Mein Garten Eden 2

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Ich trete aus der Haustür und erhebe sogleich meinen Arm um dem Taxi zu signalisieren, dass ich einsteigen möchte. Das schrecklich teure Transportmittel hält und ich steige ein. Ich nenne mein Ziel und das Taxi fährt los. Der Taxifahrer fängt an sich mit mir zu unterhalten, er spricht über Verschiedenes. Ab und zu gebe ich zustimmende Geräusche von mir.
Ich betrachte mein Ebenbild im Autofenster. Mit meinem Zeigefinger gehe ich meine Konturen nach.
,,Welcher Mensch, das frage ich mich, bricht erst zum Abend hin zu einer Reise auf?" Ich schaue auf und lasse mir das gesagte durch den Kopf gehen. Nach fast einer halben Minute antworte ich. ,,Wie kommen Sie drauf, dass ich zu einer Reise aufbreche?" Der Taxifahrer schmunzelt, wodurch seine vielen Falten ziemlich zusammengedrückt werden.,,Ich fahre Sie zum Bahnhof." Muss nicht heißen, dass ich verreise, denke ich mir bissig.,, Ein Mensch der es vermeidet anderen Menschen zu begegnen."  Fragend dreht sich der karlköpfige Mann um, wobei er kurz zur Seite schwenkt und das Auto auf der Nebensprur fährt. ,,Bitte?" Fragt er.,,Die Antwort auf ihre Frage. " Sage ich. Ich lege meinen Kopf in den Nacken und lehne mich zurück. Meine Augen sind geschlossen, ich projiziere meine Gedanken auf die geschlossenen Lieder. Ich bilde Sätze, murmel vor mich hin. Ich reiße meine Augen auf und krame einen Bleistift aus meinem Koffer. In meiner linken Jackentasche ist ein zusammen geknülltes Blatt, ich falte es hektisch auseinander und schreibe das eben gedachte nieder. Meine Knie nutze ich als Tisch. Der Taxifahrer schaut in den Rückspiegel, aus den Augenwinkel kann ich sehen wie er verständnislos den Kopf schüttelt.,, Papierhaut." Murmel ich.,,Ein Kunstwerk, welches von Leben zeugt." Fahre ich fort.,,Muttermale, Narben, Sommersprossen...Akzente...Papierhaut."
,,Schriftsteller. " Spottet der Alte.,,Künstler." Erwidere Ich.,,Ich verstehe es mit Worten umzugehen. Sie mir zu eigen zu machen. Mit ihnen zu spielen und ihnen dennoch erlegen zu sein." Säusel ich beschwingt und tippe mit meinem Finger gegen das Fenster. ,,Künstler also. " Ich fühle mich verspottet, sage aber nichts mehr dazu. Es würde eh nichts nützen.
Versuchen Kleingeistern die Schönheit der Worte nahe zubringen, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Es ist als würde man versuchen einen Blinden zu sagen, dass er sich das Bild nur näher ansehen müsste, um zu verstehen was der Künstler sagen wollte. Idiotisch.
Der Grund warum ich zwischenmenschliche Interaktionen vermeide und ganz besonders Konversationen. Sie führen zu nichts, drum schweige ich. In Verschwiegenheit brachte ich die letzten Jahre zu. Nur selten wechselte ich ein Wort mit jemandem. Meine Pflanzen waren stets meine einzigen Gesprächspartner. Die und meine nette Nachbarin. Frau Siedel, eine nette Frau in ihren Vierzigern. Sie fühlt sich wohl als meine Mutter. Jedenfalls klingelt sie regelmäßig an meiner Tür und schaut ob ich noch atme. Von meinen Protest gegen die Fürsorge hielt sie nichts, und mein Argument, dass ich bereits 21 bin, verlachte sie nur.
Das Taxi hält. ,,Das ist der Moment wo Sie mich bezahlen und anschließend aussteigen. " Ich packe meinen Stift zurück in meinen altmodischen Reisekoffer, während ich das Blatt in eine Seitentasche des Anderen schiebe. Mein Portemonnaie zücke ich kurzerhand und ich schaue zum Alten.,,Wie viel bekommen Sie für Ihre mittelmäßigen Dienste? " Der Taxifahrer schnauft und nennt den Preis.,,80." Ich schüttel den Kopf.,,Sagen wir 60." Ich grinse verschlagen und gebe ihn den genannten Preis von 80. Erstaunt blickt er mich an. ,,Sie waren zwar unhöflich, aber immerhin haben Sie den direkten Weg zum Bahnhof genommen. " Ich verliere kein weiteres Wort und verlasse das Taxi. Mit den Koffern in meiner Hand suche ich den großen Bahnhof nach den richtigen Gleis ab. Es dauerte nicht lang, da stand ich bereits wartend am Gleis Sieben.,,Bitte zurück bleiben, der Zug fährt ein." Dröhnte es quer über den Bahnhof. Selbst die Leute auf Gleis 12 hatten diese nett gemeinte Vorwarnung laut und deutlich gehört. Genervt schauen sie sich in alle Richtungen um, nur um festzustellen, dass der Zug hier auf Gleis Sieben einfährt. Kurz nach der Einfahrt folgt eine weitere Ansage.,, Der Zug nach Liverpool, Gleis 12, verspätet sich um 20 Minuten. " Ich kann die Wartenden zwar nicht mehr sehen, da der Zug die Sicht versperrt, aber ich kann mir vorstellen wie sie nun schauen mussten.
Die Türen öffnen sich und ich betrete das Transportmittel, welches mich nach Eden bringen sollte. Ich hoffe inständig, dass dieses namenlose Dorf wirklich so himmlisch und idyllisch wie der Garten Eden ist. Wenn es nicht so sein sollte, wäre ich nicht enttäuscht.
Ich erwarte nicht das einen Sünder der Himmel offenbart wird, erst recht nicht wenn dieser Sünder ein zerstreuter Lebensverschwender ist, der die kostbaren Tage seines Lebens damit zubringt, unbiblische Schriften zu verfassen. Ich muss unwillkürlich in mich hinein lächeln. Ich glaube nicht an die Hölle, aber an das Paradies. Konträr, es stimmt.
Mein Empfinden ist düster genug, da darf ich doch wenigstens auf Erlösung nach dem Tode hoffen. Ich setze mich auf meinen reservierten Einzelplatz ans Fenster und stelle meine Koffer neben mich. Meine Hand gleitet durch meine zerzausten Haare. Garten Eden, ob ich diesen verwunschenen Ort in diesem Dorf finden werde? Werde ich mich dort vor meiner Melancholie verstecken können, oder wird sie mich dann erst recht einnehmen? Ich werde heimgesucht von einem Geist und muss als Toter unter Menschen leben. Eine sterbende Seele in einen lebenden Körper. Noch.
Ich merke es, ich bin wieder allein. So habe ich Zeit meinen Gedanken nachzuhängen. Ich spiele ein Spiel, welches mich zu Unausprechlichen verführen will. Ich summe das Lied, wieder dieses eine Lied. Ich kann das Orchester spielen hören. Der Dirigent dirigiert mich, flieg, sagt er. Flieg davon. Ich halte die Luft an und besinne mich, das Orchester verstummt.
Ich zücke Stift und Papier und schreibe. Das Schreiben lenkt mich ab. Das Blau auf dem Weiß ist beruhigend und vertraut. Wörter- Wellen überschwemmen die Realität. Das Unangenehme ertrinkt. Meine  Seele singt und mein Herz pumpt. Es pumpt Blut und Emotionen durch meinen Körper. Rot besudelt das Geschriebene gekleidet in Blau. Ich habe mir meine Lippe aufgebissen. Mal wieder, wohl bemerkt. Ich wische mir das Blut von den Lippen und verstaue das Schriftstück in meinen Koffer. Ich lehne mich zurück und schließe meine Augen. Schlaf wird mir die Zeit des Wartens verkürzen.
Und so gleite ich sanft in die Traumwelt hinüber.

A Rainy Afternoon ~ Oneshots Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt