Mit einer Mischung aus Misstrauen und ganz viel Unwohlsein tritt Nico in die große Halle, in der in den nächsten Minuten auch der Rest seiner Mannschaftskollegen eintreffen sollte. Seine Hand ist umschlossen von der einer hübschen jungen Frau, die Nico selbst erst zwei Mal getroffen hatte. Beim ersten Mal war er erstaunt gewesen welche Ausstrahlung sie hat. Selbstbewusst, schön und im Wissen, dass ihr mit diesen Attributen einige Türen offen stehen. Helle, braune lange Haare, die ihr gelockt über ihre Schultern fallen und ein Makeup bei dem man auf den ersten Blick denkt, dass es nur dezent aufgetragen ist, aber bei genauerem Hinsehen in ihr Gesicht feststellt, dass genau dieser Eindruck gewollt entstehen soll. So kann man Isabelle am heutigen Abend gut beschreiben. Als Nico sie am heutigen Tag vor dem Event traf, damit sie zusammen dort erscheinen konnten, fand er, dass sich irgendetwas an ihrem üblichen Erscheinungsbild geändert hat, aber er konnte zu diesem Zeitpunkt nicht herausfinden was es war. Vielleicht war es auch nur so ein Gefühl, um sich von der eigentlichen Sache abzulenken. Aber darüber macht sich Nico nun keine Gedanken mehr. Im Moment versucht er einfach nur seinen Puls nach unten zu manövrieren und seine negativen, angsteinflößenden Gedanken loszuwerden.
Mit einem netten, einladenden Lächeln und Nico an ihrer rechten Hand schaut Isabelle sich in der Halle um. Nett hier. Etwas groß, aber es müssen ja auch einige Menschen Platz finden, denkt sie. Isabelle ist nicht so angespannt wie Nico. Im Gegensatz. Sie wirkt sogar richtig ausgelassen und ruhig. Vielleicht liegt das an der Erfahrung oder daran, dass es heute im Grunde genommen einfach nicht um sie geht. Sie wird zwar für einige Momente des Abends bestimmt das ein oder andere Mal im Rampenlicht stehen, aber trotzdem wird es ihr in keiner Sekunde etwas bedeuten, wer heute mit ihr spricht oder was heute über sie gesprochen wird. Für sie ist das alles nicht real. Sie wird den Menschen Dinge erzählen, die nie passiert sind und die ihr nichts bedeuten und danach wird sie nach Hause gehen. Jedes Wort wird eine Lüge sein. Was sollte ihr davon also nur in geringster Weise so wichtig sein, als dass sie einen Grund haben müsste angespannt zu sein?
Der Abend von Nico könnte allerdings nicht anders verlaufen als Isabelles. Obwohl sie beide gleichzeitig zusammen an den meisten Orten sein werden, mit denselben Menschen reden und dieselben Geschichten erzählen, unterscheidet sich ihr Abend doch kolossal voneinander. So wird Nico sich nicht entspannt einen kostenlosen Drink nach dem anderen in den Hals schütten und dabei immer noch einen eloquenten Eindruck machen. Er wird stattdessen viele seiner Eigenschaften, die ihn eigentlich ausmachen, einbüßen müssen. Seine offene, witzige und spontane Seite wird heute wenig zur Erscheinung treten. Heute geht es Nico nur darum seine Nerven im Griff zu behalten und möglichst gut zu lügen. Für den Rest hat er keine Zeit und keine Kraft. Jetzt schon müde davon, was ihm bevorsteht und was alles schon passiert ist, atmet er ein letztes Mal durch. Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Jetzt kann er nur noch auf das reagieren, was passiert oder was nicht passiert. Aber die Basis ist geschaffen. Die Basis namens 'Isabelle'.
Der Schweiß rinnt Nico nur so über die Stirn. Mit hohem Puls betritt er das öffentliche WC der Location und ist heilfroh, dass gerade niemand zu sehen ist. Mit beiden Händen stützt er sich auf dem Waschbecken vor ihm ab und schaut in den Spiegel, der schon einige Macken aufweist und ziemlich dreckig ist. Oh Gott, man kann mir wirklich ansehen wie ich mich fühle, denkt er und verzieht dabei sein Gesicht. Sofort dreht er den Wasserhahn mit kaltem Wasser auf und schüttet sich eine Handvoll ins Gesicht, was er sofort bereut, da das Wasser einfach nur unfassbar unangenehm kalt ist. Aber immerhin geholfen hat es. Nico sieht sofort wacher aus und auch seine Gedanken wurden praktisch mit jedem einzelnen Wassertropfen verflüssigt. Noch ein paar Mal ein- und ausatmen und dann muss er wieder raus. Raus in die Menge. Man könnte nun denken, dass dort eine Menschenmasse aus Fans auf ihn wartet, aber nein. Die Menge besteht eigentlich nur aus seinen Teamkollegen wovon er einige sogar als Freunde bezeichnen würde. Aber für einen kurzen Moment denkt er darüber nach, ob ihm eine Menge an Fans nicht doch lieber wäre. Dieser Gedanke verfliegt allerdings so schnell wieder wie er gekommen ist.
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never the same | schlotteyemi
أدب الهواةEine süße kleine Geschichte über Karim und Nico. So ne kleine Schmuseliebe eben.