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"Bitte Emma, verzeih mir dies!" ,ich schüttelte den Kopf, zu viel war das alles gerade für mein Gehirn. "Eduard, Eduard, Eduard... Du warst fast 10 Jahre Soldat, dieser eine Mensch hin oder her..." ,weiter hörte ich nicht zu. Meine Gehirnzellen stellten auf lautlos. 

Mörder.
Eduard Leinen, ein Mörder...
Genauso wie Richard Ondres, mein Vater.
Wieso nur?

"Emma, bitte" ,hörte ich Leinens Stimme in meinen Gehörgang einbrechen. Ich sah verletzt zu ihm und bemerkte tiefe Reue in seinen sonst so starken Augen.
Es war ein Unfall, kam mir wieder in den Kopf. Anders als bei meinem Vater.

"Und Mama?" ,richtete ich meine Worte an meinen Vater. Er hatte Marly ermordet und ich war mir sicher er hatte Mama auch auf dem Gewissen, doch ich wusste es nicht. Ich wollte endlich Gewissheit, Gewissheit die mir nach 10 Jahren mehr als Zustand.

Ich blickte meinem Vater fest in die Augen versuchte etwas zu lesen und Tatsache, bedauernd blitzte auf genauso wie tiefe Trauer.
"Ich hab sie getötet" ,flüsterte mein Vater die vier Worte die ich nie wahrhaben wollte.
"Ich konnte sie so krank nicht mehr sehen. Es tat weh, so verdammt weh... Ich wollte sie erlösen und das konnte ich nur durch ihren Tod." Fügte mein Vater an.
Fest krallten sich meine Hände in die Stuhllehne vor mir. 1, 2, 3, 5, 7, 11, Primzahlen, 13, 17, 19, 23. "WARTE" ,schrie nun mein Lehrer, "DU HAST SIE UMGEBRACHT? DEINE EIGENE FRAU VOR DEINEM KIND!" Ich schüttelte den Kopf, was passiert hier nun. Schockiert und voller Trauer blinzelte Leinen die aufkommenden Tränen beiseite und baute sich auf.

"Jain" ,antwortete mein Vater gleichgültig, "Emma sollte das nicht sehen, anscheinend hat sie es irgendwie doch" ,mein Vater zuckte mit den Achseln, "Man Eduard das ist vergangen wichtig ist, dass du und sie mich betrogen habt" , 29, 31, 37, 41, mehr Primzahlen, "Ich hab dich nicht betrogen VERDAMMT!" , 43, 47, 53, 59, 61.

Der Sturm war entstanden und es gäbe kein zurück mehr.
Mein Vater war wieder ganz er selbst, er hatte sich gefasst und lauerte nun bedrohlich über dem Raum, wie eine schwere Gewitterwolke bei leuchtendem blau.
Ich realisierte nicht was passierte sondern hörte nur noch das panische: "LAUF" ,aus dem Mund meines Deutschlehrers.
Sofort machte ich mir wieder einen besseren Blick über die Situation und da stand er. Richard Ondres bewaffnet mit einem Fleischmesser.
Gruselig ging er einen Schritt nach dem anderen auf Herrn Leinen zu. Wie Katz und Maus bewegten sie sich synchron Leinen vollkommen auf Vater konzentriert. "VERDAMMT Emma LAUF!" ,zischte er erneut durch seine zusammengebissenen Zähne und mein Körper regte sich. Doch ehe ich einen Schritt auf den Flur zu machen konnte stand mein Vater im Türrahmen und versperrte mir den Weg.
"Ah, ah, ah" ,er grinste süffisanft, "Alle guten Dinge sind drei Emma, nicht wahr? Willst du nicht beim dritten Mord dabei sein? Richtig dabei sein wenigstens einmal?" ,panisch schüttelte ich den Kopf. Doch mein Gehirn war schneller als mein Verstand, sofort rannte ich zu den Fenstern doch, sie waren verriegelt. Er hatte alles vorbereitet, er hatte alles geplant...

"Tzz, dummes Kind" ,kommentierte er den gescheiterten Versuch meinerseits, "Nun zu dir Eduard" ,und mit einem Satz sprang er auf meinen Lehrer zu. Geschockt stand ich da, nicht in der Lage die Flucht nun endlich zu ergreifen. Immer wieder wich mein Lehrer dem Messer aus. Elegant duckte er sich unter dem Messer durch, trat beiseite oder blockte einen Angriff.
Wie alles was er tat, sogar jetzt in so einer Situation, bewährte er seine Eleganz. Doch ewig konnte er das Spiel nicht treiben und als er kurz nicht bedacht zu mir schaute erwischte es ihn schließlich.

In seinem Anzug war ein glatter Schnitt aus dem das tiefrote Blut lief. Nicht wenig aber auch nicht all zu viel saugte sich in den Stoff.
"Emma LAUF ENDLICH!" ,schrie er aufs neue, doch ich konnte nicht, ich konnte einfach nicht und eilte zu ihm. Schützend stellte ich mich vor ihn, ehe mein Vater ihn abermals erwischen konnte.
"Geh mir aus dem Weg" ,ertönte die Stimme des Mörders tief aus der Kehle.
"Sonst was?" ,brachte ich so gefasst wie möglich hervor. Keine Ahnung woher ich den Mut bekam: "Ich werde nicht zögern dich zu verletzten. Bitte Emma geh mir aus dem Weg, dass ist nicht dein Krieg!" ,ich erstarrte vor Überraschung. Er hatte bitte gesagt. Er hatte bitte gesagt und indirekt gesagt ich solle mich schütze...
Ewig waren diese Worte nicht mehr seinen Lippen entflohen. Das Bitte schockte mich mehr als die Tatsache das er mich verletzen würde.

Abermals schüttelte ich den Kopf, verneinte so seine Aussage doch seine Geduld schwand. Mit einem graziösen Stoß durchbrach er meine Rippen so, das er mein Herz verfehlte. Ich viel auf die Knie hielt mir die Stelle und sah das Blut raussprudeln.
Immer und immer mehr durchnässte den Küchenboden.
Ich war in einem Tunnel nichts drang zu mir durch. Nicht mal dass, was die Männer taten doch ich wusste ich würde sterben. Hier und heute würde Emma-Lou Ondres sterben und das nur, weil sie sich für ihre Liebe eingesetzt hatte. Ja, sie liebte Eduard Leinen und dafür bekam sie nun den Tod.

War das gerecht?

"Emma, bitte komm mit" ,Herr Leinen kniete neben mir und hielt mich, zog mich hoch und schleifte mich durch den Flur. "Bitte er wird nicht lange brauchen um sich von dem Schlag zu erholen BITTE HILF MIR!" ,doch ich hatte keine Kraft mehr und meine Beine knickten Weck.
"IHR TURTELTÄUBCHEN WO SEID IHR!" ,kam der gehässige Schrei von dicht hinter uns. "Verdammt" ,fluchte Leinen und drehte sich zu meinem Erzeuger um. "Bitte Richard" ,flehte er fast doch dieser hatte ein irres Funkeln in den Augen.
Mit einem beherztem Stoß traf die Klinge das Herz und durchbohrte dieses als wäre es Luft. "NEIN" ,schrie ich und nahm alle Kraft zusammen um mich zu meinem Lehrer zu ziehen. Wie in Zeitlupe bewegte sich seine Brust und seine Augen glänzten vor Schmerz

"Bitte bleib am Leben" ,wisperte ich gequält und schob meine Hände auf die Wunden.
Mein Vater hatte sich gegenüber von mir hingekniet und beobachtete emotionslos das Schauspiel der Verzweiflung. Das Schauspiel von Leben und Tod.
"Emma" ,hustete Leinen ein letztes mal, "Egal wie falsch das ist... Ich Liebe dich!" ,waren seine letzten Worte ehe seine Augen erstarrten und sich eine friedliche Mimik in sein Gesicht festbrannte. Seine Brust erhob sich einige wenige male, das Leben verließ ihn quälend langsam und ich konnte nichts tun.
Ich beobachtete ihn bei seinem letzten Kampf, Stunden, Jahre, Jahrzehnte doch es geschah nichts, es war totenstill. Er war Tod, Eduard Leinen war einmal...

"Er ist Tod Liebling, du brauchst keine Angst mehr zu haben" ,beschwichtigte mich mein Vater halbherzig doch ich nahm ihn nicht war. Ich griff das Messer aus der Brust meines Lehrers und stich es meinem Vater in den Hals. Der Zorn gab mir die Kraft das Messer durch Haut und Muskel zu ziehen.
Keine Mimik verzog ich dabei, immer wieder stich ich auch in seine Brust, ehe er neben meinem geliebten auf dem Boden niedersank, die Hände auf seinem Hals.
"Du bist so schön wie deine Mutter" ,krächzte er ehe auch ihn das Leben langsam verließ und nur die Uhr aus der Küche die Luft zerschnitt.
Geschockt starrte ich auch die leblosen Körper vor mir. Doch kein Gefühl überkam mich, ich war leer. 

Ich war ein Mörder.

Genauso wie alle anderen in diesem Haus.

Ich hatte nicht irgendwen getötet, sondern meinen eigenen Vater und das schlimmste daran. Ich bereute es nicht und würde es auch niemals tun. Leblos lag er da, das vom Blut getränkte Messer in seinem Schlüsselbein. Nebeneinander lagen sie. Ruhig, leblos. Ihr Blut wurde zu einem.
Sie waren gestorben, durch einen Sturm, den es nie hätte geben dürfen.

Leinen lächelte, die Augen in die Ferne gerichtet, er wirkte so friedlich.
Auch mein Vater hatte ein Lächeln auf den Lippen als er starb und ein letztes mal traf ich seine giftgrünen Augen, doch dieses mal war nichts mehr zu erkennen. 

Und so umarmte ich den noch warmen Körper meines Lehrers, vernahm ein letztes mal seinen Duft und driftete ab, das Adrenalin verließ meinen Körper und die Schmerzen kamen. Noch immer trat Blut aus meiner Wunde, doch es kümmerte mich nicht, ich war bereit zu sterben.
Das Leben verließ mich genauso wie es davor die beiden Männer verlassen hatte und meine Augen schlossen sich in dem Gewissen niemals wieder aufzugehen.

Ich war gestorben, am 6 September 2022, um 21:47Uhr.
Mit gerade mal 17 Jahren, verließ das Leben meinen Körper, mein Herz blieb stehen.

Für immer

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