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Vorsichtig drückte Jessica die Türklinke der Bürotür mit dem Ellenbogen herunter und versuchte dabei, nichts vom Inhalt der beiden mit heißem Kaffee gefüllten Plastikbecher zu verschütten. Erstaunlicherweise gelang es ihr sogar.

„Da sind Sie ja endlich! Ich dachte schon daran, eine Vermisstenanzeige aufzugeben", begrüßte Plattenberg sie ohne aufzublicken, während er in dem Bericht der Rechtsmedizin blätterte.

„Da hätten Sie ja gar nicht weit laufen müssen." Schließlich waren sie beim KK 11 neben Tötungsdelikten auch für Vermisstenfälle zuständig. Und was sollte dieser unterschwellige Vorwurf? Man durfte sich doch wohl kurz mal die Beine vertreten, nachdem sie den ganzen Tag mit Recherchearbeit an ihrem PC verbracht hatte! Zumal er viel häufiger derjenige war, der verschwand, ohne dass jemand wusste, wohin. Obwohl die meisten, darunter auch Jessica selbst, sich eher freuten, wenn er weg war und niemandem auf den Geist ging.

Sie stellte einen der dampfenden Becher auf seinen Tisch.

„Ich dachte, Sie wollen vielleicht auch einen."

Anstatt sich für diese nette Geste zu bedanken, nahm er den Becher, warf einen prüfenden Blick hinein und verzog dann angeekelt das Gesicht.

„Woher haben Sie das? Aus der Kläranlage?"

„Nee, eigentlich aus dem neuen Automaten unten."

„Na, das ist ja kein allzu großer Unterschied."

Mit diesen Worten ließ er den vollen Becher einfach in den Papierkorb neben seinem Tisch fallen, sodass sich die braune Flüssigkeit über dessen Inhalt ergoss.

„Da wird sich die Putzfrau aber freuen", bemerkte Jessica trocken und setzte sich hinter ihren Schreibtisch. Man durfte es anscheinend gar nicht erst versuchen, freundlich zu diesem Mann zu sein.

„Die Putzfrau freut sich wohl eher jedes Mal, dass sie Ihren Schreibtisch nicht aufräumen muss. Der sieht ja schlimmer aus, als das Zimmer eines Teenagers."

Das sollte wohl eine Anspielung auf das Chaos auf Jessicas Tisch sein. Aber es war ihr Chaos und ging ihn nichts an.

„Ach, nehmen Sie da Ihr eigenes früheres Zimmer als Vergleich, oder was?"

„Mein Zimmer sah ganz bestimmt nicht aus, wie eine Müllhalde. Ich habe andere Vergleichsobjekte dafür."

Was das wohl für Vergleichsobjekte waren? Jessica erinnerte sich, dass er mal in einem Nebensatz seine Exfrau erwähnt hatte, aber nicht, ob es auch gemeinsame Kinder gab. Womöglich ja doch? Natürlich könnte sie ihn direkt fragen, aber das traute sie sich nicht. Kinder konnten ein heikles Thema sein, besonders, wenn jemand geschieden war. Also ließ sie es lieber bleiben.

„Ich habe mittlerweile über Hubners Kontakte nachgeforscht", wechselte sie das Thema. „Darunter auch Florentine Frost und Dennis Schmidtmann."

„Ach, sieh mal einer an, so fleißig waren Sie! Wo soll ich Ihnen die Eins mit Sternchen eintragen?"

„Ihre Sprüche waren auch mal besser", erwiderte Jessica nur. Am liebsten hätte sie irgendetwas nach ihm geworfen. Irgendetwas Schweres.

„Um die Qualität meiner Sprüche brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen, liebste Frau Schillert. Was haben Sie denn so herausgefunden?"

„Dennis Schmidtmann ist der Sohn von Jörg Schmidtmann, einem berühmten Wirtschaftsanwalt hier in der Stadt. Seine Kanzlei hat einige große Unternehmen aus Münster und Umgebung als Mandanten."

„Aha, die Münsteraner High Society also. Warum schickt der seinen Sohn nicht auf irgendeine Privatuni und lässt ihn mit Normalsterblichen an einer staatlichen studieren?"

Im Namen der GerechtigkeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt