Im Versteck

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Auszug aus der Gildenliste (Jahr des Pitars, dunkle Zeit):

Erste Gilde der Sklaverei: Vorstand durch das Zeichen Dalika, 414 Mitglieder
Zweite Gilde der Prostitution: Vorstand durch das Zeichen Anong, 690 Mitglieder
Dritte Gilde der Krautnutzung: Vorstand durch das Zeichen Ganja: 1004 Mitglieder
Vierte Gilde des Diebstahls: Vorstand durch das Zeichen Chi: 584 Mitglieder
Fünfte Gilde der Erpressung: Vorstand durch das Zeichen Kamon: 212 Mitglieder
Sechste Gilde der Kopfgeldjagd: Vorstand durch das Zeichen Sumire: 51 Mitglieder
Siebte Gilde des Schmuggels: Vorstand durch das Zeichen Niran: 598 Mitglieder

pahus (Gildenlose): 289

***

»Und dann hat Niran gesagt, er würde Musik in mir spüren.« Jayse drückte das verblasste Kissen gegen ihre Brust und kuschelte sich in ihre Ecke des Unterschlupfes.

Mit einem nachsichtigen Lächeln massierte Sari ihren Oberarm. »So, hat Niran das.«

»Hey, er hat mir gesagt, ich solle ihn Niran nennen. Überzogene Förmlichkeiten wären nicht sein Ding.«

Kopfschüttelnd leerte Sari ihren Beutel. Auf dem Markt hatte sie einen Teil der verdienten Münzen in frisches Obst investiert. Ein paar der gelben Hilves hatten Druckstellen und die Brotfrüchte schienen fast überreif, dennoch war es ein Festessen. »Du musst aber vorsichtig sein, Jayse.«

Ihre Schwester kroch zu ihr, schnappte sich eine Hilve und biss hinein. Saft lief aus ihren Mundwinkeln und tropfte auf die groben Holzdielen. »Ich pass schon auf, keine Sorge.« Dann kaute sie und verdrehte die Augen. »Das ist so gut!«

Mehr konnte sie wohl nicht erwarten. Die Hitze des Tages hatte sich unter dem Dach gesammelt und nachdem ihr Versteck im obersten Winkel des baufälligen Hauses lag, schwitzte Sari. »Wollen wir draußen essen?«

»Klar!« Jayse sprang auf und holte sich zwei weitere Früchte, bevor sie durch die kleine Luke nach draußen kletterte.

Als sich Sari herunter beugte, um ebenfalls etwas zu essen mitzunehmen, knackten ihre Gelenke.

»Du klingst wie eine alte Frau«, tönte Jayse von draußen.

Sari sparte sich eine Erwiderung und folgte ihrer Schwester. Es fiel ihr deutlich schwerer als Jayse, sich durch die enge Öffnung zu quetschen, aber schließlich gelang es ihr ebenfalls.

Die Sonnenschwestern waren beinahe vollständig hinter dem Meer verschwunden. Auf den unter ihnen liegenden Straßen stapften Sklaven entlang, um die Kerzen in den Laternen zu entzünden. Nach und nach erwachte O'Mani.

Jayse hatte sich auf dem Gerüst gemütlich gemacht und lehnte mit dem Rücken gegen das Schilfdach. Irgendjemand hatte dieses Haus einmal weiterbauen wollen. Doch seit sie vor drei Tooilos hier eingezogen waren, hatte niemand auch nur einen Handschlag getan. Immer noch bedeckte das Baugerüst die Seite des nur zur Hälfte fertig gestellten Gebäudes. Unten befand sich die von Dalikas Sklaven geführte Backstube, darüber eine Wohnung, in der ein alter Wächter wohnte. In den weiteren Stöcken fehlten Wände und so thronte das Gerippe, dass wohl einmal der Dachboden werden sollte, völlig abgeschieden hoch über der Nachbarschaft. Von hier konnte man sowohl die Hafenanlage und das Meer als auch die Plantagen sehen, auch wenn ihr der Aufstieg regelmäßig den Atem raubte.

Flüsternd erzählte ihr Jayse von ihrem Tag, den sie in Nirans Hallen verbracht hatte. Glücklicherweise wurde von Sari nicht mehr als ein vereinzeltes Nicken erwartet und so plätscherte Jayses Erzählung vor sich hin. Bei den ganzen verschiedenen Möglichkeiten von Musikinstrumenten, die ihre Schwester angeblich würde lernen können, drehte sich ihr schon bald der Kopf.

Die Legende - Eine Göttermeer GeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt