17. Kapitel | Die Hölle

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Ich stand noch nicht mal eine Sekunde in diesem völlig abgefuckten Haus, an dem keine Gardinen an den Fenstern hingen, sondern Alufolie, Bettlaken, Decken oder Zeitungen.

Es war stickig, stank nach Alkohol, Schweiß, Schimmel, Pisse und sämtlichen negativen Scheiß, der mir nur so in der Nase brannte und meine Augen zum tränen brachte.

Geputzt wurde hier auch seit Ewigkeiten nicht mehr. Ich musste aufpassen wohin ich trat. Selbst eine lächerlich einfache Grundordnung gab es hier nicht.

Auf dem kaputten und versifften Holzboden im Flur lagen Flaschen, Kleidung, und anderes undefinierbares Zeug und dann sah ich etwas, was mir erstmal den Magen zuschnürte. Eine offene und vollgepisste Windel. Eine Kinderwindel.

Das ist jetzt nicht wahr.

Ich hoffte inständig, dass die Windel, die da vor sich hinvegetierte einem Kind gehörte, welches hier nicht mehr lebte und aus diesem abartigen Haushalt dieser Junkies vom Jugendamt entfernt wurde.

Wenn nicht... Das würde mich nur zum explodieren bringen, und ich war bereits geladen. Das lag alles nicht nur an der einzigen Windel auf dem Boden im Flur.

Ich drückte die Haustür mit meinem Schuh zu und wartete auf Jesse, der mir die Sachen aus der Hand genommen und irgendwo im Haus verschwunden war. Da, wo ich das Wohnzimmer vermutete, zog es mich hin.

Der gemischte Gestank wurde hier noch schlimmer. Auch hier stand die Luft, ein paar Sonnenstrahlen kämpften sich erfolgreich durch die löchrigen Bettlaken-Fenstervorhänge in den Raum. Vom Wohnzimmer aus, konnte ich direkt in die angrenzende Küche blicken, die nicht mehr viel mit einer Küche zu tun hatte.

Und dort, am runden Esstisch, saß ein kleiner, blondhaariger Junge, in einem viel zu kleinen T-Shirt, mit einem viel zu vollen Windel. Völlig verdreckt und verwahrlost.

Die Wut in mir nahm ein Ausmaß an, dass ich kurz davor war, das Wohnzimmer auseinanderzunehmen, obwohl das hier nicht viel geändert hätte.

Hier hatte schon einer das ein oder andere mal seinen Ausraster ausgelebt und hat die schlechte Laune an den Möbeln und der wenigen Dekoration ausgelassen.

Wo auch immer die Eltern von dem armen Jungen waren, die würden heute definitiv den letzten Tag auf diesem Planeten verbringen. Ich könnte heule, schreien, ausrasten.

Scheiße, wie kann man das einem unschuldigen Kind antun?

Der kleine Junge, saß schweigend am Esstisch und fiel über die Pommes her, die Jesse ihm auf den Tisch ausgebreitet hatte. »Oh, dass ist Orangenlimo«, hörte ich Jesse sagen, als er in einem der Becher hineinschaute.

»Der andere ist ein Schokomilkshake«, krächzte ich. Ich war noch immer völlig fassungslos, wollte mich gar nicht großartig bewegen. »Das ist doch prima«, freute Jesse sich und lächelte den Jungen an. »Dann kriegst du den Milkshake.« Ich war so sauer, dass es mir schon die Tränen in die Augen trieb. In mir brodelte es.

Er stellte den Jungen, den ich ungefähr auf drei oder vier Jahre schätzte, den Becher hin und blickt ihn an. Der kleine Junge stopfte sich wieder einige Pommes in den Mund.

Jesse blickte endlich zu mir und wandte sich von dem Jungen ab. Er sah wohl mein fragendes, trauriges und wütendes Gesicht. Ich blickte ihn an. »Wo sind seine Eltern?«, fragte ich.

Offensichtlich muss er ja noch welche haben. Ein Kind alleine kann das Chaos nicht verursachen, oder einen Gaskocher mit Ravioli in der Dose aufwärmen. Der Gaskocher und die leere Dose standen auf dem kaputten Couchtisch. Und wenn das Kind allein wäre, würde es doch schon längst tot in der Ecke liegen. Zwischen den ganzen Müll und Dreck.

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