2.Kapitel: Yunas Geheimnis

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Langsam gingen wir auf sie zu. Dabei beobachtete ich jedes Detail ihres Aussehens:
Sie hatte dieselbe Haarfarbe wie ich, allerdings trug sie ihr Haar in einem Dutt, von dem ihr einige Strähnen ins Gesicht hingen. Sie hatte außerdem tatsächlich schwarze Augen, die mir bekannt vorkamen, so liebevoll und fürsorglich, wie sie mich ansahen. Sie beobachtete jeden unserer Schritte und sah sich jeden von uns ganz genauestens an, wobei sie jedes Detail von Kopf bis Fuß abzuscannen schien. Während sie das tat, beäugte ich sie auf die gleiche Art und weise. Mir fiel auf, dass sie überhaupt nicht aussah, wie ein Geschöpf aus dem Dunklen Wald im Schattenreich. Außerdem wirkte sie jung, stark und sie war keines Wegs gealtert, obwohl sie seit der Entstehung der Sonnen- & Schattenseite über den Dunklen Wald wachte. Sie und dieser ganze Palast wirkte zu hell, zu glänzend für diesen düsteren, kalten Wald. Als wir fast schon vor ihr standen, erhob sie sich und ging ein Stück auf uns zu. Dabei lachte sie uns herzlich an.
„Willkommen hier, im Palast der dreizehn Monde, im Herz des Dunklen Waldes ", begrüßte sie uns.
„Ich hörte, dass ihr hierher gekommen seid, um uns etwas mitzuteilen "
Ich fragte mich, warum sie von „uns" redete. Denn soweit ich mich umsah, konnte ich im ganzen Saal niemand anderen sehen.
„Allerdings würde ich euch vorher gern zum Essen einladen, immerhin habt ihr einen weiten Weg hinter euch. Und danach reden wir darüber, wie wir uns verteidigen können. Na kommt "
Sie führte uns zu einer Tür. Ich fand es sehr interessant, dass sie bereits von allem wusste, was wir ihr mitteilen wollten.
Wir folgten ihr durch die Tür ins Nebenzimmer. Es war ein riesiger Speisesaal mit einigen kleinen, runden Tischen, die gerade eingedeckt wurden. Yuna ging, gefolgt von uns, auf den größten der Tische zu. Sie setzte sich und bedeutete uns mit einer Handbewegung, uns ebenfalls zu setzen. Ich sah mich um. Die Tische hatten samtene Tischdecken in dunkelblau mit silbernen Monden. Der Tenebria fasste völlig erstaunt den Stoff der Tischdecke an. Als ich Yuna ansah, merkte ich, dass sie ihn ebenfalls beobachtete und darüber zu schmunzeln schien. Die Stühle, außer Yunas goldener Stuhl, bestanden aus dunkelbraunem Ebenholz und glänzten, als ob sie vor wenigen Tagen poliert wurden waren. Der Boden war mit schwarzen und weißen Fließen dekoriert, wodurch sich ein Bild ergab, was ich aber durch all die Tische, an denen einige Wesen nun Platz nahmen, nicht erkennen konnte. Ich wandte meinen Blick vom Boden ab und sah nach oben. Die Decke war hingegen zum Boden nur mit schwarzen Fließen bestückt. Von oben hingen genau dreizehn Lampen in Mondform herab- ich hatte sie nachgezählt- als sie plötzlich anfingen, einen Lichtkegel auf die gegenüberliegende Tür von uns zu werfen. Diese Tür ging nun langsam auf und einige Wolken schwebten herein. Sie leuchteten Silber und schwebten zu den verschiedenen Tischen, wo sich die anderen Gestalten bereits das gewünschte Essen nahmen. Auch zu unserem Tisch kam nun eine Wolke, doch wir zögerten noch damit, uns etwas zu nehmen. Da sagte Yuna:
„ Bedient euch ruhig. Es ist genug für alle da und ich sehe euch an, dass ihr Hunger habt"
Das hätte die nicht zu laut sagen dürfen, denn daraufhin griffen wir alle ziemlich zu. Es gab Köstlichkeiten, die ich noch nie probiert hatte, aber die sofort an die Spitze meiner Lieblingsgerichte katapultiert wurden. Nachdem wir uns ordentlich satt gegessen hatten und der Saal schon fast leer war, begann Yuna endlich mit den Trane, wegen dem wir hergekommen waren.
„So. Jetzt nachdem ihr gestärkt seid, würde ich die Aufmerksamkeit gerne wieder auf unsere Probleme lenken. Denn einige Kreaturen der Sonnenseite haben es irgendwie geschafft, die magische, scheinbar unüberwindbare Grenze zu überwinden. Sie sind hierher gekommen und haben insgesamt drei Tenebrias und vier weitere Umbras (Umbras sind alle Schattenwesen des Dunklen Waldes) entführt und niemand weiß, was sie mit ihnen vorhaben und warum sie vor allem gekommen sind"
„ Verzeiht mir, dass ich euch kurz unterbrechen muss, aber meine Schwester und ich haben die Sonnenseite schon seit einigen Tagen beobachtet und wir wissen, dass Miriel irgendwas aus unserem Schattenreich in seinen Besitz bringen will. Bitte fragt uns nicht, warum wir das taten", unterbrach Loelia sie. Man konnte Yuna ansehen wie schockiert sie war, denn bei den Wirten über Miriel war ihr sämtliche Farbe aus dem Gesicht entwichen. Wir tauschten verwirrte Blicke, aber sprachen sie lieber nicht darauf an. Yuna atmete tief durch bevor sie seufzte:
„Dann will er die schwarze Lilie"
Jetzt wollten wir doch wissen, was hier los war. Deshalb fragte ich:
„Es tut mir wirklich leid, dass ich diese peinliche Frage jetzt stellen muss, aber ich denke niemand von uns versteht gerade worum es geht. Was ist die schwarze Lilie und warum will er sie so unbedingt haben? Aber vor allem woher weiß er davon? Er war doch nie hier oder? Das wäre ja gar nicht möglich"
Ich traute mich nicht, Miriel noch einmal zu erwähnen, aus Angst, Yuna zu verletzen. Sie seufzte erneut und wich auf ihren Stuhl zurück.
„Na schön. Ihr müsst es wohl erfahren. Dann werde ich sie euch erstmal zeigen, bevor ich euch Näheres erkläre", sagte sie schweren Herzens und stand auf. Wir gingen wieder durch die Tür, durch die wir hineingekommen waren und liegen quer durch den Raum auf die gegenüberliegende Tür zu. Hinter dieser Tür war eine geheimnisvolle Treppe, die hinab in die dunkle Tiefe führte. Yuna sah sich kurz panisch im Raum um, bevor sie uns förmlich die Treppe runter schob. Dann schloss sie die Tür leise hinter sich selbst und verriegelte sie doppelt. Anschließend nahm sie eine auf dem Boden stehende Laterne, zündete sie an und leuchtete in die Dunkelheit.
„Na los. Kommt schon. Geht einfach die Treppe nach unten und wartet dort auf mich", sagte sie, also liefen wir die Stufen nach unten. Das waren dann aber genug Stufen und Treppen für die nächsten Jahre!
Als wir die letzen Stufen gingen, blieb Nisha, die zuerst gegangen war plötzlich stehen.
„Was ist denn?", fragte Loelia und sah nach vorne zu ihrer Schwester. Ich tat es ihr nach und musste feststellen, dass nach der letzen Stufe eine Wand war. Es gab keinen Durchgang.
„Moment ich komme", tief Yuna und quetschte sich an uns vorbei. Ich erwartete, dass die Wand vor der Treppe einfach eine Tür war, aber sie bat uns wieder ein paar Stufen nach oben zu gehen. Als wir das taten, wurde durch einen von ihr gedrückten Knopf die vier untersten Stufen zusammengeschoben und es kam eine kleine Tür auf dem Boden zum Vorschein, die Yuna nun öffnete. Von dort aus gingen wir eine kleine und kurze Leiter hinunter, bis wir in einen Gang mit fünf Türen ankamen. Jede von ihnen war dunkelblau, bis auf die silberne Tür, die uns gegenüber lag. Auf diese silberne Tür gingen wir nun zu und Yuna öffnete sie, nachdem sie sich noch einmal umgesehen hatte. Der Raum den wir nun betraten war in mystisches dunkles Licht getaucht. Kleine Kristalle glitzerten an der wand und reflektierten so das blaue Licht quer durch den Raum. Der Raum hatte ein gewölbte Wand mit großen ovalen Fenstern, die allerdings verdunkelte Scheiben hatten, sodass man weder von innen nach draußen, noch von draußen in den Raum blicken konnte. In der Mitte befand sich eine Art erhobene Plattform in dessen Mitte wiederum ein großer Stab aus Mondgestein stand. An ihm wuchs eine Ranke hoch. Oben an der Spitze des Stabes kam eine große Knospe zum Vorschein, die wahrscheinlich eines Nachts als Lilie erblühen würde. All die glitzernden Steine in der wand beleuchteten sie. Es war so magisch, dass ich für einen Moment vergaß, dass wir eigentlich Probleme hatten, die gelöst werden mussten. Yunas stimme riss mich aus meinen Gedanken:
„ Wenn die Knospe dort oben bei Vollmond erblüht, wirkt die Kraft des Mondes so stark auf die Blume ein, dass ihre Magie mich unsterblich macht, bis ich bereit bin mich Lumiel zu übergeben, um dort mein Leben nach dem Tod zu führen. Warum Miriel von der Blume weiß, kann ich euch nicht, zumindest noch nicht sagen, denn es betrübt mich zu sehr"

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