Das Bild, das sich Darkness jetzt bot war es auf alle Fälle wert gewesen, dieser tollpatschigen Halbfee hinterher zu fliegen. Ein Schwarm von Fledermäusen mit orangenen Flügeln stürzte sich auf die kreischende Blondine, welche sich die Arme vor das Gesicht hielt und in Darkness' Fantasie schon bald eine Fötusposition einnehmen und nach ihrer Mutter rufen würde. Was für ein naives Kind... Jeder weiß doch, dass man einen großen Bogen um jede Art von Lichtquelle in der Finsternis machen sollte.
Beinahe hätte sie etwas Mitleid empfunden, wenn die Situation nicht so derartig belustigend wäre. Die Fledermäuse hatten es zu dem Glück der Fee nur auf kleine Insekten, die sich von dem Licht der Blumen angezogen fühlten, abgesehen und würden höchstens ein paar Kratzer auf ihrer Haut hinterlassen. Die Art und Weise wie sie ihr Revier im Schwarm verteidigten, zeigte jedoch selbst bei so großen Feinden wie dieser kaum über 1,60m großen Halbfee ihre Wirkung, wie Darkness schmunzelnd feststellte. Sie hatte sich bereits aus ihrer Rabengestalt zurückverwandelt und beobachtete das Geschehen aus sicherer Entfernung, versteckt hinter einigen türkisgrünen Riesenblättern.
Die Schreie hatten mittlerweile aufgehört, doch die Tiere, die bis eben noch zwischen den seltenen Leuchtblumen geschlafen hatten, kreisten noch immer um die junge Frau. Auf den Knien hockend schien sie etwas auf dem gigantischen Ast unter ihr zu suchen. Darkness kniff die Augen zusammen, in der Hoffnung dadurch genauer sehen zu können, was sich hinter dem Wall aus Fledermäusen tat.
Okay also sie hat etwas in der Hand... Einen... Stock?
Die rechte Hand der Halbfee begann zu leuchten, erst schwach, dann sogar stärker als die Blumen über ihr. Darkness lehnte sich weiter nach vorne und zog die Augenbrauen konzentriert zusammen. Der kleine Ast, den die Blondine allem Anschein nach von dem bemoosten Gigantenbaumast unter ihr abgetrennt hatte, schien sich in ihrer Hand zu verlängern. Durch das Leuchten und die Fledermäuse konnte Darkness nicht annähernd so viel sehen, wie sie es gerne gewollt hätte, jedoch gab es keine Zweifel daran, dass das Stück Holz unnatürlich schnell wuchs. Ist das eine normale Fähigkeit für Feen? Darkness' Blick wanderte zu ihrer linken Hand, während sich die Halbfee, gestützt auf den Stock, zurück auf die Beine kämpfte. Das Leuchten erlosch, als der Ast einen halben Kopf kürzer war als die zierliche Fee, die Darkness noch immer den Rücken zu gewendet hatte.
Was hat sie jetzt vor? Will sie die Fledermäuse damit etwa verprügeln?, fragte sie sich bevor die junge Frau begann, mit der noch freien Hand in der Luft umher zu fuchteln und etwas gegen den Lärm der umherflatternden Tiere zu schreien, was sie nicht verstand.
Das bringt doch nichts, die werden ihr nur weiter die Frisur zerstö-, Darkness unterbrach ihren Gedankengang in dem Augenblick, in dem die Fledermäuse im Flug stillstanden, als wären sie eingefroren worden oder die Zeit hätte für sie angehalten.
Bei den Göttern...
Darkness wollte sich selbst nicht eingestehen, dass ihr soeben die Kinnlage vor Schock runtergefallen war. Diese Halbfee hatte es tatsächlich geschafft, sie völlig aus dem Konzept zu bringen. Darüber vollkommen unwissend strich sie sich über die zerzausten Haare und streckte daraufhin die Hand nach den orangenen Blumen aus, die sich nun problemlos pflücken ließen. Sie sah sich noch einmal um und flog dann in die Richtung des Riesenpilzwaldes davon, als würde nicht gerade ein gesamter Schwarm Fledermäuse bewegungsunfähig in der Luft hängen wie Museumsmarionetten.
Darkness blinzelte ein paar Mal, nachdem die glänzenden Feenflügel im Dickicht verschwunden waren und versuchte eine Erklärung für die Geschehnisse zu finden.
Vielleicht lernen Feen diese Magie ja in der Schule?
Sie hatte einmal aufgeschnappt, dass Feen tatsächlich eine Art Unterricht für Elementarmagie und Haushaltsfähigkeiten besuchen mussten, was sie immer wieder zum Lachen brachte, wenn sie an ihre Kindheit unter Gestaltenwandlern zurückdachte. Doch diese Situation war alles andere als lustig, schließlich hatte eine Halbfee soeben bewiesen, dass sie ihre Erzfeinde, die ihnen schon bald den Krieg erklären würden, maßlos unterschätzt hatte. Sie wollte sich kaum ausmalen welche Fähigkeiten die erfahreneren Feen oder gar ihre Anführer, die Leuchtenden, besaßen.
Dieses Licht... Hat sie diesen Stock wirklich zum Wachsen gebracht? Kann sie das auch mit anderen Dingen? Vielleicht sogar Tieren? Magischen?
Ihre Gedanken überschlugen sich. Was hatte dieses Licht zu bedeuten und warum hatte sie das Gefühl, dass diese Magie mit ihrer neu gefundenen Kraft zusammenhängen könnte? Sie bewegte die Finger ihrer linken Hand hin und her und kam schließlich zu einem Entschluss. Sie musste dieser Fee weiter folgen. Darkness würde dadurch natürlich die Geduld ihres Vaters weiter ausstrapazieren, jedoch hoffte sie, dass die Antworten auf ihre unzähligen Fragen es wert sein würden.
Warum fliegt sie nicht einfach zurück nach Hause? Was will sie überhaubt mit dieser Blume? Irgendetwas verheimlicht sie doch! Und ich werde herausfinden, was das ist, ob mit oder ohne Gewalt.
Darkness' Mundwinkel zuckte nach oben. Keine drei Sekunden später flog sie dem unverwechselbarem Duft ihrer Beute erneut hinterher.
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Leuchtende Finsternis
FantasyEigentlich dachte Raelyn, den Tod ihres Vaters akzeptiert zu haben, doch ein weiterer Anschlag kurz vor dem zehnjährigen Gedenktag der Verstorbenen wirbelt alles wieder auf. Wer war die Frau, die damals 42 Feen ermordet hatte? Und was hatte der zwe...