New York. Endlich.
Annalena streckt sich auf der Rückbank der Limousine, die sie und Kathrin vom Flughafen LaGuardia abgeholt hatte, so gut es ging aus. Sie hatte die meiste Zeit des Fluges 'effizient genutzt' und geschlafen. Jetzt, um kurz vor sechs Uhr morgens Ortszeit, fühlt sie sich sogar einigermaßen ausgeruht.Der Fahrer bringt sie zuerst in ihr Hotel, schließlich würde die Atomwaffenkonferenz der UN nicht vor 9 Uhr beginnen. Zeit genug also für Annalena, sich umzuziehen, frisch zu machen und sich einen doppelten Espresso von Starbucks zu gönnen. Endlich kommt die Limousine vor dem Westin Hotel zum Stehen - einem in Nähe des UN-Hauptquartiers, wo auch andere Teilnehmerinnen und Teilnehmer untergebracht sein würden.
Nachdem sich die Delegation samt Annalena durch eine Herde an Journalistinnen und Journalisten gekämpft hat und der obligatorische Sicherheitscheck der Zimmer erfolgt ist, kann sie endlich die Zimmertür hinter sich schließen und den Koffer abstellen.
Sie legt sich kurz auf das Queensize-Bett und atmet einige Male tief ein und aus.Als sie sich auf diese Weise wieder gesammelt hat steht sie auf und beginnt aus dem Koffer ihr Outfit für den Tag auszusuchen - wobei von einer ganz freien Auswahl hier nicht gesprochen werden kann, das weiß Annalena selber. Sie muss sich an die Vorgaben halten, die ihr als Außenministerin gegeben sind: nicht zu tiefe Ausschnitte, besser gedeckte Farben als zu bunt, außerdem Röcke und Kleider, die mindestens knielang sind. Damit hat sie am wenigsten ein Problem - ihre Unterschenkel sieht sie sowieso lieber großzügig verdeckt.
Heute beschließt sie, sich zwar an die Vorschriften bezüglich Ausschnitt und Rocklänge zu halten, jedoch nicht an die Bitte um gedeckte Farben - sie entscheidet sich für ein Kostüm in einem dunklen Magenta. 'Nicht zu altbacken, aber auch nicht zu auffällig und wahrscheinlich der Presse keine extra Meldung wert', denkt sie sich und beschließt, noch einmal kurz unter die Dusche zu springen. Fünf Stunden im Flugzeug gehören abgewaschen.
Anschließend zieht sie sich an und tauscht die bequemen Sneakers gegen ein Paar ihrer schwarzen Lieblingspumps aus, schließlich gehört sich das für eine Ministerin so. Sie verdreht die Augen bei dem Gedanken daran, dass es Frauen gibt, die den ganzen Tag stehend in solchen Schuhen verbringen müssen. 'Da lobe ich mir doch meine Sitzmöbel', denkt sie bei sich.
Mittlerweile ist es nach acht Uhr, und nach einem letzten Mal Auffrischen des Make Ups und einem kritischen Blick auf ihre Haare nimmt sie ihre Handtasche und verlässt das Hotelzimmer, vor dessen Tür sich schon eine ihrer Personenschützerinnen und ihre Assistentin Kathrin postiert haben.
"Magst du beziehungsweise möchten Sie noch einen Kaffee, bevor wir in Richtung UN fahren?", fragt Annalena lächelnd.
"Ja. Bitte. Und zwar intravenös...", seufzt Kathrin laut. Die Personenschützerin lächelt nur und bleibt stumm.
"Dann lass uns mal schauen, ob's auch Koffein intravenös im amerikanischen Starbucks gibt!" erwidert Annalena lachend und die drei machen sich auf den Weg in die Lobby. Auf dem Weg zum Wagen müssen sie erneut durch ein mittlerweile deutlich angewachsenes Meer an Journalistinnen und Journalisten gehen, erreichen das Auto aber letztendlich und steigen ein. Annalena und Kathrin im Fonds, die Personenschützerin auf dem Beifahrersitz.
Annalena fragt den Fahrer auf Englisch, ob sie auf dem Weg zur UN noch einen Stopp für die Koffeinversorgung einlegen könnten - da sie einen Zeitpuffer haben, hat der keine Einwände.
Nach kurzem Halt bei einer Starbucks-Filiale erreichen sie irgendwann schließlich das UN-Hauptquartier gegen halb neun. Dort tummelt sich nicht nur die Presse, sondern es rollen auch immer mehr andere große Limousinen mit Personen aus anderen UN-Mitgliedstaaten an, die an der Konferenz teilnehmen werden.
Annalena bedankt sich beim Fahrer und verlässt dann auf Höhe des Eingangs samt Assistentin Kathrin und ihrer Bodyguard den Wagen. Sie betreten das Gebäude und Annalena wird in diesem Moment klar, wie schwierig diese Rede und dieser Tag im Allgemeinen werden würde.
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Ozean zwischen uns
FanfictionZwei Frauen. Mit dem gleichen Amt. Auf zwei Kontinenten. So weit voneinander entfernt und doch so nah. Annalena Baerbock, Außenministerin der Bundesrepublik Deutschland und Mélanie Joly, Außenministerin von Kanada, treffen sich zum zweiten Mal beim...