~ 27~

40 13 10
                                    

‚Bist du bescheuert?! Was tust du da?!', verklang in seinem Kopf, während er beobachtete, wie Ellas gerötetes Gesicht schlagartig käseweiß wurde.

Anschließend verschloss es sich und der Unglauben in ihrem Blick wurde vertrieben. Der fiebrige Glanz darin verflüchtigte sich ebenfalls und er schluckte hart, weil sich nur Sekundenbruchteile später Ausdruckslosigkeit auf ihren Gesichtszügen manifestierte. Wie viel die aussagen konnte, schoss ihm durch den Kopf und beeilte sich, sich aufzurichten und sie in seine Arme zu ziehen.

Ella reagierte nicht darauf, saß nur wie ein begossener Pudel weiterhin auf ihrem Schoß und starrte einen Krater in die Luft neben seinem Kopf. Einzig ihre zitternde Hand, die das Kondom hielt, zeigte ihm den Aufruhr, der in ihr wütete. Ironischerweise war sie inmitten ihren Körpern gefangen, ruhte bei jedem rechts neben dem Herzen und durchschnitt praktisch die Diagonale zwischen ihnen. Die andere Hand, mit der sie versucht hatte, die Folierung aufzureißen, war nutzlos gen Matratze gefallen, als er sie gestoppt hatte. Da baumelte sie nun untätig, wie ein Mahnmal oder ein unerfülltes Versprechen, während Ella wirkte, wie in Stein gemeißelt.

„Sunny, ich erklär es dir. Gleich. Gib mir eine Sekunde, mich zu sortieren", bat er kaum hörbar und hoffte auf eine Reaktion.

Die nicht kam. Das beunruhigte ihn, weil sie nicht mal enttäuscht wirkte oder sauer. Ihr Blick flackerte jetzt und machte deutlich, dass sie gar nicht richtig da war. Zumindest sah es aus, als hielte er nur Ellas bebende, vor unterdrückten Emotionen vibrierende, Hülle in seinen Armen. Er wusste nicht wieso, aber er war sich sicher, dass sie gerade alles Negative aus ihrem Bewusstsein drängte und deswegen so unbeteiligt schien. Er musste ihr die Erklärung liefern, damit das Negative verflog. Bezog sie es auf sich?

„Ella, hör zu. Nein, schau mich an und hör dann zu, ok?", murmelte er und legte, als Ella sich nicht regte, einen Finger unter ihr Kinn.

Erleichtert bemerkte er, dass ihr Blick seinen suchte, doch das Gemisch an Gefühlen, die er in ihrem Braun ausmachen konnte, schnürte ihm kurz die Luft ab. In ihr herrschte offenbar gerade Krieg und sie versuchte, ihn in Schach zu halten. Dabei hatte er sie vor dem bewahren wollen, dachte er bedauernd und zog sie noch näher an seinen Körper, in der Hoffnung, sie würde es zulassen, dagegen zu sacken.

Doch sie bewegte sich nicht. Also hauchte er einen Kuss in ihr wirres Haar, das noch die Spuren ihrer geteilten Leidenschaft zur Schau trug, und lehnte seine Stirn gegen ihre. Aufs Neue bemerkte er, wie sich ihre Augen flirrend in seine bohrten und suchte nach den Worten, die er brauchte. Was nicht so einfach war, denn auch in ihm sprachen zwei Seelen.

„Ella, ich musste das stoppen. Ich ... Du hast gesagt, du bist drauf und dran, dich in mich zu verlieben. ICH bin schon verliebt in dich. Oh, nein, nicht noch mehr Angst...", unterbrach er sich, als diese wie eine Neonleuchtreklame in ihrem Blick aufleuchtete.

Woraufhin sie den Blickkontakt abbrach. Das lief nicht so, wie es laufen sollte, verdammt! Er sollte ihr weiterhin diese Töne entlocken, die ihre Leidenschaft verrieten, und in ihm ein Echo fanden! War es auch falsch, sollte er den Fehler begehen! Mühsam brachte er seinen Groll auf sich unter Kontrolle und besänftigte sich damit, dass es wichtig war, noch zu warten. Extrem wichtig, obwohl er nicht geahnt hatte, was er damit auslöste.

„Ella", lenkte er ihre Aufmerksamkeit wieder auf sich und merkte, wie sein Herz einen Schlag verpasste, als sie sich ihm zuwandte.

„Hör zu, ok? Als wir damals ausgetestet haben, ob der Wagen zu uns passt, da ... da hast du dich zurückgezogen. Ich glaube, ich weiß jetzt, warum. Ich denke, da bin ich in einer Schublade gelandet, in die du mich unterbewusst geschoben hast. Zu den Typen aus deiner Jugend. Oh, augenblicklich blitzt mich Schmerz an ... Ich hab schon kapiert, dass du diesen Teil deines Lebens nicht so gerne magst."

Erneut wich Ella seinem Blick aus, doch er hatte ihre Aufmerksamkeit sofort wieder, als er die Hand an ihre Wange legte und sachte mit seinem Daumen darüber strich. „Ich mach dir keinen Vorwurf daraus, ok? Aber ich gehöre nicht zu denen, die kein wirkliches Interesse an dir hatten. Genauso wenig wie du in die Kategorie der Frauen gehörst, die Sex ohne Beziehung tatsächlich wollen. Du magst ihn für den Moment genießen, aber er befriedigt dich nicht in deinen Grundbedürfnissen. Nicht nachhaltig, nicht so, wie es sein sollte."

Er bemerkte, wie sie trocken schluckte, bevor sie dann innen in ihre Wange zu beißen schien und fügte an: „Du hättest dich nie in einen dieser Typen verlieben können, Ella. Denn sie waren nicht an dir interessiert, sondern an Sex. Sie haben dich als Möglichkeit gesehen, ihren Trieb zu befriedigen, nicht dich als Person. Darum hätten sie gar keine Chance auf dein Herz gehabt. Aber ich werde diese Chance nicht verspielen, verstehst du? Deswegen habe ich die Kehrtwendung gemacht. Ich will dich. Nicht nur Sex mit dir."

Sein Puls fing wieder an zu rasen, als er spürte, dass die Starre von Ella abfiel und sie ihm nochmal tief in die Augen sah, ehe sie ihren Kopf an seiner Schulter bettete. Augenblicklich fiel eine Gerölllawine von seiner Brust und er atmete den Geruch ein, den ihr Haar verströmte.

„Ich weiß weiterhin nicht, wie ich das nennen soll, wonach deine Haare riechen. Ist jetzt auch nicht wichtig. Was ich sagen will, ist: Es gibt keine Probefahrt mehr, Ella. Wenn wir irgendwann miteinander schlafen, dann erst, wenn wir beide einen Kaufvertrag in der Hand haben. Ok, Leasingvertrag reicht auch. Aber der muss es sein. Ich hoffe echt, der kommt zustande. Nicht nur, weil ich Sex mit dir haben möchte, sondern weil ich möchte, dass du zu meinem Leben zählst", flüsterte er und schloss die Augen.

„Brennnessel."

Er riss die Augenlider auf und lehnte sich gerade so weit zurück, um Ella ins Gesicht sehen zu können, als er bemerkte, dass ihr Blick nicht mehr flackerte und sie ihn fixierte. Sie schaute ihn ernst an und er schluckte, ehe er reflexartig nickte.

„Brennnessel, also."

„Ja, es macht das Haar dicker. Vor meinen Kindern waren das nicht so Flusen. Ich bin nicht sonderlich eitel, aber meine Haare mochte ich immer. Es hilft, dass es in der Wurzel wieder gestärkt wird, ohne Chemie reinzuhauen."

Er musste einfach grinsen, weil sie ihm das so erklärte, und dabei spürte er, dass sie damit versuchte, ihre Reaktion auf sein Stopp wiedergutzumachen. Was für ihn schon fast vergessen war. Er war nur froh, dass sie ihn wieder fixierte und nicht weiter da verweilte, wohin seine Äußerung sie wohl gebracht hatte.

„Dann weiß ich ja, was ich benutzen muss, wenn ich irgendwann eine Glatze bekomme", neckte er sie und bekam wieder schwitzige Hände, als ein kaum wahrnehmbares Lächeln auf ihre Gesichtszüge flog.

„Unwahrscheinlich, dass du eine bekommst. Dafür hast du zu volles Haar." Er zuckte mit den Schultern und bemerkte, wie sie wieder ernst wurde. „Tut mir leid. Die Szene gerade. Ich hab dich erschreckt. Dein Herz rast immer noch. Du hast eine Erklärung verdient..."

„Schon ok. Das musst du nicht. Offenbar hab ich dich auch erschreckt. Wir sind quitt."

„Nein. Nach der Erklärung sind wir vielleicht quitt. Aber dafür brauch ich erst einen Eimer Kaffee. Nachdem ich geduscht und mich gesammelt habe. Ist das ok? Außerdem muss ich langsam pinkeln."

Sofort musste er wieder grinsen. Sie war echt einzigartig. Er lockerte seinen Griff und gab seine Zustimmung. Als Ella endgültig von seinem Schoß rutschte, drückte sie ihm kurz einen Kuss auf die Lippen und wisperte ein Danke. Dann kramte sie nach frischen Klamotten und verließ den Raum, während er noch den Kopf schüttelte. Sein Blick blieb an dem Kondom hängen, das ihn nun von der Matratze aus anzustarren schien. Das war schon heftig gewesen, gestand er sich ein und rieb sich übers Gesicht. Er war gespannt, was Ella zu sagen hatte.

*****************************


Rainbow Sky - Wo die Sonne den Regen küsstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt