never the same | schlotteyemi

Kapitel 2 - Die Angst

Mittlerweile ist der Zeitpunkt eines Abends gekommen an dem man sich, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen, verabschieden kann, weil man zum Beispiel ‚sehr müde' ist. Aber jeder weiß eigentlich, dass das immer nur die halbe Wahrheit ist. Denn wenn ein Abend wirklich Spaß macht und die Stimmung super ist, dann kämpft man gegen seine Müdigkeit an und lässt sich von den restlichen Menschen auf der Party beeinflussen, sodass man am Ende doch viel zu lange bleibt. Nur heute ist definitiv nicht einer dieser magischen Tage. Heute hat Nico praktisch die Sekunden gezählt, bis er endlich gehen kann. Und nun entscheidet er einfach, dass es okay ist jetzt abzuhauen. Nur ein klitzekleines Problem beschäftigt ihn dann doch noch. Er hat seit anderthalb Stunden seine ‚Freundin' Isabelle nicht mehr gesehen. Und so langsam beunruhigt ihn das. Nicht nur, weil er sich jetzt wirklich so langsam auf den Nachhauseweg machen will, sondern auch, weil die Anspannung in ihm immer größer wird. Es könnte ja theoretisch sein, dass Isabelle sich in irgendeiner Weise verquatscht hat, vielleicht weil sie zu betrunken ist. Er weiß es ja nicht, weil er sie ewig nicht mehr gesehen hat. Der letzte Stand ist, dass sie mit Luise und Joana abgehauen ist. Aber wohin? Das ist Nico ein Rätsel. Auch Julian und Marius kann er auf Anhieb mit den Augen nicht lokalisieren. Vielleicht wüssten sie, wo sich ihre Freundinnen aufhalten. Mit gestrecktem Kopf versucht er irgendwie die Menge zu überblicken, aber außer unfassbar vielen unbekannten Gesichtern und ab und an mal ein Kopf, den er aber gerne übersieht, findet er niemanden. Plötzlich spürt Nico allerdings ein Tippen an seiner rechten Schulter. Bitte lass es Isabelle sein, denkt er. Aber nein. Sein stilles Gebet wurde nicht erhört. Die zugehörige Hand gehört nicht der schönen, jungen Dame mit den hellbraunen Haaren. Nico dreht sich um und vor ihm steht Karim, der ihn angrinst und in dessen Augen sofort abzulesen ist, dass er am besten kein weiteres Glas mit Alkohol anrühren sollte.

>>Hi, Nico! Was sehe ich da? Du hast kein Getränk in der Hand? Das geht ja gar nicht!<< Bevor Nico etwas darauf antworten kann, wird er auch schon von Karim mit zur Bar gezogen, obwohl das eigentlich der letzte Ort ist, wo er jetzt hin will. Karim ruft dem Barkeeper irgendetwas zu, aber Nico ist ziemlich egal, was er da gerade überhaupt gesagt hat, weil er sowieso nicht vorhat sein Glas anzurühren. >>Ey, Karim. Hast du Isabelle vielleicht irgendwo gesehen? Beziehungsweise Luise oder Joana?<<, schreit Nico ihm fast schon entgegen, weil es hier so laut ist, dass Karim ihn anders wahrscheinlich nicht verstanden hätte. >>Hä, wer?<< - >>Isabelle, Luise und Joana!<< schreit Nico noch lauter als vorher. Mittlerweile mit einem leicht genervten Unterton. >>Nee, wer soll'n das sein?<<

„Ist das sein scheiß Ernst? Ist er schon so betrunken, dass er nicht mal mehr weiß, wer gewisse Personen sind oder hat er einfach überhaupt nicht zugehört als ich Isabelle eben vorgestellt habe? Der Junge kann manchmal so verpeilt sein", denkt Nico. >>Junge, meine Freundin? Die ich euch allen eben vorgestellt habe?<< Karim haut sich mit der flachen Hand auf die Stirn. Anscheinend etwas zu fest, denn dabei verzieht er sein Gesicht ziemlich, was er gerade ehrlich verdient hat. >>Ah ja, richtig! Sorry, man! Ich hab schon bisschen einen sitzen.>> Während er das sagt, grinst er Nico nur blöd an und drückt ihm im nächsten Moment sein Getränk in die Hand. Mit erwartungsvollem Blick schaut Karim zwischen Nico und dem Glas hin und her. Nico wollte eigentlich gar nichts mehr trinken. Aber nach diesem Gespräch gerade kann er den Alkohol wirklich gut gebrauchen. Also nimmt er schlussendlich doch einen Schluck, auch damit Karim ihn nicht weiter nervt. Dieser haut Nico nur lachend auf die Schulter und sagt: >>Ja, ja. Ich wusste, dass ich dich heute noch ans Glas bekomme.<< Und ganz Unrecht hat er damit ja nicht. Als Nicos Glas dann aber endgültig leer ist, gibt er Karim beim nächsten halbwegs bekannten Gesicht ab, weil dieser ihm in seinem Zustand mit Sicherheit nicht weiterhelfen kann und beschließt dann endlich auf die Suche nach Isabelle zu gehen.

Zuerst läuft Nico in Richtung Toiletten. Als er vor der Eingangstür der Damentoilette steht, fällt ihm allerdings auf, dass er da ja jetzt schlecht einfach so reinplatzen kann, um nach den 3 Frauen zu sehen. Oder soll er es doch einfach unter dem Vorwand eines Notfalls machen? Es ist ja mehr oder weniger tatsächlich so etwas. Aber nicht, dass er dann von irgendwelchen Mitarbeiterinnen als Spanner gilt. Das wäre ziemlich unvorteilhaft, wenn einem dieser Ruf bei dem Verein, für den man spielt, vorauseilt. Gerade als Nico alle Eventualitäten im Kopf durchgeht, öffnet sich allerdings die Tür. Zu seinem Glück steht Scarlett vor ihm. Nico atmet erleichtert auf und Scarlett zuckt leicht zusammen, weil Nico wirklich direkt vor der Tür steht. >>Hey. Sorry, dass ich dich erschreckt habe, aber sind da zufällig Luise, Joana oder Isabelle, meine Freundin, drin? Ich kann ja schlecht einfach so reingehen.<< Nico kratzt sich etwas verlegen am Hinterkopf. >>Nein, sorry. Da ist niemand, aber vielleicht gehst du mal durch den Hinterausgang. Da draußen ist so eine kleine Sitzecke. Vielleicht ist einer der drei da.<< Nett, aber auch entschuldigend lächelt Scarlett ihn an. Nico bedankt sich mehrmals bei ihr und drängelt sich dann schnellen Schrittes in Richtung dieses mysteriösen Hinterausgangs, von dem er überhaupt nicht wusste, dass er existiert, durch die Menschenmenge in der Halle. Als er die schwere Tür aufstößt, kommt ihm ein kalter, aber im Moment sehr angenehmer Windstoß entgegen. Durch die kalte Luft, bemerkt Nico erst, wie stickig warm es in der Halle ist. Ohne groß mit den Augen suchen zu müssen, hört er etwas entfernt schon weibliches Kichern. Hoffentlich ist Isabelle dabei, denkt er. Im nächsten Moment atmet er zum zweiten Mal erleichtert aus. Auf einer Bank sitzt sie zusammen mit Luise und Joana. Es scheint fast so als würden die drei Nico gar nicht bemerken, so sehr sind sie in ihr Gespräch vertieft. Erst als er unmittelbar vor ihnen steht, schauen sie auf und wirken überrascht. >>Ach hi, Nico! Setz dich doch. Wir haben voll viel Spaß gerade.<<, wird Nico sofort von Joana entgegengerufen. >>Ne, danke. Eigentlich wollte ich jetzt fahren. Ich bin voll müde. Kommst du, Isabelle?<< - >>Och, nee. Ist gerade so schön hier.<< Ist das gerade ihr Ernst? >>Du kannst ja schon mal fahren und ich komme dann später nach.<< Ähm, nein?! Was soll das denn jetzt?! Wenn Isabelle Nicos ‚echte' Freundin wäre, wäre das natürlich was ganz anderes, aber Nico wird sie ganz sicher nicht alleine auf einer Feier seines Vereins lassen, nachdem sie gerade verkündet haben, dass sie ein Paar sind, was nicht wahr ist und sie sich theoretisch jede Sekunde verplappern könnte und Nico dann nicht mal zur Schadensregulierung anwesend wäre. Nicos Empörung steigt gerade mit jeder Sekunde, die er vor den drei Frauen steht. Was soll er denn jetzt machen? Er kann Isabelle ja schlecht vor den anderen beiden eine Ansage machen. Also entscheidet er sich für das Offensichtlichste.