Es war schon immer gruselig gewesen, so nah an der Grenze zu sein, aber heute war etwas anders. Ich war schon öfter hier gewesen,aber das ungute Bauchgefühl und die Sorge, entdeckt zu werden, war nicht das, was mich störte. Denn ich wusste, dass mich jemand beobachtete, aber wusste weder wer oder was er ist, noch wo er sich aufhält und warum er mich beobachtet. Es fühlte sich auch nicht richtig an, soo nah an der Grenze zu sein. Ich konnte schon fast spüren, wie mich der Zauber berührte und wie er mich in seinen Bann zog. Ich musste sofort hier weg, bevor ich mal wieder in Versuchung kam, zu überwinden, was unüberwindbar war. Ich musste sofort wieder in den düsteren Wald, der hinter mir lag! Ich warf noch einen letzten sehnsüchtigen Blick auf die andere Seite und rannte dann, so schnell ich konnte zurück in den Wald. Die Dunkelheit nahm mich in sich auf und so würde es dem Beobachter, falls es nicht nur Einbildung war, nicht mehr gelingen, mir zu folgen. Denn ich kannte diesen Wald besser als jeder andere -oder zu mindestens glaubte ich das- und so konnte ich nach einiger Zeit entspannt nach Hause laufen.
Als ich es erreichte, kam mir auch schon Baldur entgegen. Er war ein Bärenjunges, das ich vor einiger Zeit gefunden hatte. Er hatte ganz allein am Flussufer gelegen, mitten im Winter. Er hatte halberfroren und ziemlich hungernd unter einer Wurzel gesessen. Ich konnte es nicht ertragen, ihn so zu sehen und deshalb nahm ich ihn mit, als ich ihn durch Zufall entdeckt hatte. Ich hatte ihn gefüttert und gesund gepflegt, so dass er anfing mich zu mögen und so behielt ich ihn. Ich nannte ihn Baldur, so wie den Gott der Weisheit und des Lichtes, weil mit oder eher durch ihn, das erste Mal Licht in mein Leben kam.Ich streichelte ihm über den Kopf, während er versuchte meine Hand abzuschlecken. Ich fragte mich mal wieder, was ich jetzt wohl ohne ihn wäre. Wir gingen in den moosbewachsenen Felsen, in dem wir uns ein wundervolles zuhause aufgebaut hatten.
Links von der Tür war ein rundes Fenster in den Felsen eingebaut. Darunter war ein kleiner runder Essenstisch mit zwei Stühlen. Gegenüber vom Fenster befand sich der Kamin inklusive einer Bank davor. Neben dem Kamin gab es noch eine gemütliche Sitzecke und an der Wand zwischen Kamin und Fenster stand schlussendlich mein Bett. Überall standen Gläser mit Kerzen verteilt, denn hier im Wald gab es so gut wie kein natürliches Sonnenlicht. Unser Zuhause war zwar nicht besonders groß, aber dafür gehörte es nur uns beiden und es war gemütlich. Da es schon langsam dämmerte, was man zwar nicht sah, aber ich es wegen der Zeit wusste, beschloss ich mich gleich ins Bett zu begeben. Baldur folgte mir. Wir kuschelten uns ein und er legte sich vor mich, sodass ich sein weiches dunkelbraunes Fell streicheln konnte. Und so schliefen wir gemeinsam und friedlich ein.Doch um Mitternacht wachte ich plötzlich auf. Da war ein Geräusch gewesen. Es gab hier zwar immer beängstigende Geräusche von Schatten, Skeletten, Trollen oder anderen Wesen, aber das Geräusch, was ich hörte war anders. Es klang wie eine liebliche Sommerbrise. Ich muss zugeben, noch nie eine „liebliche Sommerbrise" gehört zu haben, immerhin war der Dunkle Wald nicht ohne Grund im Schattenreich, einem Reich voller Geheimnisse, Grusel und anderen Magien. Aber das Geräusch klang genauso wie ich mir die andere, die Sonnenseite vorstellte: lieblich, magisch, zuckersüß und überhaupt nicht nach meinem Geschmack. Deshalb wunderte ich mich ja auch über dieses seltsame Geräusch. All das passte nicht in den Dunklen Wald, es gehörte hier nicht her und deshalb musste ich wissen, was das sollte! Ich kroch langsam aus dem Bett, streifte mir meinen schwarzen Mantel über, um nicht entdeckt zu werden, und schlich mich hinaus. Draußen angekommen war alles wie immer: Die rundum stehenden Nadelbäume leuchteten geheimnisvoll im Mondlicht. Der Himmel war kohlrabenschwarz und einige Fledermäuse und Krähen flatterten aus den Bäumen. Ich konnte hören, wie sich einige Trolle und Gnome auf der Suche nach Mondkristallen in die Erde buddelten. Ich sah mich um, aber konnte nichts Ungewöhnliches entdecken. Dann auf einmal blinkte ein kleines warm-gelbes Licht zwischen den Bäumen auf. Das gehörte hier definitiv nicht hin! Schnell rannte ich dem Licht nach. Es führte mich auf die Lichtung, auf der die Wölfe bei Vollmond den Mond anheulten. Auf einmal erschien ein heller Lichtkegel genau über mir. Kleine Sonnenstrahlen glitzerten direkt vor meinen Augen. Ich schloss die Augen und hielt sofort die Hände davor. Es war viel zu hell und da es im Dunklen Wald immer nur düster war, war ich das helle Sonnenlicht nicht gewohnt. Es schien das erste Mal zu sein, bei dem ich tatsächlich Sonnenlicht sah. Dann ertönte eine Stimme. Es war grauenhaft! Sie klang sanft, lieblich und freundlich. Einfach nur abscheulich. Warum waren Dinge der „guten", der Sonnenseite so vorhersehbar? Denn wie erwartet sagte diese furchtbare Stimme: „Almina"
Hätten die sich nicht mal was anderes einfallen lassen können? Sollte mir das etwa Angst einjagen?
„Hab keine Angst", sagte die Stimme.
Na toll. Als ob ich jetzt beruhigt wäre. Jetzt wusste ich wieder, warum ich das Gute so verabscheute. Yuna hatte recht gehabt, man sollte Sonnen- und Schattenseite niemals wieder vereinen. Das würde einfach nicht passen. Yuna war die Herrscherin über das Schattenreich. Ihr Name bedeutete „Herrscherin über den Mond". Ich fand es sehr passend.
Bevor ich weiter über Yuna nachdenken konnte, ertönte wieder diese „gute" Stimme:
„ Du wirst dich sicher fragen was wir hier wollen"
Jetzt riss mir langsam der Geduldsfaden.
„Ach nein. Alles gut. Es ist ja überhaupt nicht ungewöhnlich, wenn hier, im düstersten und dunkelsten Wald plötzlich eine liebevolle, sanfte Stimme auftaucht und dazu den Dunklen Wald, der nicht ohne Grund so heißt, in helles Licht taucht", schrie ich das Licht an.
Auf einmal kam ein weißer Engel aus dem Licht und flog auf mich zu. Mir lief ein Schauer über den Rücken. Ich hatte bisher nur schwarze, böse Engel gesehen und die waren mir tausendmal lieber als dieser weiße Engel von der „guten Seite". Er flog so nah an mich heran, dass mich seine weißen, zarten und flauschigen Flügel berührten. Das war mir zu viel! Ich drehte mich um und wollte hastig davonrennen, aber irgendwas sagte mir, dass es wichtig wäre zu hören, was der Engel von mir wollte. Doch als seine Flügel meine Arme streiften, ohne sie zu verletzen, so wie ich es von den schwarzen Engeln mit Flügeln, wie messerscharfe Klingen gewohnt war, konnte ich mich nicht zurückhalten. Ich wich hastig zurück und rannte so schnell ich konnte zwischen dem Dickicht hindurch in Richtung Wald. Ich rannte, ohne mich noch einmal umzudrehen, bis ich am Friedhof angekommen war. Dort saß einer der schwarzen Engel auf einem Grabstein. Ich ging auf ihn zu ohne zu zögern. Denn lieber hatte ich Schnitte in den Armen, die dann noch mehr Narben machten, als dass mich federweiche Flügel streiften. Der Engel saß zusammengekauert da, den Kopf auf die angewinkelten Beine gelegt. Er sah kurz hoch, doch es schien ihn nicht zu stören, dass ich da war. Ich setzte mich neben ihn auf einen anderen Grabstein und sah zu den Sternen hinauf. In einer Stunde würde Mitternacht sein, dann würden die Skelette aus ihren Gräbern steigen und zu Lumiel aufbrechen. Lumiel hieß so viel wie „Schattentochter" und das war sie auch. Man merkte es nicht, wenn sie sich in der Nähe aufhielt und sie konnte Gedanken lesen. Außerdem war sie im Besitz schwarzer Magie und führte mit den Skeletten Blutzeremonien durch. Denn jeder der bereit war zu sterben, musste ihr sein Blut geben, um dann von ihr so erhalten zu werden, wie die Skelette. Niemand wusste, was Lumiel mit all dem Blut vorhatte, außer die Skelette und die waren ihr komplettes Leben nach dem Tod zum Schweigen gezwungen.
Ich wurde aus meinen Gedanken zurückgeholt, als der schwarze Engel zu mir sprach:
„ Sowas Furchtbares habe ich noch nie erlebt"
Ich wusste zwar noch nicht, wovon er redete, aber mir ging es mit dem, was ich mit dem weißen Engel erlebt hatte ganz ähnlich. Also hörte ich mir an, was der schwarze Engel, der mir wesentlich besser gefiel, zu erzählen hatte. Er fing an zu schluchzen.
„Also ich bin mit noch zwei anderen Tenebrias ganz normal eine Runde durch den Dunklen Wald geflogen. So, wie wir es jede Nacht machen", sagte er traurig. Tenebrias sind übrigens schwarze Engel, die dunkler als der Wald selbst sind und über ihn wachen.
„Und weiter?", fragte ich vorsichtig.
„Dann kam ein helles Licht und ein Engel, der so aussah wie wir, nur irgendwie anders, kam und riss die beiden mit sich. Er flog ganz hoch ins Licht und dort verschwand er mit den beiden", nun weinte er. Aber ich konnte ihn nicht trösten ohne mich zu verletzen, denn er hatte seine Flügel um sich gelegt. Es war erstaunlich, dass er sich dabei nicht selbst verletzte. Aber mehr als das interessierte mich, inwiefern der Engel anders gewesen war und das fragte ich auch.
„Er war schneeweiß, seine Flügel waren zart und er wurde von unseren Flügeln nicht verletzt", war seine Antwort darauf. Das war sehr merkwürdig. Es schien so, als ob gleich mehrere Wesen der Sonnenseite hierher gekommen waren. Aber wie war es ihnen gelungen, die Grenze zu überqueren und warum wollten sie mit mir reden, während sie andere, wie die Tenebrias einfach mit sich zogen?
„Und das Schlimmste", sagte der Tenebria, obwohl die Hälfte seiner Worte in Tränen unterging.
„Ist, dass ich nichts tun konnte, um ihnen zu helfen. Und sie haben Lumiel noch nicht einmal ihr Blut gegeben, um ihr Leben nach dem Tod zu leben. Warum hat der weiße Engel sie nur mitgenommen?"
Er konnte gar nicht mehr aufhören zu weinen und ich konnte nichts tun, um ihm zu helfen, außer neben ihm zu sitzen und ihm einzureden, dass es nicht seine Schuld gewesen war und wir einen Weg finden würden, die beiden zurückzuholen. Aber ich kam mir dabei nichts als lächerlich vor. So etwas machte man in schlechten Märchen, um das Böse zu besiegen, aber hier mussten _wir_ etwas tun, um über das Gute zu siegen. Das war alles sehr merkwürdig, aber es würde nichts bringen, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, denn wir mussten etwas tun. Und zwar jetzt gleich! Ich hatte eine Idee, also fragte ich ihn:
„Du bist doch ein Tenebria?"
Darauf antwortete er etwas verwirrt:
„Ja bin ich. Wieso?"
„Dann hast du doch das Recht, mit Yuna zu sprechen oder? Immerhin bewacht ihr in ihrem Namen den Wald"
„ Ja, aber was soll das bringen? Soll ich ihr beichten, dass ich nicht in der Lage war, zwei unserer Leute gegen einen weißen Engel der „guten Seite" zu verteidigen? Sie lacht mich doch aus und das Recht dazu hat sie ja jetzt auch"
Ich konnte es nicht ertragen, ihn so hilflos zu sehen, aber als ich gerade antworten wollte, löste sich ein Schatten vom Baum, der gegenüber von uns stand. Sie war ein Invidiosa, eine Gestalt, wie wie ein „normaler" Mensch aussah, aber Teufelshörner und so einen Teufelsschwanz hatte. Sie kam auf uns zu und sah dem Tenebria mit ihren eiskalten, blauen Augen an.
„Wieso nicht?", fragte sie.
„Wir müssen uns wehren und wie soll Yuna das organisieren, wenn sie nicht weiß, wie unbarmherzig und furchtbar diese Wesen sind?"
„Das sehe ich genauso", ertönte eine ähnliche Stimme hinter uns. Wir drehten uns um und sahen eine weitere Invidiosa. Allerdings hatte sie stechend grüne Augen. Auch sie kam auf uns zugeschritten. So, wie die beiden auf uns zu kamen, konnte man erkennen, dass sie zu den ganz boshaften Gestalten in diesem Wald gehörten.
„ Sie soll ruhig erfahren, dass wir viel zu naiv waren, um zu glauben, dass uns die Sonnenseite niemals gefährlich werden könnte", sprach die mit den grünen Augen.
„ Aber die Sonnenseite ist gerade dabei sich immer mehr auszubreiten, weil Miriel nach so langer Zeit sein Land beanspruchen will ", sprach die mit den blauen Augen.
„Lächerlich, wenn du mich fragst. Findest du nicht auch?", fragte eine der beiden und die andere nickte zustimmend. Einen Moment lang herrschte Stille. Doch als sie direkt vor uns standen, fragte der Tenebria:
„ Verzeiht, falls ich eueren Versuch uns Angst einzujagen unterbreche, aber..."
Die beiden lachten, noch bevor er ausreden konnte.
„Ich sehe es an ihren Augen. Sie sieht, wie recht wir haben und will es bloß nicht zugeben", dabei deutete die Invidiosa mit den grünen Augen auf meine Augen, die übrigens türkis-blau sind. Aber der Tenebria wollte seine Frage noch stellen. Er räusperte sich, bevor er wieder ansetzte:
„Dürfte ich meine soeben angefangene Frage bitte zu Ende bringen?", sagte er vorwurfsvoll und fragte schließlich:
„ Aber wer ist Miriel und was meint ihr damit, dass er sein Land beanspruchen will?"
„Das würde mich auch interessieren", warf ich schnell noch ein. Die beiden Invidiosas sahen aus, als ob sie nicht wüssten, ob sie lachen oder weinen sollten. Dann antwortete diejenige, die blaue Augen hatte:
„Miriel bedeutet „Herrscher des Lichts" und er herrscht über die Sonnenseite. Nun will er die Schattenseite in seinen Besitz bringen und alles hier in Licht tauchen"
„Mir wird schon übel, wenn ich nur daran denke", sagte die andere und fasste sich auf den Brustkorb, als ob sie sich gleich übergeben müsste. Aber wenn das, was die beiden sagten stimmte, dann wurde mir auch gleich ganz anders.
„ Wir schlagen vor, dass wir vier..."
„Und das sollte eine Ehre für euch sein "
„Ja genau. Aber wir vier sollten auf der Stelle zu Yuna gehen und eine Krisensitzung einberufen, um uns vor den widerlichen Wesen.. "
„Eher abscheulich"
„Stimmt. Um uns vor ihnen zu schützen und sie zu bekämpfen"
„Und um das Schattenreich, unser Reich, zu verteidigen. ", sagten die beiden immer im Wechsel.
„Was haltet ihr davon?", fragten sie uns schließlich stolz. Wir nickten entschlossen und so verließen wir den Friedhof und brachen zum Palast der dreizehn Monde auf, dem Palast von Yuna.
Wir waren schon mitten im Wald, auf dem Weg zu Yuna, als mir auffiel, dass ich Baldur vergessen hatte. Ich bat die anderen zu warten, während ich ihn holen gehen würde. Sie taten zwar genervt, aber ich merkte, dass sie dankbar für die kurze Pause waren, die sie dadurch bekamen. Immerhin waren wir kurz nach Mitternacht aufgebrochen und liefen jetzt schon eine ganze Weile. Die Sonne ging wahrscheinlich bald auf, auch wenn wir sie nicht sehen würden. Denn tagsüber war der Himmel düster und voller Nebel. Also brach ich auf, um Baldur zu holen. Zum Glück konnte ich das Stück bis zu unserem moosbewachsenen Haus fliegen. Ich habe es vielleicht noch nicht erwähnt, aber ich bin ein Torvacornu, was so viel heißt, wie düstere Gestalt mit Flügeln. Alle Torvacornus haben kleine Flügel, die Drachenflügeln sehr ähnlich sehen. Meine sind dunkelblau mit schwarzen Umrandungen. Außerdem habe ich dunkelblau-schwarze Haare mit vereinzelten silbernen Strähnen, die bei Vollmond immer mehr werden, aber nach einiger Zeit wieder verschwinden. Zusätzlich habe ich fast immer meinen schwarzen Mantel mit Kapuze an, unter der ich meine Haare gerne verstecke. Denn ehrlich gesagt hasse ich diese silbernen Strähnen und die würden ja auch in einem dunklen Wald schnell auffallen.
Jedenfalls flog ich den ganzen Weg zurück, landete vor dem Haus und rannte stürmisch hinein. Ich sah mich um, aber konnte Baldur nirgendwo entdecken. dann ging die Tür auf und Baldur kam mit einem Stofftuch voller Honig wieder hinein. Ich schmunzelte und begrüßte ihn. Danach packte ich schnell die nötigsten Dinge für uns sein, denn ich hatte keine Ahnung, wie weit es noch ist noch bis zu Yunas Palast war. Ich nahm schließlich Baldur auf den Arm und flog mit ihm zurück, wo die anderen auf mich warteten. Ich flog so schnell wie nie zuvor, weil ich Angst hatte, der weiße Engel würde wieder auftauchen. Nach einigen Minuten kamen wir wieder bei den anderen an. Der Tenebria und eine der Invidiosas schliefen während die andere Wache hielt. Sie lächelte mich zum ersten Mal an und bedeutete mir still, mich neben sie zu setzen. Ich flüsterte ein „Danke" und setzte mich mit Baldur neben sie. Dann aßen wir zu dritt den Honig von Baldur. Es war Honig der schwarzen Bienen, die wie jedes Schattentier im Dunklen Wald zu den Arcanimaliums gehörten und geheimnisvolle Tiere waren, die man so gut wie nie zu Gesicht bekam.
„Ich bin übrigens Loelia", sagte sie nach einiger Zeit. Jetzt konnte ich die beiden wenigstens grob unterscheiden. Denn Loelia hatte blaue Augen.
„Und meine Zwillingsschwester heißt Nisha", ergänzte sie und das vervollständigte meine Gedanken. Als Nisha ihren Namen hörte, öffnete sie sofort ihre grünen Augen. Loelia stand auf, ging zu ihr und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Nisha nickte. Dann wanderte ihr Blick zu Baldur und sie sprang auf.
„Ooooh wer bist du denn?", quietschte sie und knuddelte ihn. Loelia lachte und ich beobachtete die drei. Nach einiger Zeit erwachte auch der Tenebria und wir machten uns wieder auf den Weg. Anfangs war es noch ganz lustig, denn in Nisha und Loelia kehrte das Leben ein und sie lachten und redeten wie verrückt. Doch je tiefer wir in den Wald gingen, desto dunkler und kälter wurde es. Es kamen auch viele Wesen vorbei, die ich noch nie gesehen hatte und darüber war ich froh. Aber da der Palast der dreizehn Monde nun einmal genau im Herz des Dunklen Waldes lag, mussten wir immer tiefer in ihn hinein. Je tiefer wir in den Wald vordrangen, umso schlechter wurde auch die Stimmung. Nisha beschimpfte immer wieder den Tenebria, weil er angeblich den falschen Weg nahm. Da er aber der einzige war, der je in Yunas Palast war, mussten wir ihm ja folgen. Loelia und ich fantasierten währenddessen darüber, wie der Palast wohl aussah.
Nach einer weiteren Pause, gefolgt von einem dreistündigen Marsch, kamen wir in ein merkwürdiges Gebiet.
„Sicher, dass wir hier richtig sind?", fragte Loelia nun. Und ich musste zugeben, dass ich mir mittlerweile auch unsicher war, ob wir wirklich auf dem richtigen Weg waren. Denn vor uns erstreckte sich ein Teil mit lauter toten Bäumen und Spinnenweben dazwischen. Nicht ein Tier, Schatten oder anderes Wesen war zu sehen.Der Tenebria antwortete aber zuversichtlich:
„Ach klar sind wir richtig. Oder macht euch dieser kleine Gruselwald etwa Sorge?"
Er lachte.
„Nein, das ist es nicht, aber hier liegt irgendwas ... Mystisches in der Luft", erklärte ich mit zittriger Stimme. Der Tenebria lachte wieder nur.
„Sehr seltsam, dass in einem dunklen, gruseligen und geheimnisvollen Wald etwas Ungewöhnliches ist. Findet ihr nicht?"
„Ich finde Almina hat Recht", sagte Nisha zu meiner Überraschung. Auch Loelia stimmte zu. Baldur kuschelte sich ganz eng an mich und ich sagte daraufhin:
„Egal jetzt. Wir müssen jetzt hier durch, sonst werden wir Yuna niemals erreichen. Wir beeilen uns einfach, bleiben zusammen und versuchen so wenig wie möglich in den Wald hineinzusehen. Na kommt schon"
Wir gingen erst zögerlich, dann immer schneller hindurch. Sogar dem Tenebria schien es langsam zu unheimlich zu werden. Nach zwei Stunden Fußmarsch konnten wir den von uns benannten „Gruselwald" nun endlich hinter uns lassen. Dadurch wurde auch die Stimmung wieder besser. So kam zum Beispiel heraus, dass Nisha Tiere über alles liebte und deshalb hielt sie Baldur die ganze Zeit fest an sich gedrückt. Denn da im Dunklen Wald sonst kaum „normale" Tiere lebten, musste sie die Gelegenheit nutzen. Erstaunlicher Weise war Baldur nämlich keiner der Arcanimaliums. Denn diese konnten sich jeder Zeit auflösen und wieder zusammenfügen. Immerhin bestanden sie nur aus Schatten. Deshalb war es auch so verwunderlich, dass er hier, im Schattenreich aufgetaucht war. Normalerweise lebten solche „gewöhnlichen" Tiere nämlich auf der Sonnenseite. Da ich ihn am Fluss gefunden hatte, musste er mit dem Fluss, der durch Sonnen-& Schattenseite führte, gekommen sein. Aber wie hatte er die Grenze überqueren können? Darüber grübelten wir, während wir weiter durch den Wald liefen. Nur leider hatte niemand eine Vorstellung, warum und wie das funktioniert hatte.
Nach mindestens fünf weiteren Stunden, die wir auch teilweise geflogen waren, wobei der Tenebria und ich jeweils eine der beiden Invidiosa- Schwestern getragen hatten, sahen wir endlich etwas Ungewöhnliches: Vor und stand eine riesige Hecke aus totem Dickicht. Wir versuchten sie zu überwinden, es war unmöglich. Nicht einmal der Tenebria wusste weiter, weshalb wir beschlossen die Hecke zu umlaufen, um vielleicht einen Eingang zu finden. Das taten wir auch und so fanden wir auch und so fanden wir ein ziemliches Stück weiter ein Tor. Der Rahmen bestand aus dornigem Gestrüpp und oben in der Mitte war ein flacher Stein mit einem aufgemalten Sichelmond angebracht. Allerdings konnte man nicht einfach so hindurch gehen, denn zwischen dem Rahmen waren dicke Spinnweben gespannt und die sagen nicht so aus, als ob man einfach so hindurch gehen könnte. Da ein Palast und dessen Tore ja normalerweise bewacht wurden, entschieden wir uns, einfach davor zu warten, bis jemand kommen würde. Als es langsam Nacht wurde und sich immer noch nichts getan hatte, schlugen wir ein kleines Nachtlager auf und machten Feuer, um uns vor herumlaufenden, nachtaktiven Kreaturen zu schützen. Ich hielt gerade Wache, aus der Mond aufging. Das Mondlicht schien auf den flachen Stein am Tor und wurde von dort aus abgestrahlt. Dieser Lichtstrahl führte in den Wald hinein. Ich wollte ihn folgen, aber hatte zu große Angst, dass wieder der weiße Engel auftauchen würde. Aus diesem Grund weckte ich die anderen und zeigte ihnen das reflektierte Mondlicht. Zu fünft, also Nisha, Loelia, der Tenebria, Baldur und ich, liefen wir in den Wald hinein und folgten dem Strahl. Er führte auf einen großen Stein in diesen Wald. Dieser Stein hatte ein Loch, genau an der Stelle wo der Lichtstrahl hinführte. Während wir nach etwas Auffälligem suchten, drückte Baldur erstaunt auf dieses Loch. Wir drehten uns zu ihm um und Nisha rannte zu ihm und nahm ihn schnell auf Arm, denn der Stein fing an sich zu bewegen. Er drehte sich dreizehn Mal um sich selbst. Als er wieder stehen blieb, waren Schriftzeichen in dem Stein zu erkennen. Loelia las vor:
„Der Weg ist frei"
Wir überlegten kurz und eilten schließlich schnell zurück zum Tor. Als wir dort ankamen, mussten wir erstaunt feststellen, dass alle Spinnweben weg waren. Es war ein erstaunlich einfaches und doch raffiniertes Verfahren, um die Tore zu öffnen. Jeder der schlau genug war, es zu öffnen durfte den Palast scheinbar betreten und alle die, nicht in Seelachs waren, das „Rätsel" zu lösen, mussten draussen bleiben. So konnte Yuna alle Trolle und Gnome fernhalten. Außerdem würde niemals ein Insidiosa, ein diebisches und hinterlistiges, kleines Wesen in ihren Palast kommen, um Reichtümer und schätze zu stehlen. Erfreut über das geöffnete Tor betraten wir nun endlich den Hof des Palastes. Vor uns erstreckte sich eine lange Treppe mit dunklen Stufen, auf die goldene Sterne gezeichnet wurden waren. Wir versuchten so würdevoll und elegant wie nur möglich die Stufen hinaufzugehen. Als wir dann vor einem großen goldenen Tor standen, nachdem wir das Ende der Treppe erreicht hatten, war uns schon ein wenig mulmig zumute. Sogar dem Tenebria, der das hier ja eigentlich kennen sollte. Noch bevor wir anklopfen oder klingeln konnten, ging die große Tür auf und wir konnten einen Blick auf den innen liegenden Saal erhaschen. Er war wunderschön! Ich hatte noch nie etwas so Hübsches und doch Mysteriöses gesehen. Es war eine achteckige Halle. An jeder Wand waren Sterne an die blaue Wand gemalt. Der Boden bestand aus schwarzen Fließen. In ihrer Mitte war eine Blume abgebildet um die genau dreizehn Monde im Kreis angeordnet waren. Sie waren Silber und wurden auch untereinander und mit der Blume mit silbernen Linien verbunden. Genau über der Blume war ein großes rundes Fenster in der Wand darüber, um dessen äußerste Linie Lampen angebracht waren, die in den Raum hinab hingen. Sie bestanden aus nahezu durchsichtigen Kristallen, in denen sich das Licht der, an den Seitenwänden angebrachten Lampen spiegelte. Wir genossen den atemberaubenden Anblick eine Weile bis uns wieder einfiel, dass wir ja mit Yuna sprechen mussten. Und das ganz dringend und so schnell wie möglich! Links und rechts von der Tür gingen zwei Treppen mit Geländern hinter einer Wand nach oben. Wir entschieden uns für die rechte Treppe,außer der Tenebria, der gleich hinauf flog und uns versprach, dass er oben warten würde. Wir liefen die Treppe Stufe für Stufe langsam hinauf und bewunderten das Treppenhaus. Überall waren Gemälde mit gestalten oder Pflanzen aus dem Schattenreich an die Wände gehängt wurden. Vereinzelt gab es auch einige Mondkarten und Zeichnungen von Planeten, die vermutlich von Yuna selbst gemalt wurden waren, denn auf ihnen war unten ein Zeichen des Mondes mit der Blume zusehen, die wir schon im Saal unten in der Mitte gesehen hatten. Wir liegen die Treppe immer weiter hoch, bis sie plötzlich aus dem Palast hinausführte. Die Wand hatte an dieser Stelle einfach ein großes Loch und die Trope ging außen weiter. Sie führte wie eine Wendeltreppe rundherum um den nun runden Palast. An einer bestimmten Stelle verschmolzen diese Treppe und die andere, die links des Einganges begonnen hatte, miteinander und führten als ein Teil weiter nach oben. Die Treppe kam uns unendlich und der Aufstieg ewig vor. Selbst wenn man nach oben blickte, konnte man kein Ende des Palastes sehen. Ich fragte mich, wie es sein konnte, dass man den Palast nicht sehen konnte, ehe man das Dornentor durchquert hatte. Aber wahrscheinlich lag einfachen Zauber über der Hecke, um den Palast zu verbergen. Als der Aufstieg noch immer kein Ende nahm, sehnte ich mich langsam auch danach, einfach nach oben zu fliegen und endlich mit Yuna zu sprechen. Als wir immer noch dabei waren, die Stufen hochzugehen, kam und plötzlich der Tenebria entgegen. Er war ganz aufgeregt und landete so stürmisch, dass er den Halt verlor und einige Stufen nach unten purzelte. Er rappelte sich jedoch schnell wieder auf und kam die paar Stufen zu uns hoch gerannt. Wir versuchten ihn zu beruhigen, aber er ließ uns nicht zu Wort kommen.
„Yuna wartet oben. Ich habe sie gesehen und mit ihr gesprochen. Sie erwartet uns bereits, weil sie uns kommen sehen hat. Wir sollen uns beeilen, aber es soll gleich Unterstützung kommen ", erklärte er ziemlich schnell und überstürzt. Dann rannte er einige Stufen weiter hoch und kam kurz danach wieder runter.
„Da...kommt...jemand. Um uns zu...helfen", rief er bevor er endlich richtig durchatmete. Und tatsächlich kam da ein fahrendes etwas am Geländer heruntergefahren. Darin saß ein Atroxia, eine andere Art Schatten, der sich auflösen kann und bat uns herein. Wir setzen uns und wurden nach oben gefahren. Das Gefährt in dem wir saßen sah aus wie ein Auge, das gewölbt ist, wie eine Schale. Die letzen fünfhundertzweiundachtzig Stufen, wie uns der Schatten- Fahrer erklärte, durften wir also fahren. Als wir oben ankamen, stiegen wir aus und bedankten uns herzlichst. Der Ausblick war atemberaubend schön. Ich sag den Dunklen Wald zum ersten Mal von oben. All die Bäume, in die sich der Nebel zurückzog von oben zu sehen, fühlte sich einfach unglaublich an. Ich schaute noch ein paar Minuten sehnsüchtig in die Ferne bevor ich mich dem zuwendete, wegen dem wir hier waren. Wir standen nun auf einer Art goldener Balkon. Allerdings stand in der Mitte dieser Plattform ein rundes Gebäude, in das ein ovaler Eingang führte, in den uns der Tenebria soeben führte. Von innen war es noch prachtvoller als von außen, denn an der gewölbten, inneren Wand zog sich eine lange Malerei, die das Universum zeigte. Anstelle eines Daches gab es eine gläserne Kuppel durch die man bestimmt bei Nacht den Mond gut sehen konnte. In der Mitte des Raumes war ein Loch im Boden, durch das wieder eine Treppe führte.Eigentlich hatten wir genug von Treppen, aber ich musste sehen, was es noch zu sehen gab. Den anderen schön es ähnlich zu gehen, also folgten wir dem Tenebria eine weitere Treppe hinunter, die in einen ganz und gar goldenen Raum führte. Hinten, an der Wand stand ein Stuhl, der die Form eines Sichelmondes hatte und auf ihm saß eine wunderschöne Frau.
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Im Schattenreich
FantasyAlmina lebt ein gewöhnliches Leben im Schattenreich. Jedoch ändert sich das schlagartig als die andere, die Sonnenseite plötzlich die scheinbar unüberwindbare Grenze überquert. Völlig überstürzt versucht Almina die Vergangenheit herauszufinden, um d...