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Die beiden lesen die Akten noch zu Ende und Alana beschließt, die Akten erst einmal wieder mit nach Hause zu nehmen. Die beiden müssen noch nicht von ihrem Tod erfahren. Das würden sie früh genug. Ein paar Tage mehr oder weniger machte das nun auch nichts mehr aus. Immerhin lebten sie schon ihr ganzes totes Leben ohne das Wissen, wie sie gestorben sind. Sie müsste sich erst einmal die Worte zurecht legen.

"Ich kann jetzt auch nicht noch einmal dahin gehen. Ich schaffe das nicht noch einmal" , erklärt sie Mandrik. Immerhin hat sie zwei Akten aus dem Archiv gestohlen. Das ist jetzt keine Kleinigkeit, obwohl sie es jederzeit wieder tun würde.Heißt es nicht, dass der Täter immer wieder an den Tatort zurück kehrt? Sie fragt sich, ob es jemals auffallen würde. Bisher hatte sie auch nicht vor, die Akten wieder zurück zu geben.

"Du hast schon mehr für uns getan, als du müsstest" , erwidert er.

"Ich mache mit meiner Recherche weiter, wenn ihr wieder verschwunden seit. Ich will ehrlich gesagt, so viel Zeit, wie möglich mit euch und vor allem mit dir verbringen" , erklärt sie schüchtern und schaut auf den Boden, um ihm in diesen Augenblicken nicht in die Augen sehen zu müssen, in die sie eigentlich stundenlang versinken könnte. Sie war noch nie gut darin, mit anderen Menschen zu sprechen und ihnen vor allem ihre ehrlichen, offenen Gefühle zu gestehen.

"Es sind nur noch ein paar Tage übrig, bis ihr wieder verschwindet. Die Zeit dazwischen werde ich nutzen. Ich habe ausgerechnet, wann ihr verschwindet und wann ihr wiederauftaucht und ich vermisse dich jetzt schon, auch wenn du noch neben mir sitzt. Ich wünschte, ich könnte einfach mit euch kommen" , gibt Alana zu. Sie sitzen immer noch nebeneinander und haben sich noch kein einziges Mal berührt. Trotzdem fühlt sich Alana Mandrik so nahe, wie noch nie einem anderem Menschen zuvor.

*

Die restlichen Tage vernachlässigt Alana die Schule. Lernen kann sie auch, wenn der Zirkus wieder abgereist ist und versucht all ihre Zeit mit Mandrik zu verbringen. Die beiden albern herum und machen Späße, doch die meiste Zeit sind sie im Zirkuszelt. Er zeigt ihr einige Tricks und versucht ihr das Jonglieren beizubringen, woran er kläglich scheitert. Die beiden haben einige Lachanfälle, als die Bälle immer einer nach dem anderen wieder auf dem Boden landen.

"Vielleicht liegt es auch an dir. Vielleicht bist du einfach kein guter Lehrer" , grinst sie Mandrik an und streckt ihm die Zunge heraus. Er wirft einen der Bälle nach ihr, doch sie weicht diesem aus.

"Das werden wir wohl nie erfahren" , erwidert er, ebenfalls grinsend, denn Alana würde bestimmt die einzige Person sein, der er jemals irgendetwas neues beibringt. Nachdem sie diesen Abend miteinander verbracht haben, bis die Vorstellung beginnt, geht Alana nach Hause. Dieses Mal würde sie nicht wieder zuschauen. Sie müsste eine ganze Mütze Schlaf nachholen. Als sie Zuhause ist sucht sie im Internet nach Tutorials zum Jonglieren. Sie würde es wirklich gerne lernen, vielleicht auch ein bisschen aus dem Grund, um ihn zu beeindrucken. Sie weiß, dass sie noch irgendwo Jonglagebälle in einer Kiste in ihrem Schrank hat. Sie durchwühlt diesen und findet nach einigen Minuten, nachdem ihr Zimmer aussieht, als hätte eine Bombe eingeschlagen, tatsächlich die Bälle. Auch ein Tutorial im Internet findet sie, welches sie sich anschaut und nach dem ersten schauen für gut behält. Sobald sie den ersten Ball in die Hand nimmt, schießt das Adrenalin in ihren Adern empor und sie kann nicht mehr ans Schlafen denken. Sie hört der Frau zu und wirft den ersten Ball immer von der einen in die andere Hand, bis sie es drauf hat. Danach nimmt sie, genauso wie die Frau, den zweiten Ball in die Hand und versucht nun diese hin und her zu werfen, was deutlich länger dauert, als der erste Schritt. Soweit war sie mit Mandrik nämlich auch schon gekommen, aber bei dem zweiten Ball sind die beiden schließlich gescheitert. Sie hat den Ball immer von der einen in die andere Hand weitergereicht und nicht, wie es sich eigentlich gehört, die beiden Bälle quasi über Kreuz geworfen, um sie mit der anderen Hand wieder aufzufangen. Sie übt einige Stunden und bekommt es trotzdem nicht hin, die Bälle nacheinander zu werfen und nicht in den Händen zu tauschen. Mandrik meinte, dies sei ein typischer Anfängerfehler. Nachdem sie einige Stunden geübt hat, kann sie nicht mehr und legt sich ins Bett, um gleich darauf in einen tiefen Schlaf zu fallen.

Der MitternachtszirkusWo Geschichten leben. Entdecke jetzt