11. Chris - gleich zwei

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„Alles in Ordnung?"

Erschrocken fuhr ich herum. Ein Mann, einer der beiden Besitzer wie ich feststellte, stand im Eingang des Cafés und musterte mich nachdenklich. Da hatte ich doch tatsächlich so geistesabwesend Finn nachgeschaut, das ich gar nicht bemerkt hatte, wann er hinter mich getreten war und ob er etwas von unserer Unterhaltung mitbekommen hatte.

So lange hatte mein Blick auf seinem Rücken geruht, bis er völlig in der Dunkelheit verschwunden war. Es fühlte sich beschissen an. Eigentlich war ich ja davon ausgegangen, dass es sich bei der Idee, ihn abblitzen zu lassen, um eine Gute handelte, aber statt darüber glücklich zu sein, hatte ich das Gefühl lauter Steine im Bauch zu haben. Die bei jeder Bewegung klapperten und mich an meine Dummheit erinnerten. Also nein, es war gar nichts in Ordnung. Überhaupt nicht.

„Klar!", log ich dennoch unberührt und zuckte mit den Schultern. Der für mich immer noch fremde Mann hatte bestimmt kein Interesse daran, mir bei meinen Problemen zuzuhören.

„Ja, so siehst du auch aus!", stellte er fest, legte den Kopf schief und öffnete die angrenzende Tür. Also nicht die zum Café, sondern die zu der Anwaltskanzlei. „Was hältst du von einem Whiskey? Nach dem ganzen Besuch könnte ich einen vertragen und alleine trinkt es sich nicht so schön."

Ich zögerte. Eigentlich sollte ich nach Hause, aber dann fiel mir ein, dass ich ja gar kein zu Hause mehr hatte. Nur ein unpersönliches Hotelzimmer, in dem ich regelrecht aus dem Koffer lebte.

Also hatte ich die Wahl, allein auf dem Bett herumzusitzen und mein Leben und mich selbst zu bedauern, oder noch etwas Zeit mit diesem mir fast Fremden totschlagen.

„Okay ...", erwiderte ich nach dieser kurzen Überlegung gedehnt, „Warum auch nicht!" Alleine Trübsal blasen konnte ich später noch genug. Darum stieg ich die wenigen Stufen erneut hoch und betrat eine Art Foyer, in dem ein Empfangstresen und eine kleine Sitzecke standen. Doch Alex, seinen Namen hatte ich auf dem Türblatt blitzen gesehen, trat an mir vorbei und direkt auf eine verschlossene Tür zu. Auch diese öffnete er und ließ mir erneut den Vortritt.

Nun schienen wir uns in seinem Büro zu befinden. Der Raum war elegant in Schwarz/Weiß angerichtet. Nur einige wenige dunkelrote Streifen an der Wand setzten farbige Akzente. Man fühlte sich nicht fehl am Platz, wenn man diesen Raum betrat.

Alex schloss die Tür und steuerte einen alten Globus an und ich musste grinsen. Welch ein Klassiker. Er öffnete ihn und tatsächlich waren darin einige verschiedene Karaffen mit dunklen Flüssigkeiten.

„Magst du es weich oder eher herber im Abgang? Rauchig? Süß?", riss er mich aus meiner Betrachtung. Erneut zuckte ich nur mit den Schultern. Ich trank kaum was und bei Whiskey kannte ich mich schon gar nicht aus. Sollte ruhig er entscheiden.

„Na gut ...", antwortete er geistesabwesend und goss in zwei schwere Kristallgläser jeweils zwei Fingerbreit von der goldenen Flüssigkeit ein. Trat auf mich zu und überreichte mir eins der Gläser. „Prost.", verkündete er und ich kam mir langsam selbst etwas dumm vor. Der Arme musste die ganze Unterhaltung, wenn man das hier überhaupt so nennen durfte, alleine bestreiten, weil ich meinen Mund nicht auf bekam. Aber irgendwie hatte ich die Befürchtung, sollte ich tatsächlich anfangen zu reden, würde erstens das Falsche rauskommen und zweitens würde ich wohl nicht mehr aufhören können. Beides sollte eigentlich nicht passieren.

„Spuck es schon aus!" Wieder zuckte ich zusammen, weil mich seine Stimme aus den Gedanken gerissen hatte. Obwohl ich witzigerweise über ihn nachgedacht hatte, hatte ich irgendwie dennoch vergessen, dass er da stand und mich beobachtete. „Ich seh dir doch an, dass dich etwas beschäftigt. Außerdem muss ich dir beichten, dass ich den Schluss eurer kleinen Auseinandersetzung mitbekommen hatte, weil ich mich da schon auf den Weg in mein Büro gemacht hatte.", klärte er mich im ruhigen Ton auf. „Und auch wenn es mich wohl nichts angeht, schaut es für mich so aus, als würdest du gerade einen Fehler machen.", beendete er endlich seinen Monolog und nippte an seinem Glas.

Mr. Unverschämt (Mr. 3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt