Verdammter

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„Was? Nein. Wir waren heute nur am-„ weiter kommt Nil nicht.

Seine Mutter faucht ihn mit tobender Stimme an: „Es ist überall in den Nachrichten. Vier Unbekannte. Was habt ihr euch gedacht? Was ging da in euren verdammten Köpfen vor. Beziehungsweise welche Schalter sind da durchgebrannt? Ihr ausgestreckter Finger wandert nun von Richtung Fernseher in Richtung Sohnemann.

„Du! Ich werde dich nicht verraten. Ich habe keine Lust auf das Diskutieren mit der Polizei. Vor allem nicht, weil ich da wieder den Kopf für dich hinhalten müsste."

Nil kneift die Augenbrauen zusammen, guckt dann verwirrt seine Mutter, dann seinen Vater an. Dieser guckt ebenfalls auf Svenja.

„Nein." fährt sie fort, „Du wirst dich vorerst selbst aus der Schlinge ziehen müssen. Und das heißt, du musst deine Probleme selber klären."

Während Nils Mutter die Standpauke vorträllert, verzieht sie kopfschüttelnd ihren Mund immer wieder zu einem angewiderten Lächeln. Ihre Augenbrauen sind weit in die Höhe gerissen. Plötzlich wandert ihr Finger weiter in Richtung Eingangstür. Ihr Blick wird -wie auch immer das noch möglich ist- noch ernster und finsterer.

„Raus." zischt sie mit klangloser Stimme.

Nil wiederum starrt seine Mutter in etwa so an, wie wenn ein Kleinkind im Schlafzimmer der Eltern entdeckt, dass Kinder doch nicht durch magische Störche auf die Welt gebracht werden. Wie angewurzelt steht er da und wechselt hastig die Blicke zwischen seinen beiden Elternteilen.

„Raus!" die Lautstärke macht nun einem Düsenjet Konkurrenz.

„Aber Mom, wir waren im Wald feiern. Wir waren alle zwar nicht Stufenbeste, aber-." Er schaut zu Boden, „Aber wir haben dort ein Feuer gemacht und, und ein bisschen Spaß gehabt. Marshmallows und so."

Seine Mutter guckt ihn fassungslos an. Augenbrauen weiterhin kurz vor dem Haaransatz. „Du schleichst hier rein, stinkst nach Alkohol und Benzin und Rauch und hast zufällig die Klamotten, die die nette Leute im Fernsehen und die Polizei eindeutig suchen, an. Und dann warst du mit deinen Kumpels im Wald feiern." Sie fährt fort. Diesmal in einem flüsternd sarkastischen Ton: „Wo sind denn deine Freunde? Sind sie etwa auch wieder Zuhause und erzählen die gleiche  wunderbar zufällige Geschichte? Vermutlich wart ihr so grandios geschickt und habt euch nichtmal mehr eine Gemeinsame ausgedacht."

„Die sind alle-„ versucht sich Nil zu verteidigen.

„Raus!" unterbricht ihn seine Mutter einfach schon wieder.

„Dad, sag' du doch auch was." kommt es verzweifelt aus dem nun von der Polizei gesuchten Jungen.

„Hört auf Das, was dir deine Mutter sagt." betont er in der Stimmlage eines Lehrers.

Nil hält einen Moment inne.

Immer noch fassungslos geht Nil langsam ein paar Schritte rückwärts. Wenn man genau auf seien Augen achtet, kann man sehen, dass sie allmählich anfangen glasig zu werden. Kurz vor der Türschwelle bleibt er noch einmal stehen. Seine Mutter steht wie eine Statur im Flur. Ihr Brustkorb hebt und senkt sich übernatürlich schnell.

Dann dreht sich Nil um. Und rennt. Er rennt in die bedeckte Nacht hinein. Aus dem langen Vorgarten auf die Straße und von dort aus in Richtung westlichen Stadtrand: Die Küste. Seine Drüsen können nicht mehr innehalten. Viele kleine Wassertropfen laufen dem Jugendlichen die Wangen herunter. Er nimmt an Geschwindigkeit zu. Seine Beine tragen ihn in Sekundenschnelle schneller und schneller die dunklen Straßen entlang. Hätte ihn jemand so laufen gesehen, hätte er ihm wahrscheinlich die Worte „Lauf Forest, lauf!" hinterhergeschmissen. Aber da war keiner. Die Straßen waren leer.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jul 24, 2022 ⏰

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