Nachbesprechung

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Nimm zu einem Treffen unter Feinden immer einen Freund mit, der aufmerksamer ist als du selbst.

Majinesisches Sprichwort

Erst als sich der Raum geleert hatte und Lamduan durch die geöffnete Tür wieder zu ihnen trat, sanken Nirans Schultern herab. Mit hochgezogener Augenbraue blickte er zu seiner Wächterin.

»Was denkst du?«, fragte er schließlich.

»Das jetzt weder der richtige Ort noch die richtige Zeit ist, um die Ereignisse zu besprechen.«

Nirans Finger trommelten auf die Tischplatte. »Dieser Ort ist nicht nicht schlechter als jeder andere und was die Zeit angeht, sollten wir lieber früher als später unsere Eindrücke vergleichen.«

Lamduan nickte steif. »Wie du wünschst, mein Fürst.«

»Setz dich.«

Mit schmalen Augen starrte die Wächterin ihren Fürsten an, bewegte sich aber nicht.

»Na, mach schon.« Niran deutete auf den Platz zu seiner Linken, auf dem zuvor noch Dalika Platz genommen hatte. »Dann erzähl mir mal, was hast du gehört.«

»Wie kann sie etwas hören, wenn sie nicht mal hier war?«, flüsterte ihr Jayse zu. Leise, aber nicht leise genug.

Mit einem selbstzufriedenen Grinsen lehnte sich Niran zurück. »Weil sie die einzige ist, die einen Schlüssel zum Dachboden hat.«

Sari folgte Nirans Blick hinauf zu der vertäfelten Decke. An zwei Stellen waren Kerzenleuchter angebracht, deren Ketten von verschnörkelten tellergroßen Leisten umgeben waren. Ohne über ihre Dreistigkeit nachzudenken, ergriff Sari ungefragt das Wort. »Aber bedeutet das nicht, dass jederzeit fremde Ohren lauschen können?«

»Danke!« Mit ausgestreckter Hand deutete Lamduan in Saris Richtung und hob die Augenbrauen an.

»Lauscher gibt es überall.« Nirans Stimme wurde etwas lauter. »Nicht wahr, Onith?«

Ein Poltern ertönte, dann öffnete sich eine Essensluke und ein hagerer Mann lugte zu ihnen hinein. »Ihr wünscht etwas, mein Fürst?«

»Ja. Ein Teller Treibgut und keine Störungen.«

Der Hagere nickte und schloss die Luke. Ein Knirschen ertönte.

»Dieses Haus ist alt.« Niran lehnte sich in seinem Stuhl zurück und legte seine Füße auf die Tischplatte. »Hier finden sich noch spuren von echter Magie. Aber Lamduan glaubt nicht dran.«

»Weil es dafür keinen Beweis gibt, nur Oniths Wort.«

»Nichtsdestotrotz ist es wahr. Ich kann es fühlen.«

Ergeben, aber ihrem steifen Gesichtsausdruck nach nicht überzeugt, nickte Lamduan.

»Nachdem der Raum nun versiegelt ist, erzähl mir, was du gesehen hast.«

Erneut neigte Lamduan ihren Kopf. »Die Fürsten waren von der Insel überrascht. Es wirkte nicht so, als ob jemand aus unseren Reihen für ihr auftauchen verantwortlich ist.«

Ein Klopfen ertönte, gefolgt von einem Zischen. Die Luke öffnete sich und ein Teller mit verschiedenen Fischstücken wurde über den Tresen geschoben. Eilig trat Sari nach vorne, griff wahllos nach einem Stück und probierte es. Verschieden Gewürze entfallteten einen scharfen und zum Teil bitteren Geschmack, der ihren Hals reizte und sie husten ließ. Auch wenn man über den Geschack diskutieren konnte, giftig schien das Essen nicht zu sein. Als Sari sich zu ihrem Fürsten umdrehte, ertönte erneut das Zischen der Verriegelung.

»Chi plant etwas. Er hat mehrfach Blickkontakt mit Dalika aufgenommen, was sie mit einem unauffälligen Nicken bestätigt hat.«

Sari stellte den Teller vor Niran auf den Tisch und er machte sich sofort über das Essen her. »Das ist interessant. Also Chi und Dalika. Vermutest du noch jemanden? Chi legt sich selten nur auf einen Weg fest.«

»Anong.«

Leise stieß Niran einen Pfiff aus. »Sklaverei, Diebstahl und Prostitution. Eine unangenehme Mischung.«

Bevor er weitersprechen konnte, vernahm Sari das Zischen der Versiegelung. Bevor sie etwas sagen konnte, flog auch schon die Tür auf und Jemaidis humpelte herein. »Es gibt ein Problem mit den Schiffen.«

Niran schob seinen leeren Teller zur Seite und wischte sich mit einem Ärmel über das Gesicht. »Stimmt etwas nicht mit den Pflanzen?«

»Davon weiß ich nichts.« Ihre Mundwinkel sanken nach unten, während sie die Nase rümpfte, als läge der Duft nach verrottetem Fisch in der Luft. Merkwürdig, da zumindest Nirans Mahlzeit viel besser gerochen hatte, als sie schmeckte. »Der Na'holi ist zurück.«

Niran sprang auf und fuhr sich mit den Händen durch die schwarzen Haare. »Er ist kein Problem, sondern ein Verbündeter.«

»Aber...«, begann Jemaidis, doch der Fürst eilte schon an ihr vorbei, dicht gefolgt von Lamduan.

Sari blinzelte. Sollte sie noch etwas tun? Doch Jayse packte sie an der Hand und zog sie hinter dem Fürsten her. »Beeile dich, sonst verpasst du noch was.«

»Aber-«

»Mai Hinai!«, flötete Jayse.

»Ich hasse es, wenn du das tust.« Niran verließ die Schenke, sah sich um und hielt schließlich direkt auf eines der Schiffe zu.

»Was denn?«, flüsterte ihre Schwester.

Sie schlossen auf und Sari beschränkte ihre Antwort auf ein Kopfschütteln. Wie sollte sie Jayse auch verständlich machen, dass diese spontanen Aktionen nur selten zu etwas gutem führen konnten. Es wäre wesentlich sinnvoller, sich eine gute Position zu erarbeiten anstatt weiterhin dem Fürsten hinterherzulaufen und darauf zu hoffen, dass die Göttin Makea nicht ihren Kopf forderte. Majin war keine Insel für Glückskinder.

Beim näherkommen hielt Sari ihren Blick stehts auf die Schiffe gerichtet.

Der Na'holi saß auf einem Fass und schaute mit einem selbstzufriedenen Gesichtsausdruck zu Niran. »Fürst!« Sein breites Lächeln verriet ein hohes Maß an Zuneigung, aber im Ergebnis gaben sich beide Männer Mühe, unpersönlich zu wirken.

»Willkommen zurück, mein Freund. Bringst du gute Nachrichten?«

»Ich schon.« Paschuks Lächeln verblasste etwas, als er über seine Schulter zu den anderen Schiffen sah. Doch dann straffte sich seine Schultern und er sprang vom Faß herunter. »Der ganze Laderaum ist voll. Genau, wie du es wolltest.«

Niran rieb seine Hände, dann drehte er sich um. »Du, Keiki.« Mit dem Finger zeigte er auf Sari. »Du weißt ja, wo das Gewächshaus ist. Fang schonmal an mit dem Ausladen.«

»Siehst du, eine weitere glückliche Fügung«, raunte Jayse und sie musste tief durchatmen, damit sie nicht ausversehen etwas derbes erwiderte.

»Und du, kleine Keiki«, begann Niran. Auf Saris Lippen zeigte sich ein kleines, schadenfrohes Lächeln. »Geh ein bisschen Musik üben. Heute abend kannst du uns ein neues Lied vorstellen.«

Jayse verbeugte sich lächelnd und ignorierte Saris Blick. »Mai Hinai«, erklärte sie fröhlich, bevor sie den Hafen in Richtung Unterkunft verließ.

Nachdem Sari einen Becher aus poliertem Holz samt passendem Teller vor Niran aufgestellt hat, warf er ihr ein schwaches Lächeln zu und fing langsam an zu essen.

Die Legende - Eine Göttermeer GeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt