Kapitel 5: Die Festung aus Eisen und Stein

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,, Lasst sie nur kommen. Ein Angriff auf diesen heiligen Ort wäre Selbstmord. Sobald sie hier sind, werden sie in die Klingen von zehntausend Ordensschwertern rennen."- Admantius, Monarch des Wissens, über Festung Evelance

Westküste Englands, Dezember 1781

Langsam schritt John durch die Gänge von Evelance, der Festung des Ordens. Thomas hatte ihm die wichtigsten Sachen über diesen Ort genannt. Sie befand sich direkt an derKüste, um eine schnelle und sichere Verbindung zum Meer zu haben. Jeder Eingang wurde von drei Trupps bewacht, die aus mindestens fünfundzwanzig Mann bestanden.
Die Festung bestand seit zweitausend Jahren und war für die Ewigkeit errichtet. Auch das merkte John in den Gängen. Die Zeit hatte ihren Tribut gefordert, und auch die Handwerker des Ordens hatten die Gänge verziert. Nach obenhin rundeten sich die Gänge ab und waren breit genug, als dass ein ganzes Regiment ohne Probleme als Kolonne hätte marschieren können. Er schätzte die Breite des Ganges auf vierzig Schritt, sodass genauso gut eine Kavallerieeinheit nebeneinander hätten marschieren können. Der Gang bildete die Hauptschlagader der Festung, von der sich die Arterien als kleinere Gänge abzweigten. Auch die Länge des Ganges war enorm, Johns Schätzung waren ungefähr eineinhalb Meilen, und auch ein Pferd passierte bei Zeiten die Route, wenn es sich um etwas Eiliges handelte. Der Boden bestand grauem Gestein, und alle paar Meter waren Fackeln an den glatt geschliffenen steinernen Wänden angebracht. Auch über die Grüße hatte Thomas berichtet. In der Regel beherbergte die Festung dreitausend Mann plus Wachpersonal, alles in allem ungefähr dreitausendfünfhundert Personen. Wenn John sich recht entsinnte, war das ein Fünftel der britischen Truppen in den Kolonien. Zu dem Personal ergänzten sich fünfhundert Rosse, welche den Kavallerieeinheiten zugeteilt waren, sowie eintaudend Tiere Zuchtvieh, die die Besatzung auch ernähren sollten. Die Nahrungsversorgung war außerdem durch den Zugang zum Meer gesichert, was Frischwasser und Fischfang ermöglichte. Direkt auf Meeresspiegelhöhe war ein Zufluss gelegt, von wo aus das Wasser in eine Kammer geleitet wurde. Dort wurde das Wasser aus dem Becken geschöpft, erhitzt, und das Kondensat war reines Trinkwasser. Fünfzehntausend Liter konnten so täglich gewonnen werden.

Nachdem John seine Abzweigung gefunden schritt er an den Leuten vorbei, die ebenfalls auf dem Gang zugegen waren. Dieser Nebengang führte ihn zu den Schmieden, wo er mit dem Schmied über seine Ordensrüstung sprechen sollte. John war nun seit einer Woche in derFestung, stets in der Begleitung von Thomas, der ihn mit allen Eigenheiten der Festung vertraut machte. So hatte er bereits die Wachposten, den Hafen, die Kantine und die Waffenkammer kennen gelernt. Die Schmiede war neu für ihn. Als er in den Gang einbog, merkte er, dass es in diesem Teil der Festung weit weniger geschäftig zuging als im Rest der Festung. Der steinerne Boden war mit Holz ausgelegt, und auch Wände waren verkleidet, einzig die Decke war blank, und alle paar Meter hingen Schalen, welche das kalte Feuer beherbergten, welches John bereits auf den Schiffen gesehen hatte. Dieser Gang war jedoch mit rötlichem Feuer beschienen.Nach einigen Metern erreichte er einen großen Raum mit glatt geschliffenen Marmorwänden, welche die Decke in dreißig Fuß Höhe stützten. Gewaltige Apparaturen führten vom Boden bis hoch zur Decke, und riesige Essen und Hochöfen füllten die gewaltige Halle. Zu seiner Linken entdeckte er mehrere Reihen Rüstungsständer, die verschiedenste Panzerungen trugen. Direkt daneben standen hingen etliche Waffenhalterungen an der Wand, welche verschiedenst modifizierte Schusswaffen hielten. Die Mitte des Raums war gefüllt mit diversen Hämmern, Ambossen und sonstigen Wekzeugen. Zu seiner Rechten fand er mehrere Regale, welche sich bestimmt fünfzehn Fuß in die Höhe erstreckten. Mit seinen klar gegebenen Strukturen wirkte der Raum befremdlich, insbesondere im Vergleich zur Hauptader der Festung. Die weißen Wände waren beschienen von einem von der Decke hängenden Kronleuchter, welcher ein strahlendes weißes Feuer beherbergte. Das bronzene Metall der Hochöfen schimmerte im Licht der Flamme, und bei weiterer Betrachtung sah John einige Leute vor den Öfen hantieren. Im Schein der Flammen erkannte er ihre verschiedenen Staturen. Während der ganz links Stehende klein und stämmig war, war der Rechte das komplette Gegenteil. Er war groß und schmaler gebaut als seine Kollegen, trug jedoch auch schwerere Schmiedeausrüstung. Es schien, als trüge er eine eiserne Maske, die sein Gesicht vor der Hitze schütze, sowie eine schwere Schmiedeschürze. Der Mann neben ihm verzichtete auf die Maske, und auch war seine Ausrüstung war leichter. Die Ausrüstung der anderen jedoch war ähnlich, aber ihr Schutz vor dem Feuer war leichter.
Nachdem er sich den Schmieden genähert hatte, erkannte er auch, dass es sich um nur fünf Mann handelte. John verschränkte die Arme hinter dem Rücken und näherte sich dem Mann, der als Zweiter von links stand. ,,Verzeihung, Sir?", sprach er. Er war nicht sicherm, ob er den Hammer auf dem Schmiedeamboss übertönte, und so rief er nach einigen Augenblicken erneut. Blitzartig drehte sich der Mann um und hielt den Hammer nur wenige Zentimeter vor sein Gesicht. Mit einem großen Monokel vor seinem rechtenAuge musterte er John und betrachtete ihn von Kopf bis Fuß :,, Sie sind wer...?" John antwortete kurzund knapp: ,, John Conolly. Sergeant Garvellius schickt mich." Sein Gegenüber, ungefähr genauso groß wie er, griff sich an Kinn: ,,Garvellius...Garvellius...ja, ich weiß, wen Sie meinen. Hab ihn ewig nicht mehr gesehen. Richten sie ihm bitte meine besten Grüße aus.",,Das werde ich. Weshalb bin ich hier?" Der Mann drehte sich um und hob die Arme. ,,Kommen Sie, ich zeigs Ihnen..."

Am nächsten Tag führte Thomas ihn zum militärischen Kommando der Zweiten Legion. Es war unweit von seinem Quartier, und nach einem kurzen Gang stoppten die beiden vor einer Mauer. John war verwundert. ,,Ähm...Thomas...?" ,,Warte, warte...", sagte dieser, und hielt ihn mit der Hand zurück. John wartete. Und nach kurzer Zeit fuhr ein kleiner Ruck durch die graue Steinwand. Kleine Spalten zeichneten sich ab, und einen kleinen Augenblick schwenkte die Tür, die die Größe des Primarchen ausmachte, in den Raum zurück. Thomas schritt voran, John folgte nach. ,,Leise", flüsterte Thomas. In der Mitte des Raumes stand ein hölzerner Tisch, dessen Kanten mit dünnen Bronzeplättchen verkleidet waren. Um den Tisch standen einige Personen, neun Männer, sechs Frauen, wenn John sich nicht verzählte. Mehrere von ihnen diskutierten die Karten, welche auf dem Tisch lagen. Unter ihnen erkannte John den ihm bereits bekannten Kapitän Kane, welcher ihn aus Nordamerika nach Evelance gebracht hat. Aber der Kapitän bemerkte ihn nicht. Er war gerade in eine Unterhaltung mit der Frau neben ihm verstrickt. Erst als John sich weiter umsah, bemerkte er den Primarchen, welcher wie ein Schatten in einer der hinteren Ecken des rechteckigen Raumes verharrte. Auch wenn er nur Invictus' Gesicht erkannte, spürte er seine körperliche, vollkommene Präsenz im Raum. Als der Primarch seinen Blick erwiderte, trat er gemächlich aus dem Schatten hervor. Die Gespräche verstummten, und alle wandten ihren Blick dem Primarchen zu. ,,Nur zu," sprach der Primarch," lassen Sie sich von mir nicht stören. Weisen Sie nur bitte unseren neuen Rekruten in ihre Pläne ein. Captain Kane, Mr. Conolly untersteht ab sofort ihrer Kompanie, vorzugsweise dem Trupp von Sergeant Garvellius." Thomas schaute zu John, dieser nickte und erwiderte den Blick. Unterdessen wandten sich alle wieder ihrer Arbeit zu. Kane winkte John zu sich herüber, vermutlich, um die weitere Vorgehensweise zu besprechen.

,,John, Sie sind also noch hier," fing Kane an, "ich gebe zu, ich hatte meine Zweifel." Dann stützte er sich mit beiden Händen über eine Karte. John positionierte sich zu seiner Linken, Thomas zur Rechten. Kane schaute beide an, dann fuhr er fort. John erkannte auf der Karte das Gebiet der Ägäis, insbesondere die Insel Kreta. ,,Unser Problem ist folgendes: Wir haben vor drei Wochen zwei Trupps nach Kreta entsandt, da sich die Berichte über die Angriffe eines Ungeheuers gehäuft haben. Örtliche Berichte beschreiben das Monster als eine Art Stiermensch. Wir gehen davon aus, dass es sich um einen Minotaurus handelt." Er sah zu John: ,,Sie wissen, was ein Minotaurus ist?" John zuckte mit den Schutern.,,Leider nicht, Sir."Es hatte ihn, wenn er ehrlich war, auch bisher nicht wirklich gekümmert. ,,Gut. Thomas?", fragte er. Thomas schaute rüber.,, Nach einer alten griechischen Sage ging der kreterische König Minos einen Pakt mit Zeus ein, welcher ihm den Thron bescheren sollte. Als Gegenleistung sollte er Zeus das nächste Tier opfern, dass aus dem Meer entstieg. Dies war laut der Sage ein prächtiger Stier. Minos jedoch war gierig und opferte Zeus stattdessen ein anderes Tier."Er pausierte, um dann weiterzusprechen. ,, Zeus brachte Minos Frau daraufhin dazu, ein Kind mit dem Stier zu zeugen. Das Resultat war der Minotaurus. Wir glaubten, er sei vor Jahrhunderten verendet, aber das war anscheinend falsch."
,,Sie haben ihn gehört," sagte der Captain. ,,Wir haben, wie bereits erwähnt, zwei verschollene Trupps. Sie sind kein Teil Ihres Zuges, Sergeant, aber der Rest der Kompanie ist derzeit in Preußen und in Hessen unterwegs. Sie sind alles, was wir haben. Die Einheit von Corporal Jackson wird das übernehmen. Sind Sie einverstanden?" Thomas nickte. ,,Gut. Sie beide schauen vorher noch bei Ferdinand vorbei. Er hat etwas für Sie. Einen Gewehrprototyp. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll, aber bei dieser Gelegenheit können Sie die Waffe gleich erproben. Weitere Fragen?" John kamen soweit keine auf, Thomas hingegen fragte weiter. ,,Sie schicken ein Schiff, nur um fünf Mann auf Kreta abzusetzen?" Kane lachte auf. ,, Nein, wir verlegen das zweite Regiment an die Westküste des Schwarzen Meeres. Wir haben bestätigte Berichte über eine Vampirhorde in Rumänien." Thomas stutzte nicht schlecht. ,,Haben Sie schon eine Feindesstärke bestimmen können?" ,,Mehrere Dutzend. Die Verlegung erfolgt so schnell wie möglich. Unsere Berechnungen haben ergeben, dass sich ihre Zahl, falls wir nicht eingreifen, binnen eines Monats auf dreitausend erhöhen kann. Und dann brauchen wir wir eine mindestens drei Legionen. Prävention ist hier der Weg." John schaltete sich ein: ,,Entschuldigung, aber drei Legionen, wie viel Mann sind das?" ,,Thomas,"sagte Kane erneut," bitte.",,Drei Legionen, das sind viertausenfünfhundert Mann. Eine Legion, zumindest eine vollständige, besteht aus insgesamt fünfzehnhundert Mann in fünfzehn Kompanien. Drei Kompanien sind ein Regiment, und zwei Züge eine Kompanie.",,Verstehe...Captain, Sie sagten, die Verlegung sei eilig. Wann legen wir ab?"
,,Mit der Flut..."

Stählerne SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt