Kapitel 1 | Richard

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Kapitel 1 | Richard

„Verdammte Scheiße!" Als Richard Harrison zwei Wochen vor Weihnachten von einem Übersehflug zurückkehrte, glaubte er seinen Augen nicht trauen zu können

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„Verdammte Scheiße!" Als Richard Harrison zwei Wochen vor Weihnachten von einem Übersehflug zurückkehrte, glaubte er seinen Augen nicht trauen zu können. Seine halbe Wohnung war leer und auf dem einsam zurückgebliebenen Ledersofa – den Tisch hatte der Mistkerl natürlich auch mitgenommen – lag ein Zettel.

Da du eh nie Zeit für mich hast...
Schönes Leben noch!
Marc

Den Zettel wütend zerknüllend und in die Ecke werfend, ließ der Pilot seine Tasche auf den Boden fallen und sich selbst auf das alte, schwarze Ledersofa. „Fuck!" Kopfschüttelnd überlegte er, wie es dazu hatte kommen können.

Zwei Jahre... Zwei eigentlich glückliche Jahre! Was hatte Marc von ihm weggetrieben? Okay, er war oft an den Wochenenden nicht da gewesen. Durch die Pandemie war er in den letzten zwei Jahren oft eingesprungen, wenn einer seiner Kollegen mal wieder flachlag. Dann war er oft genug einfach nicht im Land, aber das war nun mal sein verdammter Job! Er war Pilot! Das hatte Marc gewusst, als er ihn damals in dem kleinen Gayclub in der Innenstadt aufgegabelt hatte... Damals in Amsterdam, wo alles begonnen hatte.

Seufzend versuchte Richard die Erinnerungen aus seinem Kopf zu streichen, doch die Wut wollte sich noch nicht so richtig einstellen. Es war eher eine stumpfte Traurigkeit. Ein Nichtverstehen der Endgültigkeit von Marcs Entschluss. Doch was sollte er machen? Richard wusste, sein nun Ex-Lover war halt jemand, der kompromisslos nach seinen Prinzipien lebte. Und eine davon war nun mal: Er war die Nummer eins, eine zwei duldete er nicht. Auch nicht, wenn dies die Arbeit war.

„Ok, Drama Queen..." Sich aufraffend, machte er gedanklich eine Liste mit den Dingen, die er wohl oder übel neu besorgen musste. Auch wenn er sich noch nicht ganz im Klaren darüber war, wie er die 80-Quadratmeter-Wohnung in Köln, direkt am Rhein, alleine bezahlen sollte. Aber aufgeben wollte er sie auch nicht. Der Blick auf das Wasser und den Dom von seiner Dachterrasse aus wollte er nicht missen. Aber da er noch seinen Ausbildungskredit abbezahlen musste, war Geld nicht unbegrenzt verfügbar.

„Das hast du nicht gemacht!", keuchte Richard entsetzt, als er auf dem Weg in die Küche sah, dass auch noch die Hälfte seiner Kücheneinrichtung fehlte! Der teure Zwei-Flügel-Kühlschrank und den erst ein Jahr alten Induktionsherd hatte der Kerl auch mitgenommen! „Danke für nichts", knurrend, war Richard kurz davor, seinen Ex anzurufen und nach dem Verstand zu fragen. Aber die Genugtuung wollte er ihm nicht geben. Alles was ihn gerade wirklich aufrecht hielt, war die Erleichterung darüber, dass sie nie die Konten zusammengelegt hatten. Wer weiß, was Marc sich davon noch geholt hätte.

Sein Smartphone zur Hand nehmend, rief er Jacob, seinen besten Freund, an und schilderte ihm die Lage in kurzen Sätzen. „Was ein Wichser!", schimpfte der dunkelhäutige Kampfsporttrainer wütend. „Und wie immer, perfektes Timing. Alter, ich habe dir gesagt, der Typ ist ein Arschloch." „Ich habe keine Lust über ihn zu reden. Was mache ich jetzt?" „Kleinanzeigen? Ich kann dir meinen Transporter leihen, wenn du was abholen musst." „Das wäre toll. Pass auf, ich schau mal, was das Netz so hergibt und melde mich dann bei dir, ok?" „Kein Thema, ich komm nachher mal vorbei." „Bring Pizza mit!" Das für Jacob typische dunkle Lachen ließ Richard schmunzeln. Sie kannten sich schon aus der Grundschule und auch wenn Jacob hetero war, er hatte seit Richards Coming Out vor zehn Jahren nie ein Drama darum gemacht. Sie waren Kumpels geblieben, durch so viele Liebesbeziehungen hinweg.

Durch einige Portale hindurch swipend, wurde Richard immer frustrierter. Diverse Kleinanzeigen in sogenannten Social Medias waren ja gut und schön, aber vieles davon einfach war nicht sein Style. Nach fast zwei Stunden Suche fand er jedoch in den Kleinanzeigen etwas, das ihn grinsen ließ.

„Na, da schau her." Ein Bettgestell aus Metall, an dessen Kopfende stilisierte rot und gelb lackierte Flammen zu sehen waren. Und die Dame verkaufte auch noch eine brandneue Sitzlandschaft. Die Gründe, die daneben standen, sprachen dem Piloten aus der Seele. „Wohnungsauflösung durch Scheidung". Das konnte nur Schicksal sein! Er schrieb die Frau an, die laut der Anzeige nicht weit weg von ihm wohnte, und wurde schnell mit ihr einig.

Perfekt, dachte er erleichtert und lehnte sich zurück. „Fehlt nur noch ein Ofen, ein Kühlschrank und ein Fernseher. Ach ja, und eine Spielekonsole. Zwei Wochen vor Weihnachten. Jacob hatte recht, Marc ist ein Arschloch!" Seufzend schüttelte er zum gefühlten hundertsten Male an diesem Abend den Kopf, als es klingelte. Irritiert sah er auf die Uhr... Ups, schon zwei Stunden vergangen?

Der Duft von Salamipizza ließ Richard genießend schnurren. „Du bist ein Lebensretter." „Immer wieder gern!", lachte Jacob und sah sich in der halbleeren Wohnung um. Seinen bissigen Kommentar herunterschluckend, legte er die riesige Pizza auf das Sofaende und nahm seinen Kumpel kurz in den Arm, als dieser ihn bedrückt ansah.

„Auf die Arschlöcher dieser Welt." Mit dem Bierglas, in das sie den Wein, der als Gratisbeigabe aus der Pizzeria dabei gewesen war, anstoßend, schütteten sie das viel zu saure Zeug in einem Zug herunter. „Wäh..." Richard verzog lachend das Gesicht, worauf Jacob eine Grimasse zog. „Aber er knallt." „Wenigstens etwas." Mit zweideutigem Unterton lachte Richard kopfschüttelnd, nur um aufgeregt an sein Telefon zu gehen, als es den typischen Nachrichtensound abgab. „Ui!" Erfreut jubelnd sah er, dass er in einem Onlineauktionshaus einen neuen Induktionsherd ersteigert hatte! Manchmal hatte das Universum doch ein Einsehen mit ihm.

„Ok, Alter. In drei Tagen brauche ich dich, deine zwei kräftigen Arme und deinen Wagen." „Wann immer du willst." Jacob grinste frech, als sein bester Freund die Augen rollte und sich dann gemütlich zurücklehnte. „Sperrmüll kommt am Freitag. Alles, wo dieser Wicher mal hingespritzt hat, fliegt raus!" Als Jacob ihm einen zweideutigen Blick erst auf seinen Bauch und auf den restlichen Körper warf, streckte ihm sein Kumpel bloß lachend den Mittelfinger entgegen. „Ok, auf die Ex-Arschlöcher und das Abspritzen!" „Amen!", lachend, wusste Richard noch nicht so recht, wie es weiter gehen sollte. Aber was er wusste: Solange Jacob da war, war er zumindest nicht allein.

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