2.Kapitel

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Am Bahnhof um sechs Uhr morgens war nichts los. Nur ein paar Pendler, aber sonst nur wir. Moritz und die andern waren, wie erwartet, schon da. Wir begrüßten uns mit Urmarmungen und redeten noch ein bisschen in bitterer Kälte mit Kaffee und Zigarette. Zehn Minuten später kam der Zug. Dick und fett stand 'Amsterdam' auf ihm. Ich spürte wie mein Kopf mir sagte, ich solle lieber da bleiben, aber es war wegen Paul. Ich wollte ihn nicht unter den ganzen anderen lassen.
Er sieht vielleicht stark aus, aber innerlich ist er ganz zerbrechlich. Er hat sich geritzt. Aber als ich kam hörte Paul auf. Vielleicht hat er in mir die Hoffnung gesehen, was mich beruhigt, da er sich nicht mehr weh tun sollte.
Zum Glück waren die Sitze einigermaßen komfortabel. Wenn wir mit meiner Schulklasse den Zug genommen hatten, waren das diese alten unbequemen Züge mit denen keiner fahren wollte. Außer wir haha. Ich rechnete schon mal aus, wie lange die Fahrt gehen würde. Insgesamt 5 Stunden Fahrt. Uff, das war eine lange Zeit, aber egal. Tim, ein Junge den ich nicht sonderlich mag, holte schon nach dreißig Minuten Fahrt die Wodka-Flasche raus. Ja super, die Strecke konnte geil werden. Anscheinend war es Tim egal, dass die Leute um uns herum anfingen zu tuscheln und kritisch zu schauen. Ich fragte mich, woher er den Wodka hatte, aber Tim kam an so ziemlich alles ran, wegen seinen Kontakten. Wenn er Lust hätte, käme er auch an Stoff ran, aber so weit ist er zum Glück noch nicht gegangen. Aber das änderte sich jetzt in Holland.
Bei den Pausen gingen wir meistens raus, um zu rauchen oder uns einen Kaffee zu holen. Im Wagen kuschelte ich mich dann an Paul und er küsste mir auf die Stirn. Seine Küsse waren so zart. So wunderschön wurde ich von keinem Jungen geküsst. Ja man kann sagen, er ist mein Schutzengel.
Nach drei Stunden war es gerade mal neun Uhr und selbst um Neun war nichts viel los auf den Bahnhöfen. Okay, es war Mittwoch, aber ich fand es irgendwie gruselig. Ich bin bloß rausgegangen, wenn Moritz und so rausgegangen sind.
Irgendwann kurz vor der Grenze hatten wir uns Süßigkeiten in einem Bahnhof geholt, weil das meiste Proviant schon aufgebraucht war. Da die Frau im Hause, also ich, ja alles hinrichten muss, hätte ich auch für die andern Brötchen richten sollen, anstatt nur für Paul und mich. Also war das Proviant schnell weg, weil Jungs immer Hunger hatten.

lost kids in a cityWo Geschichten leben. Entdecke jetzt