Auf wackeligen Beinen

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Hüte dich vor Makeas Zorn, denn in ihm wird etwas Neues geboren.

Majinesisches Sprichwort

***

»Schläfst du?«

Erschrocken richtete sich Sari auf und starrte direkt in die hellblauen Augen von Fürstin Sumire. »Nein?«

Dem kleinen Mädchen neben ihr entfuhr ein Kichern. Sari stieß sich von der Wand ab und trat einen Schritt nach vorne. Ihre Wangen fühlten sich warm an und obwohl sie das Adrenalin auf den Beinen hielt, würde sie nichts lieber tun als gleich wieder die Augen zu schließen.

»Wann hast du dich das letzte Mal ausgeruht?«, fragte die Fürstin.

»Ich weiß es nicht.«

»Und gegessen?«

Als Antwort darauf stieß ihr Magen ein Knurren aus.

Die Fürstin seufzte. »Manchmal ist Niran ein Staubhirn.«

Wieder einmal fehlten Sari die richtigen Worte. Sollte sie ihren Fürsten in Schutz nehmen? Dürfte sie einer Zeichnerin überhaupt widersprechen?

»Hol ihr einen Teller, Sabet«, murmelte Sumire. »Sie kann essen, während ich eine Antwort schreibe.«

Sofort hüpfte das Mädchen aus dem Raum heraus. Saris Finger suchten die Münze an ihrem Hals. Das Gewicht gab ihr die Kraft zu widersprechen. »Ich möchte keine Umstände machen, Herrin. Niran wies mich an, nach der Überbringung zu ihm zurückzukehren.«

Mit dem Pergament in der Hand sah die Zeichnerin zu ihr auf. Sie reichte Sari nur bis zur Schulter und trug ihr langes rotblondes Haar zu zwei Zöpfen geflochten. Doch die zierliche Gestalt konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie über sehnige Muskeln und eine dynamische Kraft verfügte. In jeder Bewegung der Zeichnerin lag Präzision und Eleganz. »Lass das meine Sorge sein, Mädchen.«

Hinter der Zeichnerin hing eine Abbildung an der vertäfelten Wand. Es war eine einfache Skizze, die eine rote Blume zeigte. »Was ist das?«

»Ein Auftrag. Jemand scheint die Sklaven aufwiegeln zu wollen und Dalika mag keine Unruhe. Aber du hast die Blume schon einmal gesehen, oder?«

Es gab keinen Grund zu lügen. »Ja. Auf einer Tür in den Quartieren.«

»Hast du jemanden gesehen?«

Sari schüttelte den Kopf.

»Würdest du es mir sagen, wenn es der Fall gewesen wäre?«

Ihre Stellung war zu instabil, als dass eine Pahu sie für jemanden außerhalb ihrer Familie riskieren würde. »Mai Hinai, Fürstin.«

»Eine kluge Antwort.« Sumire streckte ihre Hand aus und umfasste Saris Kinn. Die Finger verschoben ihr Gesicht erst in die eine, dann in die andere Richtung. »Irgendetwas an dir kommt mir bekannt vor.«

»Verzeiht Fürstin, aber ich wüsste nicht was.«

Sumire trat einen Schritt zurück, rollte das Pergament zusammen und trommelte damit sanft auf ihren eigenen Unterarm. »Doch doch. Ich vergesse nie ein Gesicht.«

Ihre Nasenflügel blähten sich, dann nickte sie.

»Ich kannte deine Mutter.« Ohne eine Antwort zu erwarten, fuhr die Fürstin fort. »Bian.«

Der vertraute Name zog an Sari. »Woher?«

Die Zeichnerin ließ sich in einen Sessel sinken und griff nach Pergament und Feder. »Sie war die beste Dschungelläuferin ihrer Zeit. Wann immer uns ein Auftrag ins Innere Majins geführt hat, habe ich sie angeheuert.«

Die Legende - Eine Göttermeer GeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt