i like to take the risk/Kou

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Seit ich in dieser Stadt lebte, hatte ich vor, meine Träume zu verwirklichen. Doch mir war sehr schnell bewusst geworden, dass dies nicht so einfach werden würde, wie ich gehofft hatte. Aber wenigstens hatte ich jetzt eine Arbeitsstelle gefunden, von der aus ich etwas Geld würde zurücklegen können. Jetzt stand ich beinahe ehrfurchtsvoll vor dem riesigen Gebäude, dessen Fensterfront in der Sonne glänzte, dass es mich blendete, wenn ich direkt hinsah. Hier würde ich also arbeiten. Mir war klar, dass es für mich nur wenig glamourös werden würde, auch wenn es in diesem Gebäude vor allem Theateragenturen und Musikproduktionen mit Bühnen, Studios und sogar eine eigene Konzerthalle gab. Aber ich war ohnehin nicht fürs Rampenlicht geboren und hatte nie etwas in dieser Art angestrebt. Nein, mein Traum war ein ganz anderer. Aber bis ich den würde erfüllen können, würde es noch eine Weile dauern. Zumal ich nebenbei ja auch noch den Schulabschluss machen musste.
Dass dieses von außen so schöne, glänzende Gebäude für mich kein Garant für Freude war, wurde zur Gewissheit, nachdem ich die ersten zwei Minuten mit meinem neuen Chef geredet hatte. Er war ein eingebildeter Macho, der die besten Jahre hinter sich hatte, aber sich einbildete, er wäre immer noch fantastisch gutaussehend. (Wobei ich ernsthaft bezweifelte, dass er das je getan hatte.) Alles hatte nach seiner Pfeife zu tanzen und ein Widerwort oder gar Kritik akzeptierte er von niemandem. Ich hätte am liebsten sofort das Handtuch geschmissen, aber das kam nicht in Frage. Ich brauchte diesen Job. Für jemanden, der noch zur Schule ging, war es nicht so einfach, eine Arbeit zu finden, bei der einigermaßen gut gezahlt wurde.
So herablassend und streng er zu uns Angestellten war, so heuchlerisch und aufgesetzt zuvorkommend war er zu den Sängern und Schauspielern, die hier ein uns ausgingen. Dabei hatte ich mehr als einmal gehört, wie er hinter ihrem Rücken über sie gelästert hatte.

Ich hatte mich schnell eingearbeitet. Soll heißen, ich wischte und schrubbte Böden, half dabei, Kabel zu verlegen und wechselte Glühbirnen aus, hin und wieder machte ich kleine Besorgung für die Promis, die durch ihre Starallüren besondere Ansprüche stellten. Ihnen selbst begegnete ich allerdings selten. Ich sah den ein oder anderen von ihnen höchstens zufällig und von Weitem. Zum Glück war ich kein Fangirl. Es war zwar ein seltsames Gefühl durch die gleichen Flure wie die Promis zu gehen, aber ich verspürte nicht das Bedürfnis ein Autogrammheft zu zücken oder gar kreischend in Ohnmacht zu fallen, wenn ich einen von ihnen sah. An diesem Arbeitsplatz, außerhalb vom Blickfeld der Kameras, war ich so gut wie unsichtbar. Man nahm mich nicht wahr. Leider galt das nicht für meinen Chef. Ihm fiel alles auf, was man machte. Jeder noch so winzige Fehler wurde sofort übertrieben heftig kritisiert und an diesem Abend war er mal wieder ganz in seinem Element.
«Ich habe dir doch ganz deutlich gesagt, die Kabel gehören in den dafür vorgesehenen Kasten», motzte er. Dann verwarf er theatralisch die Hände. «Ach, es ist so schwierig, heutzutage gute Angestellte zu finden!» Was für ein klischeehafter Spruch. Und ich dachte nur: Mein Gott, du bist kein Star, nicht mal eine lokale Berühmtheit, du bist nur ein eingebildeter Musikagent. Aber was solls. Ich werde ja nicht lange hier arbeiten.
Genervt ging ich zum Schrank in dem die Kabelrollen waren und verstaute sie so, wie seine Hoheit von Chef es sich wünschte. An diesem Abend hatte ein Idol einen Auftritt, der live im Fernsehen übertragen wurde und wahrscheinlich war der Chef deshalb noch aufgetakelter als sonst. Ich verbrachte die nächsten Stunden damit, zusammen mit zwei anderen Mitarbeiterinnen die Bühne und dann die Räume und Flure um sie herum auf Hochglanz zu polieren. Vom Auftritt selber bekamen wir nichts mit, wir mussten uns von der Bühne und den Stars und Promis immer fernhalten, je berühmter sie waren, desto wichtiger war das. So war ich dann, Stunden später als der Auftritt vorüber war und die Scheinwerfer ausgegangen waren, damit beschäftigt bei spärlicherem Licht die letzten Requisiten zu verstauen. Ich war müde und wollte nur noch Hause. Ich konnte förmlich hören, wie mein Bett nach mir rief. Wenigstens war Wochenende und ich musste am nächsten Morgen nicht früh aufstehen und zur Schule gehen. Müde hob ich eine schwere Kiste hoch um sie zu verstauen, als ich hinter mir ein Geräusch hörte. Ich zuckte vor Schreck zusammen und lies die Kiste fallen, die mir prompt auf die Füße fiel. «Aua!», schrie ich auf, allerdings mehr vor Schreck als vor Schmerz.
«Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken. Aber ich habe hier noch etwas liegenlassen», sagte eine Stimme hinter mir. Es war kein anderer Angestellter und zum Glück auch nicht mein Chef. Nein, hinter mir stand ein gutaussehender blonder Junge mit wunderschönen blauen Augen, wobei das rechte Auge von einer Haarsträhne bedeckt war. Ich wusste natürlich, wer er war. Kou Mukami. Viele Mädchen auf meiner Schule standen total auf ihn. Ich hatte ihn einige Male im Fernsehen gesehen (wenn ich gerade nicht arbeitete) und er war wirklich gut, fand ich.
«Schon gut...», sagte ich. Er lächelte freundlich. Das erste ehrliche Lächeln, das ich seit Wochen gesehen hatte. «Warte, ich helfe dir», sagte er. Er nahm die Kiste und stellte sie, scheinbar ohne viel Mühe, in den Schrank auf das Regal.
«Danke», sagte ich und wusste nicht, warum ich plötzlich so wortkarg war. Einem Idol auf einem Meter Abstand gegenüber zu stehen, und dann auch noch von ihm angesprochen zu werden, war vielleicht doch ein bisschen was anderes als sie nur Weitem zu sehen. Als Kind war ich schüchtern gewesen, hatte das aber mittlerweile abgelegt. In seltenen Momenten allerdings kam diese alte Schüchternheit wieder hervor und jetzt war wohl gerade so ein Moment.
«Du solltest dich um deinen Fuß kümmern, ich glaube, blutet», sagte Kou.
Meine Zehen scherzten tatsächlich ziemlich fies und ich hatte auch das Gefühl, dass sich meine Socke etwas feucht anfühlte. Aber wie konnte er das wissen? Wahrscheinlich vermutete er das, weil die Kante der Kiste genau auf den Zehen meines rechten Fußes gelandet war. Ich brachte ein Lächeln zustande. «Mach ich gleich. Es ist sicher nicht so schlimm.»
«Na dann, auf Wiedersehen, war nett, dich getroffen zu haben. Man sieht sich», sagte er, lächelte wieder und verlies die leere Bühne. Ich war mich sicher, dass ich ihn nie wieder sehen würde.

diabolik lovers x reader||OneShotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt