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     hiç olmadı, artık olamaz da

Als Derya aufwachte, schien draußen bereits die Sonne. Sie wusste nicht, wie viel Uhr es ist, aber um ehrlich zu sein hatte sie nicht wirklich Interesse daran – heute wollte sie nicht aufstehen. Sie drehte sich ein wenig auf der Matratze, die seit gestern Nacht als ein Bett improvisieren sollte, dann streckte sie sich und setzte sich doch noch auf.

Ihre Haare hatten sich in der letzten Nacht total verknotet, und als sie versuchte, etwas Ordnung in dieses Vogelnest zu bringen, blieben alle vier ihrer Finger hängen und sie fang an, leise zu fluchen. Im Moment frustrierte sie alles ein kleines zu wenig, und die Sonne, die durch das Fenster herein strahlte und die Geräusche der Kühe, die aus dem Kuhstall hinter dem Haus kamen, störten sie nur noch mehr.

Sie war tatsächlich hier.

In dem kleinen Dorf, in dem ihre Mutter geboren wurde und 24 Jahre ihres Lebens verbrachte. Nur war ihre Mutter diesmal nicht hier, um Urlaub zu machen, sondern weil sie keinen anderen Platz mehr hatte, an den sie flüchten konnte. Ihre Mutter lag auf dem Bett direkt neben ihr und schaute etwas auf ihrem Handy, weil auch sie noch nicht die Kraft dazu hatte, nach unten zu gehen und in die Augen ihrer eigenen Mutter zu schauen.

Die beiden hatten eine sehr lange Reise und Nacht hinter sich, in der die eine oder andere Träne geflossen war, und die Folgen des Fluges waren noch immer, stunden später, zu spüren. Derya hatte das Gefühl, ihr Kopf explodiert, wenn sie nicht sofort eine Tablette nimmt oder sich einen Kräutertee kocht, aber auch dafür musste sie nach unten, und das wollte sie eigentlich nicht.

Das Grundstück, auf dem ihre Großeltern vor Jahren ihr Haus gebaut hatten, war im Vergleich zu den anderen Häusern hier relativ klein. Es hatte zwei Stockwerke, und einen endlos scheinenden Garten, in dem sie jede Art Gemüse und Obst pflanzten, die einem durch den Kopf gingen – sogar Tiere hatten sie hier, die schon seit sechs Uhr morgens zu hören waren und einem den Schlaf raubten.

"Anne", flüsterte Derya schließlich und versuchte zu lächeln, als ihre Mutter sich innerhalb von Sekunden umdrehte und sich langsam aufsetzte. Sie hatte immer noch die gleichen Klamotten von gestern an, ihre Haare waren unordentlich und auch die Schminke, die sie aufgetragen hatte, um bei ihrer Ankunft frischer auszusehen, war über die Nacht etwas verlaufen. Auch wenn sie versuchte, zu lächeln, erreichte dieses Funkeln ihre Augen nicht, weshalb Derya wieder ihren Blick abwandte. Se wollte diese Version ihrer Mutter nicht sehen.

"Sollen wir nach unten gehen?", fragte sie schließlich, als keiner der beiden etwas ergänzte, während sie versuchte, ihre Hände zu beschäftigen, indem sie ihr Bett machte. Sie hatte gestern Nacht von ihrer Großmutter eine dünne Sommerdecke mit aufgestickten Rosen bekommen, die sie jetzt zu einem kleinen Viereck faltete und unter ihr Kissen legte, so, wie sie es schon immer gemacht hatte.

Auch ihre Mutter schien zu realisieren, dass die beiden nicht für immer hier bleiben konnten, vor allem weil sie so langsam Hunger bekam und es hier oben nichts zu essen gab. Mit einem erschöpften Seufzen stand sie auf und zog die dünnen Gardinen zu Seite, bevor sie anfing, sich ein wenig zu strecken, um die angespannten Muskeln in ihrem Körper zu lösen. In den letzten paar Jahren hatte sie sich zu sehr an ihr gemütliches Bett in Deutschland gewöhnt und hatte dadurch vergessen, wie ungemütlich das Bett in ihrem kleinen, alten Kinderzimmer eigentlich war.

Die beiden wechselten schweigend in frische Klamotten und gingen dann in das Bad am Ende des Flures, wo sie sich etwas zurecht machten – wie auch früher sah Derya ihrer Mutter dabei zu, wie sie ihr langes, seiden feines schwarzes Haar zu einem festen Pferdeschwanz bund, bevor sie ihre Wimpern tuschte und etwas Lippenstift auftrug, um etwas präsentabler auszusehen.

Bei Derya dauerte das immer ein wenig länger, denn sie konnte nie das Bad verlassen, ohne ihr ganzes Gesicht komplett zu verändern – nicht umsonst hatte sie ihren ganzen, fast halben Meter großen Schminkkasten auch hierhin gebracht, vollgepackt bis zu Rand mit allen Farben und Produkten, der Welt. Wie auch an jedem anderen Morgen trug sie ihr Reinigungsöl auf, Reinigungsmilch, Reinigungsschaum, Seife aus Eselsmilch, Seife aus Ziegenmilch, Rosen Gesichtswasser, Feuchtigkeitscreme, Sonnencreme...es war eine endlose Tortur für das junge Mädchen, und manchmal fragte sie, ob es jemals einen Tag geben würde, an dem sie da Haus verlassen konnte, ohne all dieses Zeug in ihr Gesicht zu schmieren.

"Ich gehe schonmal runter und bereite uns etwas zum frühstücken vor", sagte ihre Mutter und packte ihr Krimskrams zusammen, bevor sie das Bad verließ. Derya stand weiterhin in dem kleinen Raum, der als Badezimmer und Dusche dienen sollte, wo sie anfing, ihre Schminke aufzutragen. 

Erst ihr Concealer, dann Baking Powder, dann die Augen, dann bürstete sie die Augenbrauen, ihr Eyeliner, und dann einzelne Wimpern am Ende ihres Wimpernkranzes, und zu guter letzt, Lippenstift. Über die Jahre hatte sie gelernt, viel Schminke aussehen zu lassen, als würde sie überhaupt keine tragen, worauf sie ein kleines wenig stolz war.

Es dauerte fast weitere zwanzig Minuten, bis Derya aus de Bad gehen konnte und ein letztes Mal ihr Outfit im Spiegel kontrollierte, bevor sie sich auf den Weg nach unten machte, wo bereits ihre Oma und ihre Mutter zu hören waren, wie sie sich laut über etwas unterhielten. Zögernd stand sie an der Türschwelle und riss sich unbewusst die Haut neben ihren Nägeln auf, als sie plötzlich spürte, wie sie jemand von hinten in die Küche herein schubste.

Noch bevor sie sich fangen und umdrehen konnte, um nachzusehen, wer sie geschubst hatte, schlug ihre Oma mit den Innenseiten ihrer Hände auf den Tisch, bevor sie ein lautes Schrillen von sich ließ und auf Derya eilte. Ihr Gesicht öffnete sich förmlich, sie strahlte über das ganze Gesicht, und als sie ihre Enkelin fest in den Arm nahm, rutschte ihr geblümtes Yazma ein kleines Stück nach hinten und entblößte ihre grauen Haare.

"Aman, Aman! Wen sehe ich denn da?", schrie sie laut und und drückte Derya noch fester an sich, wodurch Derya die Luft abgeschnürt wurde. Ihre Oma roch nach frischer Rosen Marmelade, die sie schon seit Jahrzehnten selber produzierte, ein Geruch, der für Derya immer ein kleines bisschen Zuhause bedeutete. "Wie groß du geworden bist!", ergänzte ihre Oma, als die beiden sich voneinander lösten, und Derya sich beugte, um die Hand ihrer Oma zu küssen und sie an ihre Stirn zu halten, ein Zeichen des Respekts in der türkischen Kultur.

Ihre Oma war eine kleine, brüchige Frau, die ihr Leben lang hier auf dieser Farm gewohnt hatte und sich um die Tiere kümmerte – erst die ihres Vaters, dann die Tiere ihres Mannes, doch sie hatte sich noch nie beschwert, nicht ein einzigen Tag. Lächelnd drehte Derya sich von ihr weg, um nachzusehen, wer sie in die Küche geschubst hatte, als sie sich nicht traute, alleine rein zu gehen, als sie direkt in die dunklen Augen ihrer Cousine Burcu sah. Aus Reflex stieß Derya ein lautes "OMG" aus, bevor sie sich um den Hals ihrer Cousine schmiss und sie ganz fest an sie drückte.

"Ich habe dich so so so vermisst!", kommentierte sie, als die beiden sich einfach nicht voneinander lösen wollten, und als Antwort spürte sie, wie Burcu sie nur noch fester an sich drückte.

Wenn sie ihre Cousine von der anderen Seite sehen würde, hätte sie den Blick in ihren Augen gesehen.   

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⏰ Last updated: Sep 08, 2022 ⏰

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Palast der Tränen | derya & yuşa Where stories live. Discover now