einsamkeit und lernt sich besser kennen, als sie dac...