Prolog

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Yorktown, 1781

Die britische Besatzung stand am Rande des Abgrunds. War dieser Kampf die letzte Möglichkeit, das Empire in Nordamerika zu halten, so entschwand diesem Kampf allmählich jedewede Hoffnung. Die Schüsse von Musketen übertönten die Sterbensschreie der Verwundeten. Der Geruch von Blut und Metall erfüllte die Luft dieses lauen Herbsttages, und Wolken aus Schießpulver nahmen die Sicht auf das Leid , welches das Schlachtfeld säumte. , , Achtung! Wir stehen unter Beschuss ", tönten die Worte aus dem Mund des jungen Leutnants.Doch die Warnung kam zu spät. Die ersten Schüsse der amerikanischen und französischen Musketen fraßen sich durch die einst roten Uniformen der Soldaten seiner Kompanie. Ein Aufschrei tönte aus der ersten Reihe.Er war unverständlich, war es doch zu viel zu laut, um irgendwas zu verstehen. Die Schlacht war aussichtslos, ein Rückzug die einzige vernünftige Option. Aber der Weg zurück zur Veste war nicht einfach. John Conolly, Leutnant der Ersten Brigade, stellte fest, welche Probleme diese Idee mit sich brachte :
- das Zurücklassen der Verwundeten
- keine Deckung
sowie
- das Abstellen einiger Soldaten, um den geordneten Rückzug zu ermöglichen.

Dies war keine leichte Entscheidung. Wer würde sich für solch ein Himmelfahrtskommando freiwillig melden? Dann war das Problem da, das es alle Soldaten seines Trupps zu informieren galt. Er war der Verantwortlichen und müsste sich vor dem Festungskommandanten rechtfertigen, sollte sein Trupp bei der Verteidigung der Stadt versagen. Doch weitere Überlegungen konnte er nicht tätigen. Wieder hörte er eine Warung und begab sich augenblicklich in Deckung.Das einzige, was sich dafür gerade anbot, war ein halb zerrissener Baumstamm, welcher ihm ungefähr bis zur Hüfte reichte. Geduckt rannte er zu dem Schutz, der ihm sein Leben retten sollte. Er hörte Schüsse, und nach jedem war er froh, dass er nicht getroffen war . Dies war ein Glück, das zu wenigen seiner Kompanie vergönnt war.Nach einer halben Ewigkeit, so schien ihm, hatte er sein Ziel erreicht. Hinter dem Stamm umfing ihn ein seltsames Gefühl der Sicherheit.Doch das konnte nicht sein, war er doch in einem der härtesten Gefechte seines Lebens.Der aufgewirbelte Staub machte das Sehen und Atmen schwer, und jeder Schritt war einer gewesen, der ihm den Tod hätte bringen können.Schwer atmend, nahm er einen Schluck aus seiner Feldflasche. Er genoss es, als das kühle Nass seine trockene Kehle hinab rann.Es verschaffte eine kleine Linderung, als es seine trockenen Lippen benetzte. Aber auch diese Erfrischung währte nur kurz.
,,Leer",kam es ihm in den Sinn.Ungläubig starrte er auf die Öffnung. Das schwarze Loch ließ keine Einblicke zu. So nahm er die Flasche und hielt diese kopfüber. Drei einzelne Tropfen verließen den Flaschenhals und versickerten im sandigen Untergrund.John ärgerte sich:,, Verdammt", entfuhr es ihm," gerade dann , wenn man es braucht!" Verärgert warf er das metallene Behältnis auf den Boden.Es waren seine letzten Reserven gewesen, und nun war er ohne Verpflegung. Aber den Ärger , so dachte er , konnte er sich auch für den Feind aufheben...

Jetzt galt es, sich einen Überblick zu verschaffen. Ein Rückzug konnte nur dann durchgeführt werden, wen noch irgendjemand da war, der sich zurückziehen konnte. Conolly wagte einen Blick um die linke Seite des Stammes. Auf einer Anhöhe hatten die britischen Scharfschützen ihre Stellung bezogen, wurden jedoch von den amerikanischen Kanonen aufgerieben. Die ersten Befestigung, Redouten, direkt vor der Stadt angelegt, waren von den Kolonisten längst überrannt worden. Britische Artillerie, schwere 24er, beharkten die amerikanischen Stellungen von der Zitadelle aus, die sich hoch über das Schlachtfeld erhob. Nach jedem Schuss- ihr Geräusch war unverkennbar- fühlte John trotzdem ein gewisses Gefühl der Sicherheit.

Der Leutnant sah einige Verwundete, manche schwerer verletzt, manche weniger.Der Geruch von frischem Gras vermengte sich mit dem von Innereien und der metallische Geschmack von Schwarzpulver legte sich auf seine Zunge. Die Schreie der Verletzten erfüllten das Schlachtfeld weiterhin. Wie viele Gefallene die imperiale Armee schon an diesem Tag zu verzeichnen hatte, war schwer zu sagen. John hatte viele Verwundete gesehen, jedoch kaum Tote. In diesem Moment zuckte er zusammen. Ein stechender Schmerz breitete sich in seiner Schulter aus. Er muss eine Kugel abbekommen haben, fühlte aber keinen dumpfen Schmerz. Das mochte heißen, dass es nur ein Streifschuss gewesen war. Vorsichtig tastete er an der Uniform, leicht unterhalb des Schulterpolsters. Eine warme Flüssigkeit lief seine Hand hinab, als er diese besah.Obwohl es kein direkter Treffer gewesen war, blutete die Wunde heftig. Um keinen zu hohen Blutverlust zu riskieren, musste die Blutung schnell versorgt werden. Doch Verbandsmaterial war gerade rar. Der einzige Weg war einfach, jedoch nicht sauber und konnte John im Ernstfall den Arm kosten. So machte er sich an dem Bajonett zu schaffen. Eine Kompresse konnte die Blutung lindern, jedoch nur vorübergehend. So überlegte er, wo er an seiner Uniform ein Stück Stoff rausschneiden konnte, ohne die Wunde durch Dreck zu verunreinigen. Die Arme waren von Pulverresten und Staub bedeckt, und der Stoff an Brust und Rücken war bereits von Schweiß durchtränkt. Viel Auswahl hatte er nicht.,, Hey du", hörte er jemanden schreien," runter mit dir!" Er schaute über seine linke Schulter, sah die Verletzung im Augenwinkel. Eine Gestalt trat aus dem Staubvorhang, mit erhobener Waffe...

,,Runter", kam es aus dem Mund des Blaurocks,"unten bleiben!",,Warum?", fragte John leicht erhobener Stimme.,,Sie stehen ab sofort unter der Gefangenschaft der Kontinentalarmee.Bei Widerstand sehe ich mich gezwungen, sie zu töten.",, Dann sehe ich mich nicht in der Lage zu verhandeln", antwortete der Leutnant.Dann setzte er eine Hand auf den Boden, um sich während des Aufstehens abzustützen.Der leicht feuchte Waldboden war rau, und einige dickere Holzstücke machten den Kontakt mit dem Boden unangenehm. Eines blieb in seinem Handballem stecken. Der Geruch von Wald, erdig und nass fand den Weg in seine Nase, blieb jedoch nur kurz, den das Töten um ihn herum ging weiter. Der Soldat reichte ihm die Hand.John war verwundert, war er doch der Blaurock derjenige, der ihn gefangen genommen hatte.,, Beweg dich," rief der Mann,"ich will hier in einem Stück raus."Der grimmige Ausdruck auf seinem Gesicht untermauerte diese Aussage. Auch er hatte in diesem Kampf schon etwas abbekommen. Eine blutige Augenbraue mochte ein Zeichen für einen für einen gewonnenen Kampf Mann gegen Mann sein, vielleicht hatte er diese aber auch etwas anderem zu verdanken. Doch stand John nun langsam auf und ließ sich durch die Worte nicht hetzen.Es war sowieso unwahrscheinlich, hier lebend und mit seiner Ehre rauszukommen. Eine Gefangenschaft würde sich nicht gut in seiner Karriere machen.Doch just in diesem Moment fuhr ein Ruck durch den Körper seines Peinigers. ,,Wo?", meinte er zu hören. Die Muskete des Blaurocks fiel zu Boden. Von dieser konnte Conolly den Blick für einige Sekunden nicht abwenden. Diese Waffe war mit ausreichend Dramatik als die Versicherung des Lebens diese Mannes zu sehen. Und so ging dieses zu Bruch. Das Geräusch, als der fallende Körper zu Boden ging, schien dem Leutnant als unbeschreiblich laut. Ein Röcheln war das Einzige, was er von dem Soldaten hören konnte.
Um nicht selbst zum Ziel zu werden, ließ er sich fallen. Langsam kroch er über den Waldboden.Dabei entfernte er sich den Fingerglied langen Holzsplitter aus dem Handballen, welcher leicht schräg eingedrungen war. Geblutet hatte es nicht, jedoch war der Schmerz unangenehm.,,Du...du da, komm r-rüber." Die Stimme war die des sterbenden Soldaten.Sie war rau, wahrscheinlich weil sich seine Lunge mit Blut füllte. Um eine solche Verwundung zu behandeln, hatte er die weder Kenntnisse noch das Material. Kriechend bewegte sich John auf den Körper zu. Das Geschrei um ihn herum, die Schüsse und das Blutvergießen nahm weiterhin seinen Lauf. Als John den Blaurock erreicht hatte, griff dieser nach seiner seiner Uniform und zog ihn zu sich.Der Stoff welcher noch auf seiner Schulterverletzung lag, drückte schmerzhaft.,,Warum tut ihr d-dass? Warum nehmt ihr uns das, was uns zusteht?" Das Zittern in der Stimme des Soldaten nahm zu.John setzte zu einer Antwort an:,, Wir alle haben Befehle. Ich führe meine aus, du deine." Es tat ihm weh, solch eine Antwort einem Sterbenden reinzuwürgen.Der Griff an der Uniform wurde schwächer: ,, A-aber wir sind doch Brüder.Warum,w-wieso wendet sich unsere Heimat gegen uns?",,Ihr wolltet uns nicht mehr," erwiderte Conolly,"ihr habt euch eure Freiheit genommen, wo es bereits welche gab.Dieser Krieg hätte vermieden werden können, hättet ihr euch mit dem zufrieden gegeben, was ihr hattet."Der Blick des Blaurocks war langsam am Brechen,wurde glasig.,,Kannst... kannst du mir noch eine letzten Gefallen t-tun, von Soldat zu Soldat?Bitte..."John war am Überlegen, weil er nicht wusste, was er tun sollte.,,Was willst du?", fragte er.,,B-bitte geh nach Lex...,"er hustete,Blut floß über seine Unterlippe,"nach Lexington, u-und sag meiner Frau, was ge-geschehen ist.Mein Sohn ist letzte Woche gefallen.S-Sie weiß es n-noch nicht.Eine letzte Nachricht...B-Bitte.Mary Williams..."Eine Träne lief dem Sterbenden über die Wange. Auch John spürte ein leichtes Brennen in den Augen.Er kannte das.Seine waren gestorben, als er elf war . Familie,Frau und Kinder hatte er nicht.Aber er konnte das Fühlen des Soldaten verstehen.,,Das werde ich",sagte er.,, Danke..."hauchte der Blaurock.Sein Blick brach, als sein Kopf zur Seite sackte. Der Griff an der Uniform erschlaffte, der Druck auf Wunde ließ nach. Sie musste bald versorgt werden, sonst wäre sie sein Todesurteil.,, Lieutenant, sind sie okay?"
Conolly erschrak...

Stählerne SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt