7. Kapitel | Schmerzliche Erinnerungen

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Völlig vor Aufregung zitternd, verzog der alte Mann sein Gesicht. Seine dunklen Augen, die gerade noch auf meinen blutverschmierten Händen lagen, fixierten mein Gesicht und auch wenn Hector Salamanca nicht mehr in der Lage war, mit Worten zu kommunizieren, tat er dies mit seinen Augen und den aufgebrachten, hektischen Schnauben, der ihn immer wieder entwich.

Der Blick der auf Hectors Augen lag, bedeutete, dass ich so gut wie tot war. Dafür, dass ich seinen Neffen tötete, dafür, dass er der nächste sein wird. Wenn er der Meinung war, bitte. Was wollte er machen? Aufstehen und mir den Schädel einschlagen?

Dazu würde es nicht kommen. Es könnte nicht mal dazu kommen, weil er sich eher schlecht als recht bewegen konnte.

Ich legte meinem Kopf schräg und verengte die Augen, während ich Hectors bohrenden Blick fixierte. Irgendwann würde es in seinem noch funktionierenden Hirn Ding machen.

Ich bezweifelte ganz schön, dass er sich an mich erinnerte. An das kleine fünf Jahre alte Mädchen, was vor Angst im Küchenschrank hockte, ihr alles geliebte Kuscheltier fest umschlungen hielt und Zeugin mehrerer Morde wurde.

Eine Sache, die für unschuldige Kinderaugen nie gewillt war. Nie. Und doch musste ich so etwas mit ansehen. Etwas, was sich nicht so einfach aus meinem Gedächtnis verbannen ließ.

Hector Salamanca, der Mann, der vor mir im Rollstuhl saß, drückte noch immer wie wild die Klingel, als sei es ein Hilferuf, während ich mit dem Blut seines Neffen besudelt war. Ein Hilferuf den niemand außer wir hörten.

Er blickte noch immer zu mir auf, während ich das Messer, mit dem ich zuvor Tuco tötete, fest in der Hand hielt, aus Angst, es durch das schmierige Blut fallen zu lassen.

Das Blut in meinen Händen. Es fühlte sich so warm an, so klebrig und augenblicklich fühlte ich mich, als sei ich wieder in die Zeit zurückversetzt. Als kniete ich direkt neben den leblosen Körpern, spürte die Wärme der noch nicht langen verstorbenen Menschen unter meinen Fingern, die plötzliche Hitze des frischen Blutes, das an mir klebte.

Es klebte überall: an den weißen Küchenfronten, den hellen Boden, an meine vom Spielen und Toben aufgeschürften Knie. Ich würde niemals diesem metallischem Geruch vergessen, das Wimmern, das Flehen und die panischen, von sämtlichen Schmerz erschütternden Schreie, die stumpfen Schläge, dass Grunzen und Stöhnen.

Ich kniete neben meiner Zwillingsschwester, dessen Kopf und Gesicht ich nicht mehr als ihres identifizieren konnte. Wo nur noch ein Haufen undefinierbarer blutiger, fleischiger, knorpeliger und haariger Masse war, anstatt ein Gesicht mit Sommersprossen versehen, einem Milchzahnlächeln und die Narbe an der Wange.

Ich hielt ihre Hand, blickte zu meinen Großeltern, dessen Erinnerungen an den liebevollen, warmen Lächeln ebenfalls diesem zertrümmerten und entstellten Fratzen gewichen waren. Meine Großmutter hielt noch immer die Hand meiner sieben Minuten älteren Schwester.

Und dann stand da plötzlich dieser Mann. Völlig aus dem Nichts, stand er da und starrte mich an. Ich bekam kein Wort heraus, nicht mal ein Wimmern, als er zu mir kam, mich aus der Blutlache meiner Schwester zog und mich schwungvoll auf dem Küchentresen absetzte.

Jung, aber trotzdem alt, buschige Augenbrauen, dunkle, ausdrucksstarke Augen, überall Blut. Ich erinnerte mich. Er war derjenige, der meinen Großvater anschrie, wehtat. Er war derjenige der unter dem Flehen und Betteln meines Großvaters, das grauenvolle Kreischen meiner Großmutter, meiner Schwester so sehr wehtat.

»Ich schneide dir deinen Finger ab, wenn du erzählst, du hast uns gesehen«, drohte er mir eindringlich auf Spanisch. »Dann kannst du nie wieder Piano spielen.«

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