Silber

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„Luana ...."

Ich stand im Wald. Nein, nicht so wie man das sagte, wenn man etwas verpeilt war.... Ich stand wirklich im Wald. Einen saftig grünen Mischwald.

„Luana" hauchte der Wind zu mir hinüber. Ich sah an mir hinunter. Gekleidet in Elbengewand lief ich mit nackten Füßen über den Waldboden. Vorsichtig tastete ich mein Gesicht ab, ich hatte Ohren wie ein Mensch und nur schulterlange Haare. Wie passte das zusammen? Eine Menschenfrau von der Erde trug die Kleider einer Elbin? Rascheln im Gehölz verriet mir, dass sich etwas oder jemand auf mich zubewegte. Meine Hände wurden schwitzig und die Furcht kroch in mein Herz.

„Luana, deine Zeit als Mensch ist vorüber." Es war Laica's Stimme – eindeutig. Ich drehte meinen Kopf und sah sie und alle Menschen von der Erde, mit denen ich aufwuchs, befreundet war, lachte und weinte ... Menschen, die mir etwas bedeuten und Menschen, die mir das Leben schwer machten. Sogar die, die verstarben in der Zeit die ich dort verbrachte, machte ich unter der Menge aus. Mit erstaunen stellte ich fest, dass es gar nicht mal so wenige waren. Hatte ich mein Leben als Mensch geringer Wertgeschätzt, als es angebracht war?

Plötzlich überkam mich ein Gefühl, dass ich nicht für möglich gehalten hatte – Wehmut. Es war ein Abschied für immer, dessen war ich mir bewusst. Meine Spuren auf der Erde werden getilgt, also werde ich auch keine Träume mehr davon haben. Selbst ob ich Erinnerungen daran haben würde, war fraglich.

Ich umarmte meine Freundin Laica. „Danke! Du bist eine gute und loyale Freundin! Lerne dich selbst mehr zu lieben, denn du hast das verdient! Leb wohl."

Sie lächelte nur und gab zur Abwechslung keine Widerworte. Mit feuchten Augen und einer letzten Umarmung war der Abschied vollendet. Sie lief an mir vorbei und löste sich in Luft auf. Jeder einzelne richtete letzte, liebevolle Worte an mich und verabschiedete sich auf seine Weise.

Ole sprach kein Wort. Er blickte mir tief in die Augen, liebevoll und versöhnlich. Er nahm mich in den Arm und küsste sanft meine Lippen – dann löste er sich auch in Luft auf.

Mit jedem Lebewohl wurde ich größer, meine Haare länger, meine Ohren spitzer, meine Augen schärfer, meine Haut weicher und mein Herz leichter und schwerer zugleich.

Die letzte Person, die vor mir stand, war niemand anderes als Arrian. „Du hast dich nun endgültig vom Leben der Erde losgesagt. Ich nehme dich wieder mit – zurück nach Hause, wo du hingehörst und noch einiges vor hast." Sie war fröhlich, aufbauend und einfach genau das, was ich jetzt brauchte.

„Bereit?" Sie reichte mir ihre Hand. Wenn ich sie jetzt griff, war alles vorbei. Ein letzter Blick zurück, wo nur noch Wald war, sagte mir, dass ich mehr als bereit war.

„Lenya, was ist passiert?" fragte mich Legolas kräftige Stimme. Mein Blick klärte sich schnell und ich sah ihn fragend an. „Was meinst du?"

„Du hattest ein zweites Leben ... sieh nur dein Haar." Er hielt mir eine Strähne vor die Nase. Silber. Meine Haare waren Silber!

„Wieso?" fragte ich nur prompt.

Lachend antwortete der schöne Elb. „Ich bin sicher, du hast eine Menge zu berichten. Dann wird sich sicher auch mir offenbaren – Wieso – meine Liebste silberne Haare hat."

Er zog mich an sich heran und so schmusten wir, während er erzählte.

„Ada hat recht ... Wir sollten noch ein wenig warten, bevor wir die Vergangenheit aufarbeiten! Ich spüre, wie langsam meine Kräfte zurückkehren und ich weiß ganz genau, was ich zuerst damit machen will. Liebevoll kniff er mir in den Hintern. Natürlich verstand ich, worauf er anspielte.

„Ich gebe dir recht, aber sag mir eins ... Was meinst du mit – ich hatte ein zweites Leben?"

„Ich weiß nicht wieso, doch es muss eine Zeit gegeben haben, wo dein Körper als Elbin eine leere Hülle war und dein Geist in einem anderen Leben und anderen Körper wandelte. Aus welchem Grund auch immer warst du in der Lage, eine Entscheidung zu treffen und bist in deinem ursprünglichen Leben zurückgekehrt. Darum hast du nun eine neue Haarfarbe."

Schmunzelnd sah ich ihn an.

„Ich bin wegen dir hier! Du hast mich zurückgeholt!"

Sein Herz schlug schneller. Seine Gefühle überschlugen sich, verständlicherweise. „Du hast mich gerettet." sagte er leise mit verruchter Stimme.

„Du hast mich geholt ... lass uns ein anderes Mal darüber sprechen." Denn auch mir stand der Sinn nach Zärtlichkeiten. Meine Hände glitten unter sein Hemd. Sein schmächtiger Körper war warm und seine Haut weich. Ein leises Stöhnen entwich ihm, während auch seine Hände unter meinem Hemd den Rücken hinunter zu meinem Hintern wanderte. „Das brauchst du nicht mehr." flüsterte er und zog mich aus. Auch seine Sachen waren schnell gewichen und landeten neben dem Bett. Ihn zu spüren, wie beim ersten Mal ... Es war unwirklich und wundervoll zugleich. Intensive Gefühle durchfluteten meinen Körper - Tränen der Glückseligkeit kullerten über meine Wange. Legolas war sanft und liebevoll. Nach so langer Zeit hatte ich beinahe vergessen, was der Beischlaf mit ihm bedeutete - er bedeutete mehr als pure Wollust. Es war zugleich Verbindung, Liebe, Innigkeit und Vergnügen. Meine Beine schlangen sich um seinen Körper, als könnte ich den kurzen Moment länger festhalten.

"Ich geh nicht mehr fort!" versprach er mir leise nach unserem Höhepunkt.

Nach einigen Nächten, in denen ich sowieso abgelenkt war, konnte ich traumlos schlafen, wenn ich schlief. Meine Vergangenheit verblasste. Doch das Menschsein wird ewig ein Teil von mir sein und mich auf ewig demütig daran erinnern, wie zart und wertvoll ein einziges Leben war.

Legolas fand schnell zu seiner Form wieder und unsere junge Liebe reifte weiter aus. Wir waren uns so nahe, wie noch nie. Nichts und niemand stand zwischen uns. Mein Herz hatte sich endgültig erholt.

Nach einem gemeinsamen Besuch im Krankenflügel bei Orophin, der am nächsten Tag die Heimreise antreten wollte, beschloss ich, Legolas mit meiner Vergangenheit zu konfrontieren. Doch zunächst musste mein Liebster die warmherzige, lange Abschiedsumarmung erdulden.  "Tausend Dank für alles mein Freund! Ohne dich wäre ich verloren gewesen!"  Orophin hielt mich fest in seinen Armen. "Ich hab dich lieb Lenya! Leb wohl. Ich freue mich auf unser Widersehen! Pass gut auf sie auf Legolas!" Überraschenderweise umarmten sich auch die Männer herzlich. Sie hatten sich die letzten Tage angefreundet und ihren Frieden gefunden.

Eine Zeit verbrachte ich allein mit Reden und von ihm hörte man kaum ein Wort. Schon immer war mein Liebster ein aufmerksamer Zuhörer und kein Mann vieler Worte. Doch wenn Legolas was sagte, hatte das Gewicht und Bedeutung.

Vollkommen unerwartet unterbrach er meinen Redeschwall. Ich führte gerade aus, von seiner Erscheinung, die mir verriet, dass er um meine Hand anhalten wollte. Diese Erinnerung war von allen noch am deutlichsten.

Langsam kniete er vor mir nieder und hielt dabei meine Hand.

„Lenya .... Selbst zu Zeiten, zu denen ich es mir nicht eingestehen wollte, schlug mein Herz für dich! Ich bin dankbar, dich nicht verloren zu haben. Bereits drei Mal wäre dies beinahe geschehen. Auch wenn wir Elben mit der Unsterblichkeit gesegnet sind, habe ich das Gefühl, dass jeder Moment mit dir so kostbar und wertvoll ist, dass kein Schatz da ran kommt!"

Er ließ eine kleine Pause.

„Ich liebe dich Lenya! Du entscheidest über mein Leben ... wärst du nicht gekommen ... ich würde nicht mehr unter den Lebenden wandeln. Nie wieder werde ich dich enttäuschen, nie wieder werden sich unsere Wege trennen, denn wie du schon erlebt hast, werde ich ohne dich nicht überleben! Ich will dich! Ich will dein Mann sein, dein Begleiter durch alle Zeiten! Doch bei allem, was ich anstrebe und mir für unsere Zukunft wünsche ... frage ich dich demütigst, ob du das auch willst! Lenya, willst du meine Frau werden? Meine Lebensgefährtin, meine Lebensretterin und mein Lebenselixier für die Ewigkeit sein?"

Seine galanten, gefühlvollen, ehrlichen Worte trafen mich. Wie ein Blitz kamen Bilder in meinem Kopf. Sie zeigten mir reelle Situationen aus der Vergangenheit. Intensive Blicke, verführerische Lippen, Tränen der Freude, aber auch mein Gesicht der Enttäuschung, der Verzweiflung, des Schmerzes erschien mir vor dem geistigen Auge.

„Legolas ... Es war nicht immer leicht, dich zu lieben. Es bedeutete oft Kummer und Leid. Wir haben so viel durchgestanden und die Liebe nie aufgegeben. Ich sehne mir eine Zeit herbei, die leicht und unbeschwert, ohne Hürden und Sorgen unsere zarte Pflanze der Liebe wachsen und gedeihen lassen kann! Doch egal was kommt ... unsere Liebe ist stark und unverwüstlich. Ich liebe dich und wünsche mir nichts sehnlicher als, als deine Frau die Zukunft zu beschreiten. JA – ich will!"

- Ende -

Finde mich! (Legolas FF) BeendetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt