seetangsterne

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I. Ihre toten Augen sind trunken von roher Gier; ihre Pupillen glasig wie zementgebleichte Zuckermandeln und ihre Köpfe fallen zurück, wenn sie den silberzüngigen Tod besingen.

II. Ihre Haut ist verziert mit Seetangsternen, die in den gekrönten Mondlichtfluten milchig schimmern wie klebriges Serpentin. Ihre Glieder sind verseucht von Fischblut und den giftigen Küssen von langarmigen Anemonen.

III. Wenn sie lachen, bluten aus ihren krummen Zähnen ihre mitternächtlichen Sünden, Seemänner schreien und Seelen verderben in der Flut ihrer gekrönten Ekstase.

IV. Die Sirenen singen und das Leben windet sich in ihren salzverkrusteten Mündern, schlängelt sich in ihre krallenen Hände, die dafür gemacht sind, weiche Herzen zäh zu formen.

V. Von ihren langen Hälsen hängen gelbäugige Moränen hinab, deren Bäuche gefüllt sind von Delfinmägen und über die einzig der Mond regiert.

VI. Ihr Vergnügen ist das Irreführen, sie genießen es, wenn ihre starren Totenkörper sich zu perlmuttenen Kurven wandeln, neue Glieder in der Form schläfriger Lippenküsse und Nektarglanz.

VII. Unter ihrer falschen Schönheit versinken Seemänner in den rauen Wellenarmen wie Fliegen.

VII. Die Sirenen singen und sie warten, erneut von der Jugend kosten zu können, die schon so lange in ihren Schalenhäuten verdorben ist.

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