Der Waldläufer

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Arans Gedanken rasten. Wer war dieser Kerl? Was wollter er von ihm? Und vor allem: woher kannte er seinen Namen? Der Alte hatte wohl seine Verwirrung bemerkt und lachte kurz schallend auf. Dann deutete er mit seiner unverletzten Hand auf eine mächtige Eiche, die sich ein paar Meter weiter gen Himmel erstreckte. "Setzten wir uns doch", sagte er locker. Es war, als wären alle Sorgen um ihre Verfolger und seine Hand wie weggeblasen. Noch immer keuchend, blickte sich Aran nach Shadow um. Der Kleine kauerte hechelnd hinter ihm. Der Junge schenkte dem Hund ein -alleswirdgut- Lächeln und drehte sich wieder zu Jorge. Zu seiner Überraschung hatte sich der Alte schon unter den Baum gesetzt und starrte ihn durchdringend, aber nicht unfreundlich an. Braune, funkelnde Augen. Der junge Kerl fühlte sich immer unwohler, während er sich Jorge gegenüber setzte. Er konnte sich einfach nicht entspannen. Daher setzte sich Aran so hin, dass er jederzeit aufspringen und wegrennen konnte. Auch die schien dem Greis aufzufallen, denn er lachte erneut schallend auf. "Das kannst du dir sparen, Junge. Ich hab im Moment nicht die Absicht und die Kraft dir etwas zu tun. Jetzt, da wir beiden es uns gemütlich gemacht haben, hast du wahrscheinlich eine Menge Fragen an mich. Doch bevor ich dir Antworten liefere, hab ich 'ne kleine Bitte an dich." Der alte Mann strich sich über seinen Stoppelbart und Jorge machte sich aufs schlimmste gefasst. "Kannst du mir was von deinem Essen abgeben? Ich bin am verhungern."
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Nachdem Jorge eine ordentliche Portion Trockenfleisch verputzt hatte, ließ er sich mit einem leisen Rülpser gegen den Baumstamm fallen. Aran beäugte ihn immernoch nervös. Auch er hatte etwas Fleisch gegessen, doch nicht annähernd so viel wie sein Gegenüber. "So Junge," fing der alte Mann an, während er versuchte mit seinen Fingernägeln Fleischreste aus seinen gelblichen Zähnen zu pulen,"schieß los. "Aran sah auf das goldbraune, gefallene Laub zu seinen Füßen,während er krampfhaft versuchte seine wirren Gedanken zu ordnen. Doch dann sprudelte plötzlich alles aus ihm raus:" Wer seid ihr? Wer verfolgt euch? Woher kommt ihr? Was wollt ihr von mir? Und woher kennt ihr meinen Namen? " Innerlich grinsend zog der Ältere eine Augenbraue hoch und schüttelte leicht den Kopf." Junge, Junge. Eins nach dem Anderem. Schonmal was von Waldläufern gehört?" Aran fiel die Kinnlade runter. Jorge beugte sich langsam vor und machte sie sanft wieder zu. Der wurde rot und merkte, dass er Jorge die ganze Zeit mit weit aufgerissenen Augen anstarrte. Verlegen senkte er seinen Blick. Natürlich hatte er von den Waldläufern gehört. Geschichten, Legenden, gar Mythen wurden über sie erzählt. Mächtige Assasinen, ungeschlagen im Bogenschießen und anden nicht weniger furchteinflößenden Fähigkeiten. Den Legenden nach beherrschten sie die Kunst der Zauberei und herrschten im Hintergrund für Frieden im Land. Aran spürte eine warme Flanke, die sich an seine Seite presste. Unbemerkt war Shadow aufgestanden und hatte sich zu ihm gesellt. Der Junge lächelte dankbar. Als er sich wieder an Jorge wenden wollte und hochsah, fuhr er erschrocken zusammen. An dem Platz, an dem der Greis vor kurzem noch lässig gesessen hatte, war niemand zu sehen. Angespannt sah Aran nochmal genauer hin, doch da war nichts. Keine Spur von dem Alten. Dabei hatte ich doch nur eine Paar Herzschläge nicht aufgepasst, dachte der Junge betroffen. Und ich hatte nichtmal einen Mucks gehört! Da durchbrach plötzlich das Knacken eines Astes die Stille. "Jorge?", fragte Aran unsicher flüsternd. Seine Stimme zitterte und es schwang Angst mit. Shadow war aufgesprungen und hatte die Ohren aufgestellt. Plötzlich ertönte ein leises Zischen und im nächsten Augenblick knallte etwas mit voller Wucht gegen Arans Schädel. Das Letzte, was er hörte war, dass Shadows wildes Bellen in ein ängstliches Winseln überging. Dann drehte sich die Welt um und alles wurde tiefschwarz.
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Aran kam langsam wieder zu sich. Er versuchte aufzustehen, doch etwas behinderte ihn daran, seine Arme zu bewegen. Der Junge sah nach unten. Er war mit einem dicken Seil an den mächtigen Stamm der prächtigen Eiche gebunden, unter der er mit Jorge geplaudert hatte. Jorge. Was um Alles in der Welt war denn passiert? Der Typ war abgehauen. Aber wovor? Jetzt erst nahm Aran seine Umgebung näher unter die Lupe. Die sonst so friedliche Lichtung war gefüllt von... Um was für Kreaturen es sich handelte, die dort um ein Lagerfeuer saßen, sich mit Rum betranken, dröhnend lachten und grölten war dem Jungen nicht klar. Es waren etwa ein Dutzend. Aran konnte nur Umrisse erkennen, da ihm das tanzende Feuer die Sicht nahm. Doch er meinte gebogene Schnäbel sehen zu können. Schnäbel. Außerdem war ihre glänzende Haut von einer dunkelroten Farbe. Sie trugen leichte Lederrüstungen und gefährlich aussehende Säbel am Leib. Da sah der Junge, dass einer von ihnen Hörner hatte. Es sah so absurd und urkomisch aus, dass Aran trotz seiner derzeitigen Lage ein Kichern rausrutschte. Da wurde es plötzlich gefährlich still. Als Eins der "Schnabelviecher" weiterlachte, schlug ihm der Gehörnte sichtlich wütend mit der flachen Hand gegen den Hinterkopf. Daraufhin verstummte Dieser. Jetzt kam der Gehörnte, sichtbar der Anführer auf Aran zu und baute sich drohend über ihm auf. "Ssssag mir Menschling, worüber lachsssst du in ssso einer Sssituation?", sprach er Aran bissig mit einer zischenden Stimme an, "antworte!" Aran war baff. Wie hatte er ihn gehört? Seine Leute waren so laut gewesen, selbst wenn der Junge geschrien hätte, wäre es untergegangen. Er war erschrocken und überrascht, wie er plötzlich mit ruhiger Stimme zum Anderen sagte:"Ich lachte über eure Hörner. Sie sehen lustig aus. "Kaum hatte er fertiggeschprochen, da brach auf der Lichtung Chaos aus. Die Schnabelviecher schrien entrüstet auf und der Gehörnte hob wutentbrannt die Hand, um dem von sich selbst überraschten Aran einen heftigen Schlag zu verpassen, da blitze plötzlich etwas in Feuerschein auf und im nächsten Moment schrie der Anführer schmerzerfüllt auf. Mit einem ungläubigen Gesichtsausdruck betrachtete er das kleine Wurfmesser, das seine Hand an die Eiche genagelt hatte. Rotes Blut floss den Arm entlang, und als der erste Tropfen den Boden erreichte, ertönte eine laute, vertraute Stimme aus dem Schatten der Bäume:"Das würde ich lieber lassen. ", und im nächten Augenblick trat Jorge aus dem Dickicht, mit grimmigem Gesicht, das nächste Messer wurfbereit in der gesunden Hand und einen bellenden Shadow im Schlepptau.

Die Waldläufer des KönigsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt