I. Der Fall des Hauses Barathrondor (I)

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Dies ist die Geschichte von Féalir Féathrondor. Féalir war klein von Gestalt, und schon als Kind rügte ihn sein Vater Béalir Barathrondor, wenn er den Weg mied, den sein ganzes Haus geschlossen zu gehen pflegte. Stets hielt sich Féalir abseits, ohne auf die Anweisungen seines Vaters zu achten, zusammen zu bleiben, im Herzen ergrimmt, weil er sein Haus nicht sehen wollte und seines Vaters Schelte überdrüssig war.

Denn das Haus Barathrondor, dessen Name er von Geburt an trug, war ein wanderndes Haus. Seit Féalir Barathrondor gedenken konnte, zog es umher: es winterte am großen Meer Anlagaron, in den schützenden Felsklippen, wenn die See rau und die Luft mild war. Bevor der Sommer eintrat, wenn die Hitze zu unerträglich wurde, zogen sie vorbei am Moorwald, hinauf zu den Hängen des Bala'amarg, und lebten in den Höhlen des Berges hoch oben. Dort war es nicht weniger rau als an den Klippen des Meeres und der Weg zu den Wiesen und Wäldern war weit, doch trieb im Sommer im ganzen Land das Untier Murarg sein Unwesen, ein Feuerwurm, lang wie vier Männer und mit Flügeln zehnmal so groß wie die des großen Seeadlers. Und schon Barador Barathrondor, der Urvater des Hauses viele Generationen zuvor, wohnte deshalb in den Höhlen des Berges und der See. Denn, anders als ein Holzhaus auf der Lichtung waren die Höhlen nicht gut zu entdecken und waren geschützt vor dem Feuer des Untiers, wenn es einmal mehr auf seinem Weg alles versengte, was ihm unter die Flügel kam. Zudem mied Murarg die engende Dunkelheit der Höhlen. Nachts schlief er nicht, sondern war so feurig wie am Tage, und es hieß, nur des Winters zöge er sich in eine Höhle zurück, um zu schlafen, doch wusste keiner, wohin er sich zurückzog und welch Grauen oder welch Schatz den Manne in den Wohnungen Murargs erwartete.
So war es unter den Menschen jener Länder üblich, viele Kinder zu gebären, auf dass die Chance auf das Überleben der eigenen Blutlinie hochgehalten würde. Und nicht selten kam es vor, dass es in der Familie Schwestern und Brüdern gab, die eines Tages nicht mehr aus dem Moorwald zurückkamen. Kaum eine Generation eines Hauses war wirklich noch vollzählig, doch nie fraß Murarg mehr als einen, wenn er auch schon ganze Häuser der Menschen mit seinem feurigen Atem ausgelöscht hatte. Auch Féalir Barathrondor, der Sohn von Béalir Barathrondor, hatte viele Brüder und Schwestern, sieben an der Zahl. Des Alters nach Féalo, seinen Zwillingsbruder, dann seinen Bruder Muralir (den Tapferen), seine Schwestern Mahira, Mahora und Mahura (wobei Mahira die schönste und Mahora die stärkste unter ihnen war) und zuletzt die kleinen Brüder Féador und Féadur. Aber Féalir war der Älteste von ihnen¹. Mit Féalo hatte Féalir sich viel gestritten, sodass er nicht mehr viel mit ihm redete. Féalo aber war lauter gewesen als Féalir, und so begann er, da Féalir sich oft entzog, die Geschwister zu führen. Doch jeder wusste, dass Muralir eines Tages die Geschwister anführen würde, da er der Tapferste war und schon mit 12 Jahren eigenhändig einen Bären erlegt hatte. Jeder in der Familie liebte ihn und er war hoch angesehen im ganzen Haus und darüber hinaus, sodass er als erster der Söhne und Töchter Béalirs schon in seinem zwölften Lebensjahr den Beinamen „der Tapfere" erhielt. Doch Féalir verstand sich nicht mit ihm. Wenn er sich auch mit Féalo nicht vertrug, Muralirs starke Art war ihm zuwider und wie er geliebt wurde widerstrebte Féalir, sodass es ihm beinahe vor ihm ekelte. Doch er sagte es nicht und behielt dies im Schatten seines Herzens. Besser verstand sich Féalir mit den ruhigeren Ästen seiner Sippe. So kam es gelegentlich, dass Mahira ihn aufsuchte, wenn er allein abseits des Pfades durch die Wälder strich, und ihm von der Pflege ihrer Haare erzählte oder schweigend neben ihm herging. Féalir sagte es nicht, aber insgeheim genoss er ihre Anwesenheit und fühlte sich wohl dabei, selbst wenn Mahira von den Taten ihrer Schwester Mahora erzählte, die Féalir ebenso nicht gernhatte. Und manchmal spielte Féalir mit dem kleinen Féadur, der ihm in vielerlei Weise gleichkam. Fast so gleich, dass sein Vater ihm des Einflusses seines ältesten Sohnes entziehen wollte. Denn Béalir war oft enttäuscht von Féalir, und wenn er es auch nicht sagte und zu unterdrücken versuchte, so spürte Féalir es doch, vor allem wenn er sich unter dem schweigenden Blick seines Vaters hinwegducken wollte.

¹ Dies waren die Alter der Kinder Béaliers, als Muralir den Bären erschlug:
Féalir & Féalo waren 14 Jahre alt, Muralir war 12 Jahre alt, Mahira war elf Jahre alt, Mahora war zehn Jahre alt, Mahura war neun Jahre alt, Féador war drei Jahre alt und Féadur war zwei Jahre alt.

Der Fluch FéathrondorsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt