Das Buch des Feuers

1 0 0
                                    

1.

Für ein paar weitere Rotationen herrschte an Bord der Station eine beunruhigende Stille. Es wurden keine Worte mehr gewechselt als die wenigen, die sich auf unsere Forschung oder Gebete bezogen. Das Radio wurde angelassen, aber es wurden nur wenige Worte gewechselt, da wir immer noch auf eine Lösung oder Erklärung hierzu warteten. Das war vielleicht das Schrecklichste von allem. Warten. In der Hoffnung, etwas Gutes über diese Sache herauszufinden, die beinahe einem Wunder gleichkam. Die Wahrscheinlichkeit, dass dies tatsächlich eine von außerirdischem Leben produzierte Botschaft war, wurde nun überraschender Weise weitestgehend akzeptiert, aber ihre Bedeutung wurde immer noch diskutiert. Ich habe an dem neuen Bewässerungssystem für den kleinen Garten im Gewächshausbereich der ISS gearbeitet. Ich blieb positiv, denn das war alles, was ich darüber wusste, wie man mit beängstigenden Situationen umgeht.

Ich sagte mir und einigen meiner Kollegen, dass das Bewässerungssystem bereits hervorragend funktioniere und dass wir vielleicht bald den Garten zu einer Art grünen Lunge ausbauen könnten, was bedeuten würde, dass die Luft hier drinnen, die wir atmen würden natürlich von den Pflanzen gefiltert würde. Trisha kam aus der Küche vorbei und brachte mir Snacks. Ich hatte jetzt schon eine ganze Weile nichts mehr gegessen, aber um ehrlich zu sein, wer konnte sich während dieser feinen Angst des Unwissens wirklich zum Essen zwingen? Ich zeigte Trisha meine Arbeit, bevor sie sich wieder ihrem Laptop zuwandte. Für einen kurzen Moment fühlte sich dieser Moment wie eine gewöhnliche Arbeitsphase an. Aber meine Freiheit, so zu leben, als ob nichts gewesen wäre, wurde bald zunichte gemacht. Einer aus der Gruppe, die in der Nähe der Schlafquartiere eine Art Krisenrat gebildet hatte, bewegte sich hastig durch die Hauptschleuse. Plötzlich war er direkt hinter mir und begann sich zu beschweren.

Er hatte uns leicht aggressiv, aber auch verwirrt im Ton gefragt, wie wir alle so weiterarbeiten könnten, und verlangt, dass wir entweder eine Lösung dafür finden oder anfangen zu beten. Zwei aus meinem Team versuchten, ihn zu beruhigen, aber er lehnte jede Art von Hilfe oder einen Versuch auf Befriedung des Wutanfalls ab, den er inzwischen hatte. Sogar Trisha mischte sich ein und obwohl sie nicht stark oder bedrohlich in ihrer Figur wirkte, war sie die Art Mensch, die alle möglichen Unglücke ertragen konnte. Sie hatten es schließlich geschafft, ihn zu überreden, nach einigen Minuten dieses Wahnsinns zurück in die Schlafräume zu gehen. Die Rückkehr zur Arbeit erwies sich jetzt noch mal als weitaus herausfordernder, da wir so grob von unserer Arbeit abgelenkt worden waren.

2.

Die nächste Unterbrechung folgte nach einigen weiteren Minuten. Auch diesmal stammte es nicht von dieser Station. Es kam auch anscheinend nicht von der Erde. Das wundersame und mysteriöse Geräusch kam wieder einmal von den Radiosendern. Es klang wie das Rauschen eines vernachlässigten Fernsehbildschirms im Standby-Modus. Wir versammelten uns alle wieder um das Radio herum und warteten entweder auf eine Erklärung oder eine Ansprache von Erdwissenschaftlern oder -führern oder auf eine andere Nachricht, die viel eher die zuvor gegebene Warnung erklären würde. Wir waren bereit, eine weitere solch kryptische Nachricht zu empfangen, und stellten ein Team von Übersetzern zusammen, um uns so schnell wie möglich die Bedeutung des voraussichtlich wieder mehrsprachig ausgestrahlten Signals zu vermitteln.

Aber tatsächlich wurden sie nicht gebraucht. Diesmal wurde kein Wort gesprochen. Zuerst war das Signal schwach und die Stimme schien weit weg zu sein, so leise war sie. Dass es eine Stimme war, konnte nur identifiziert werden, da es sich um eine ähnliche, sich leicht wiederholende Folge verbal erzeugter Geräusche zu handeln schien. So wie sie ein irdisches Wesen machen würde, aber die Reihenfolge war klarer definiert. Doch als es an Volumen und Klarheit zunahm, konnte man erkennen, dass, was auch immer die Stimme uns erklärte, sie in großem Elend oder Verzweiflung zu flehen oder zu beten schien. Auch das Rauschen offenbarte langsam, was man nur als Schreie bezeichnen kann. Mehrere Individuen schienen im Hintergrund zu schreien. Das einzige, womit ich dieses schreckliche Geräusch genau vergleichen kann, sind die Schreie eines Pferdes, welches großen Schmerzen ausgeliefert wurde. Das selbst beim bloßen Zuhören schmerzverursachende, jämmerliche Kreischen tausender Münder in Qual oder Angst.

Die StilleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt