Mit den Geschwistern Féalirs aus dem Hause Barathrondor, dem Vater Béalir und der Mutter Nahera, sowie Béalirs Brüdern und dessen Familien zog das Haus durch die Lande von den Felsenklippen von Anlagaron bis zu den Höhlen Bala'amargs und verbarg sich vor dem Feuerwurm Murarg, wie kaum ein anderes Haus es vermochte. Seit fünf Generationen hatte Murarg keinen aus dem Hause Barathrondor gefressen, bis auf einen Knecht beim Schöpfen des Wassers aus einer Quelle des Bala'amarg. Sie woben sich Kleider aus Fellen und Moosen, um den Augen Murargs zu entgehen, die so scharf wie die Krallen an seinen vier Füßen waren.
So kam es, dass Nahera eines frühen Frühlingmorgens sagte, sie sei zum achten und letzten Male schwanger. Und sie feierten ein Fest und freuten sich, und Féalo, Muralir und Mahora gingen auf die Jagd in den Moorwald und kehrten zurück mit einer Gans und einem Reh. Ausgelassen beim Mahle lachten sie und fragten sich, ob das Kind wohl ein Junge oder ein Mädchen werden würde und beratschlagten, wie es dann wohl heißen solle. Doch Féalir saß dort am Rande und sagte nichts, und er lachte weniger als die anderen und beteiligte sich nicht, und niemanden wunderte es, denn er tat es immer so.Als der Sommer sich der Spitze seiner Reife neigte, da bedachte Béalir bei sich, ob er nicht schon jetzt mit seinem ganzen Haus den Weg zu den Klippen Anlagarons wagen sollte. Denn obwohl Murarg noch immer täglich seine feurigen Kreise zog und die Hitze an den schattenlosen und ungeschützten Gegenden des Meeres groß war, wollte er doch nicht so lang wie sonst immer auf den Winter warten, wenn Murarg erst seltener und dann gar nicht mehr zu sehen war. Denn er dachte bei sich, dass der ganze Zug des Hauses sehr viel langsamer werden würde, je größer das Kind im Bauche seiner Mutter. Doch konnte er auch nicht bis zur Geburt tief im Winter warten, wenn der Schnee so hoch liegen würde, dass ein Schritt vor die Höhle unmöglich wurde, und die Kälte so groß sein würde, dass das ganze Haus zu erfrieren drohte. So entschloss er sich, im späten Sommer schon durch die Lande am Moorwald vorbei zu den Felsenklippen Anlagarons zu ziehen. Denn er war stolz auf sein Haus, das den Blicken und dem Feuer Murargs entgehen zu vermochte.
Und so zogen sie los, als Féalir 19 Jahre alt war, um ihre Stätte des Winters aufzusuchen, noch bevor der Sommer sich dem Ende geneigt hatte. Und Béalir nahm Nahera an die Hand. So liefen sie kaum langsamer als sonst, doch gebot Béalir äußerste Vorsicht vor Murarg, weshalb sie längere Pausen einlegten und sich versteckten, wenn sie fürchteten, Murarg würde sich ihnen nähern. Und mehrmals hörten und sahen sie, wie der feurige Wurm über ihren Köpfen segelte und über den Kronen des Waldes drohte. Noch begegnete er ihnen nicht im Wald selbst, wo er zu jagen pflegte, wenn er eine Beute erspäht hatte, doch jagte Murarg zu der Zeit in jenem Teil des Landes, den das Haus Barathrondor zu durchqueren versuchte. Féalo, Muralir und Mahora trugen je einen Speer mit einer Eisenspitze bei sich, sowie es auch Béalir in der einen Hand tat, mit der anderen sein Weibe führend. Und Féalir, das Gebot seines Vaters missachtend, streifte nebst des Weges umher und behielt das Haus seiner Sippe im Auge (oder auch nicht), während er vor sich daherträumte. Hin und wieder, wenn er sich ganz allein erwog, begann er leise für sich zu singen. Denn er liebte es von großen Helden zu singen, auch wenn er selbst keiner war und er die Helden seines Hauses nicht leiden konnte, doch behauptete er für sich, es der Geschichten wegen zu tun, die er liebte. Schon als Kind hatte er gern den Geschichten seiner Mutter gelauscht und sann sie weiter, während seine Brüder und Schwestern schon schliefen.
Da nun Béalir sah, dass Féalir erneut den gemeinsamen Weg scheute, da wurde er besorgt und wütend zugleich, und wollte Féalo und Muralir schicken, Féalir zu bringen, sei es denn mit Gewalt. Doch Mahira erkannte ihres Vaters Sorge um Nahera und das Ungeborene, sowie den Zorn, der auf dem erneuten Übertretungen Féalirs ruhte und sprach: „Lass mich gehen, Vater, und ihn überreden, zu seinem Hause zurückzukehren, dann können Féalo und Muralir hier verweilen und mit ihrer Stärke und den Speeren für die Sicherheit des Ungeborenen sorgen." Da willigte Béalir ein und Mahira machte sich auf den Weg, ihren Bruder zu suchen.
Féalir unterdessen sang im Walde und sprang von einem Ast zum anderen, nachsinnend über dieses und jenes, da erschrak er. Eine Stimme hörte er, doch schien sie überall zu sein und von nirgends zu kommen. Und er war sich nicht sicher, ob sie nur in seinem Kopf war, denn sie war leise und zischend, doch ebenso tiefer, als alle Stimmen männlicher Stammesoberhäupter, die er je gehört hatte. Und sie sprach böswillig: „Wer bist du und was bringst du zu Tisch, der du singend durch die Wälder streifst?" Da wusste er, dass er selbst gemeint war. Rasch griff er zu dem Dolche an seiner Seite und verstummte, während er versuchte, nach allen Seiten gleichzeitig zu schauen. Da sah er einen Schatten über sich hinweggleiten und wusste, wer es war. Sogleich fing er zu rennen an, da bemerkte er auch schon, wie wenige Meter hinter ihm der Wald unter der Last eines Drachens splitternd zusammenbrach und er rannte umso schneller. Der Feuerwurm war geschwinder denn er es war, doch war Féalir wendiger und konnte dem Geäst ausweichen, während der Drache die Bäume umriss und mit den Füßen im Moor stecken blieb. Féalir wusste, dass er kein Feuer spucken würde, denn Murarg fraß seine Beute gern lebend, verkohlt nutze sie ihm nichts. Doch stets spürte er den feurigen Atem in seinem Nacken. Als das Haus Fealirs die Geräusche und Schatten vernahmen, da sprangen sie in das Gebüsch und versteckten sich. Nahera jedoch war langsam wegen dem Kinde in ihrem Leibe und Béalir half ihr. Féalir nun, als er sah, dass Mahira auf ihn zukam, um ihn zu suchen, rief, dass sie rennen sollten, und sie trennten ihre Wege und teilten sich auf, auf dass Murarg nur einen von ihnen verfolgen konnte, so wie sie es als Kinder schon geübt hatten. Murarg aber, noch überlegend, wem er folgen sollte, erspähte durch das Dikicht gerade vor sich Nahera und Béalir, die noch nicht im Unterholz verschwunden waren, und hielt geradewegs auf sie zu. Da Féalo dies sah und seine Mutter liebte, stand er schweren Herzens auf, trat zwischen seine Eltern und ging auf den Drachen zu und warf den Speer nach ihm. Murarg aber fing ihn auf mit dem Maul und hatte nun Féalo direkt vor sich stehen. Dieser opferte sich und lockte das Untier von seinem Hause weg und ward nie wieder gesehen. Rasch zog das Haus weiter im Verborgenen und entkam nach Anlagaron und war sicher. Als sie aber ankamen, da trauerten sie und weinten um Fêalo. Und Féalir war wieder verschwunden und saß nur schweigend am Meer, nachdenklich wegen seines Zwillingsbruders. Er verhärtete sein Herz und weinte nicht um Féalo, doch spürte er, wie ihm ein Teil seines Lebens nun fehlte. Und obwohl er im Herzen hart wurde, begann in ihm der Gedanke zu wachsen, dass er seinen Bruder kaum geliebt hatte. Jeder wusste, dass Féalir die Schuld trug, doch zeigte sein Vater Gnade und verurteilte ihn nicht, weil er das Band zu seinem Sohn nicht weiter schädigen wollte und weil Nahera lebendig davongekommen war, die er über alles liebte (und sie ihn dazu drängte).So wurde es Winter, Murarg legte sich zur Ruhe, und Nahera gebar ihr neuntes Kind. Und es war ein Mädchen und sie nannten es Nírya, da es unter so vielen Tränen geboren wurde. Als Féalir seine Schwester zum ersten Mal sah, da gewann er sie lieb. Getrieben von dem Gedanken, seinen Zwillingsbruder nicht geliebt zu haben und den Wunsch, ihn zu vergessen und zu verdrängen, sah er in Nírya die Chance, eine Schuld zu begleichen und die Liebe zu geben, die er so oft in sich verschlossen hatte. Wenn er auch aus vielem, was er liebte, einen Hehl machte, so verheimlichte er dies nicht und zeigte offenkundig seine Zuneigung und Fürsorge für Nírya. Da Nírya aufwuchs, wurde sie zu einem klugen Mädchen und nach ihrer Mutter war Féalir das erste, was sie liebhatte. Und unter den beiden erwuchs ein Band, das Féalir noch zu keinem anderen Menschen gehabt hatte. Féalir erzählte ihr Geschichten, denen sie gespannt lauschte, und immer wollte sie noch eine mehr hören. Jeden Tag spielte er mit Nírya und die meiste Zeit verbrachte er mit ihr.
Auch seinem Haus ward er nun mehr zugewandt. Er ging oft mit Mahira spazieren, die zu einer der schönsten Frauen des Landes wurde und man wunderte sich über ihre Weisheit. Er versöhnte sich mit seinem Vater und gehorchte ihm, übernahm zumeist, was ihm aufgetragen und machte kaum Schwierigkeiten. So zeigte er sogar Féador und Féadur, wie man jagt, und Féadur gewann er lieb und sie wurden nun auch Brüder im Geiste. Doch schwer fiel es ihm, seinen Bruder Muralir zu lieben, der von Zeit zu Zeit in den Rat der Menschen aufgenommen und zur Jagd auf Murarg abgesondert wurde. Auch konnte er es nicht ablegen, sich zu entziehen, und was er spürte, verschloss er zumeist in seinem Herzen und nur Mahira konnte es ihm manchmal entlocken. Sie war geduldig und verlangte nichts von ihm, auch wenn ihre Schwestern es verwunderte, wie sie derart mit ihm umgehen könne. Aber sie lächelte ihn an und hörte nicht auf, ihn zu suchen, so wie es sonst die meisten taten. Einmal aber, als sie an der Stelle vorbeikamen, wo Féalo sich für seine Mutter Nahera geopfert hatte, und sie die umgeknickten Bäume sahen, die nun schon überwuchert waren, sah Féalir das Sinnbild seines Herzens und brach in Tränen aus. Er sprach: „Sieh, diese Bäume sind gebrochen und ohne Leben, so wie es auch mein Herz seit jenem Tag ist, und ich meinte, neues Leben darüber wachsen lassen zu können. Doch wird dadurch alles, was darunter ist, nur faul." So weinte er bitterlich in Mahiras Armen und holte nach, was seine Familie vier Jahre zuvor getan hatte. Es war aber das erste Mal seit seiner frühen Kindheit, dass jemand seines Hauses ihn weinen sah.
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Der Fluch Féathrondors
FantasyFluch: "Die Verpflichtung, im Falle des Scheiterns die Konsequenzen zu tragen" Féalir kommt als erster Sohn des Hauses Barathrondor in die Welt, in der der Feuerwurm Murarg das Leben der Menschen schwer macht. Sein ganzes Leben befindert er sich auf...