Heute war der Tag, an dem meine Träume endlich in Erfüllung gingen. Wir, meine Mom, mein kleiner Bruder und ich, hatten es endlich nach Australien geschafft. Seit über drei Jahren hatte ich mir diese verfluchte Reise zu jedem erdenklichen Weihnachten, Geburtstag und zu jedem weiteren Anlass, an den es Geschenke gibt, gewünscht. Und nun war es soweit. Wir standen zu dritt im australischen Hauptflughafen.
Die klimatischen Veränderungen waren bereits zu spüren. Die warme, leicht stickige Flughafenluft kitzelte meine Nase und hüllte mich ein. Timo, die kleine Nervensäge, die niemals aufhörte, jegliche Kleinigkeiten zu kommentieren, zappelte nervös neben mir herum. Und natürlich blieb ihm nichts anderes übrig, als mit dem Finger herumzuzeigen und zu nörgeln.
"Boah, hier ist es mir viel zu heiß. Können wir nicht wieder nachhause? In Basel war es so schön kalt. ich ersticke ja fast in diesem Ofen von Flughafen".
Mein kleiner Bruder war zwar erst 12, jedoch nahm er selten, oder bessergesagt niemals ein Blatt vor den Mund. Eigentlich hatte Timo nicht mit nach Australien kommen wollen, doch da in der Schweiz gerade Winterferien waren und sich sein Erzeuger was-weiß-ich-wo herumtrieb, blieb ihm nichts anderes übrig, als seinen kleinen Hintern mit seinem kleinen Koffer in das Flugzeug zu schwingen und mit uns mitzukommen.
Ich bückte mich leicht zu ihm herunter und sagte: "Timo beruhig dich, okay? Wir müssen nur noch schnell auf unsere Koffer warten, dann sind wir aus diesem "Ofen" raus". Dabei unterstrich ich das Wort Ofen mit kleinen Anführungsstrichen in der Luft.
"Ich will hier aber nicht warten". Timo stampfte wie ein trotziges Kind mit dem Fuß auf und ballte seine Hände zu Fäusten. Ich gab ihm einen kleinen Schubs, flüsterte, "dauert nicht mehr lange, hoff ich" und drehte mich zu meiner Mutter. Sie sah die Szene belustigt einige Meter von uns entfernt an.
"Mom, hör bitte auf so zu grinsen. Das ist nicht lustig, er macht mich fertig". Anklagend sah ich die braunhaarige Frau an die langsam vor mir zum Stillstand kam. ""Ach komm schon Spätzchen, du machst das toll." Eine Sekunde verging. "Hier Trink einen Schluck", sagte sie während sie mir die Trinkflasche, die sie vorhin in einem überteuerten Kiosk gekauft hatte, hinhielt. Dankend nahm ich den gefüllten Behälter entgegen und führte ihn an meinen Mund. Gierig nahm ich einige große Schlucke. Ich spürte wie mir das kühle Nass die Kehle herunter floss und meinen Durst stillte. "Danke", gab ich leise zurück und reichte ihr die Plastikflasche, die nun halb leer war.
Mit diesem Dankeschön bedankte ich mich nicht nur für die Flüssigkeit, sondern auch für die Reise hier her. Es war nicht selbstverständlich, das eine alleinerziehende Mutter ihrer Tochter zum 18. Geburtstag eine Reise nach f*cking Australien schenkte. Ich wollte mir gar nicht erst ausmalen, wie viele Extraschichten sie dafür im Krankenhaus hatte schieben müssen. Ich grinste sie glücklich an und umarmte sie kurz. Gerade wollte ich Timo fragen, ob er seine Stimme verschluckt hatte, oder warum er sonst so still geworden war. Ich drehte mich um und musste feststellen, dass die kleine Nervensäge von Bruder nicht mehr an ihrem Platz neben mir stand. Und auch um mich herum in einem 10 Meter umkreis war kein blonder Schopf mit einem Spidermankäppi zu sehen. Keine rot-schwarze Kleidung und kein lautes rumgenörgle, mein Bruder war verschwunden. Hecktisch sah ich mich um.
"Mom, ich glaube Timo ist verschwunden.." Würde ich das meiner Mutter sagen, würde sie in blanke Panik verfallen, ich kannte sie. Ich wollte ihr nicht noch mehr zumuten, als sie eh schon um die Ohren hatte. Stattdessen sagte ich: "Mom, könntest du uns vielleicht noch ein Paar Snacks holen? Timo und ich sind am verhungern".
Meine Mutter nickte, packte ihre Tasche und gab mir zu verstehen, dass wir uns hier treffen würden. Kaum hatte sie sich umgedreht, begab ich mich hektisch auf die Suche nach meinem Bruder. Ich rannte durch die Gepäckstation des riesigen Flughafens und versuchte so gut wie möglich jede noch so verwinkelte Ecke abzudecken. Die Lautsprecher gingen mit einer melodischen Tonabfolge an. Jedoch war ich zu beschäftigt um genau zuzuhören. Irgendwas mit: Ankommen, Verspätung und Gepäck wurde undeutlich in das Mikrofon genuschelt. Ich schüttelte den Kopf. Um die vermutlich verlängerte Wartezeit würde ich mich später aufregen. Wo bist du nur? Mittlerweile hatte ich den Platz durchquert und war am anderen Ende der Halle angekommen. Ich befand mich jetzt in der Nähe des Eingangs, von dort würden früher oder später neue Passagiere kommen. Ich drehte mich mit dem Rücken zur Tür und observierte die Halle.
DU LIEST GERADE
Ich sehe Dich
RomanceFerien, ein vermeintliches Arschloch das dir am Flughafen begegnet und ein Typ der das komplette Gegenteil ist. Du siehst sie einmal und nie wieder. Doch wie heißt es so schön? Die Wege des Schicksals sind unergründlich. Durch einen Zufall triffst d...