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Panisch schnaubte ich in die Bäckertüte vor meinem Mund. "Schhh" ,beruhigte mich eine Männerstimme die sich neben mir nieder gesetzt hat. "Tief ein und ausatmen" ,sprach er weiter. Sein Duft kitzelt mir in der Nase doch noch war ich zu Angsterfüllt um mir Gedanken über Herr Leinen zu machen. 

"So ist es gut tief ein und ausatmen" ,drang seine Stimme weich durch meine Gehörgänge, "Und wenn du das Gefühl hast es geht wieder nehme die Tüte weg." Ich tat was er sagte denn langsam kroch die Angst aus meinem Körper raus und zurück in mein Herz was immer noch laut gegen meine Brust pumpte. "So ist es gut" ,umhüllte er mich weiter mit seinen Worten. Zögernd rappelte ich mich auf und lehnte nun mit dem Rücken wieder an der Wand. Seine Präsenz betäubte meinen ganzen rechten Arm obwohl wir uns nicht berührten. Ein brenne was trotz der kälte unerträglich wirkte.

"Was machst du hier Emma?" ,seine Frage kling höflich doch noch bevor ich antwortete stand er auf und hielt mir auffordernd die Hand hin, die ich zaghaft ergriff. Ein stechender Schmerz durchzog meinen Arm als er mich hochzog, die schmerzen hatte ich verdrängt doch nun kehrten sie mit voller Präsenz zurück. Mit schmerzverzerrtem Gesicht hielt ich mir den Arm und auch mein Rücken und Bauch gaben quälende Schmerzen von sich. Leinen schien es jedoch nicht mit zu bekommen. Wenigstens etwas.

"Was machst du hier um diese Uhrzeit?" ,fragte mich Herr Leinen und schenkte mir eins dieser Lächeln die ich so liebte, "Was machen Sie hier?" ,fragte ich zurück ohne auch nur auf seine Frage ein zu gehen. "Ich denke" ,er kratzte sich verlegen am Hinterkopf und deutete zu einer Häuserreihe, "Ich wohne hier." Nun war ich verlegen: "Lehrer haben schließlich auch ein Privatleben" ,erschöpft nickte ich und zitterte leicht. Doch nicht wegen einer Panikattacke sondern da mein Körper die kalte Luft wieder realisierte. "Ohh tut mir Leid, das hätte ich früher machen sollen" ,Leinen schälte sich die Jacke vom Körper und legte sie mir um die Schultern. Sofort kribbelte meine Magengegend und ich schmiegte mich nah an den warmen Stoff. 

"Sag mal, was machst du so schick hier draußen?" ,Leinen lächelte mich an, "Ich geh zu Marly" War meine plumpe Antwort. "So schick? Habt ihr ein Doppeldate?" ,verwirrt runzelte ich die Stirn. Diese Worte aus dem Mund eines Lehrers waren einfach nur überraschend. Ich schüttelte den Kopf und zog die Jacke komplett an. Den einen Ärmel krempelte ich hoch und mein roter Arm kam zum Vorschein. Eigentlich wollte ich dies nicht doch das stechen war einfach unerträglich.

"Was hast du denn an deinem Arm gemacht?" ,fragte mich nun auch Herr Leinen doch er wirkte gestresst, "Bin nur am Zaun hängen geblieben log ich ihn mal wieder an. "Der ist bestimmt geprellt... Ich sollte dich verarzten" ,kam er zum Schluss doch ich schüttelte energisch den Kopf. "Es geht schon" ,log ich doch längst lag die Aufmerksamkeit seinerseits an meiner Stirn. "Wer hat dir das angetan?" ,fragte er nun kalt, "n- Niemand es war ein Unfall, wie gesagt." ,redete ich mich raus doch Leinen glaubte mir kein Wort, ich mir aber ebenfalls nicht. "Wir müssen den Schnitt säubern er ist voller Dreck!" ,fest wurde ich am Arm gepackt.

"Wirklich es geht schon Herr Leinen, Sie müssen sich doch keine Umstände machen" ,versuchte ich ihn ab zu wimmeln. Innerlich zählte ich jedoch die Schritte um nicht auszurasten. 12, 13 ,14 "Wen willst du hier überzeugen? Dich oder mich?" ,versetzte er mir einen Stich in mein Herz. 17, 18, 19, "Niemandem" ,wisperte ich diese Lüge. "Möchtest du mit rein kommen oder draußen warten?" ,fragte mich Herr Leinen nun ungewöhnlich sanft als wir vor einem der Reihenhäusern ankamen, "Ich warte draußen" ,versuchte ich mit fester Stimme zu sagen doch das zittern veranlagte Leinen dazu mich einfach vor sich her zur Tür zu schieben.

"Komm rein, tut mir Leid für die Unordnung doch naja, ich hatte lange keinen Besuch mehr" ,bedeutete mir Herr Leinen beschämt ein zu treten. In seiner Stimme jedoch lag eine Spur von Trauer und sofort fragte mich was dieser Mann verbarg. Was versteckte sich vor dieser perfekten Fassade, welcher Mensch war er eigentlich? So viele Fragen auf die ich wahrscheinlich niemals eine Antwort bekam. "Haben Sie keine Frau oder Kinder?" ,fragte ich Herr Leinen der in einer Schublade rumkramte, "Nein, ich Lebe hier alleine." Seine Antwort beantwortete meine Frage nicht doch ich konnte merken das dies nicht sein Lieblingsthema war. 

Angst ihn weiter zu verstimmen hielt ich meine Klappe und analysierte wie viele Schritte es wohl zu einzelnen Sachen bräuchte. In Gedanken versunken bekam ich erst das brennen auf meiner Stirn war, so wie ein Wattepad was vorsichtig das Desinfektionsmittel verteilte. Kurz vorm Fluchen zischte ich durch meine Zusammengepressten Zähne und versuchte den Schmerz über mich ergehen zu lassen. "Tut mir Leid aber ich glaube du möchtest keine Infektion" ,schmunzelte mir Herr Leinen zu und erst jetzt bemerkte ich seine Anwesenheit wieder die mir den Atem raubte.

Sanfte Finger tasteten nun meinen Arm ab und Leinen überprüfte seine Vermutung: "Geprellt!" ,verkündete er stolz und ich schenkte ihm ein hilfloses Lächeln. "Hier" ,er überreichte mir eine Schiene, "Das ist das einzige was ich da habe, aber sollte helfen." Dankend nahm ich den Aircast an und stülpte ihn über. "Wirkst ja fast wie neu!" ,lächelte mich Leinen an und wieder verlor ich mich in seinen Augen. Doch auch die kleinen Lachfalten blieben nicht unbemerkt. Wieso zeigte er dieses Gesicht nur nicht in der Schule? 

Zögerlich rappelte ich mich auf: "Vielen Dank Herr Leinen" ,ich fühlte mich schlecht ihn nun einfach alleine zu lassen doch er ist mein Lehrer. Außerdem möchte er bestimmt seine Ruhe. "Nichts zu danken" ,er drückte mich leicht in die Schulter, eine Geste die viele ältere Menschen machten um einem Mut zu geben. Bedauernd streifte ich die Jacke ab und übergab sie meinem 'Retter.' Verwirrt nahm er sie an doch als ich zur Türklinke griff hielten seine Worte mich wieder auf zu verschwinden. "Du wirst erfrieren Mädchen!" ,schrie er schon fast und ich schmunzelte über seine Vorsorge.

"Es geht schon!" ,versicherte ihm doch er befahl mir stehen zu bleiben. Dann huschte er wie ein scheues Reh die Treppen hoch, ich bewunderte seine Beweglichkeit und Agilität und blieb Tatsache stehen. Lange musste ich nicht warten denn besagter Mann kam keine zwei Minuten später die Treppe hinunter. "Hier, ist zwar nicht der neuste Schrei aber naja ich bin ja schon alt" ,verwundert betrachtete ich den grünen Pulli. Er war schlicht und edel und ein kleines Logo auf der rechten Brust zeigte ein Pferd und ein Reiter. "Das ist nicht nötig wirklich, Sie haben mir schon so viel geholfen" ,versuchte ich ihn ab zu schütteln doch ich hatte vergessen das Eduard Leinen vor mir stand. Der wohl sturste Mensch dem ich jemals begegnen würde. 

Ergeben zog ich mir den Pulli rüber der wie angegossen passte, was aber auch kein Wunder war. Herr Leinen war knappe vier Centimeter Größer wenn überhaupt. Nach tausenden Danken ging ich dann schlussendlich doch die Stimme Leinens klang in meinen Ohren nach. Im Stillen schickte ich Gebete an den Himmel, weswegen weiß ich jedoch selber nicht mehr. Nun etwas wärmer angezogen führte ich also meinen Weg fort. In das einzige Haus wo ich mich Willkommen fühlte, die einzige Familie die sich um mich scherte: Familie Grenen.

Helping Hands?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt