Kapitel 1 »semper idem«

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Always the same thing


Alles begann mit einem Frosch. Nun, mit meinem Frosch. Mein Frosch, er heißt Spring, ist ein Wunder, müsst ihr wissen.

Er lebt schon seit ich denken kann. Also, lange ist das nicht, ich bin erst 15, aber es übersteigt seiner Lebensdauer auf jeden Fall weit.

Und jetzt wird es spannend: Er ist äußerlich kein bisschen gealtert. Wir waren schon bei mehreren Tierärzten, doch niemand konnte sich das erklären. Ich meine, 15 Jahre im Leben eines Frosches sind ungefähr 120 Menschenjahre! So alt zu werden ist nicht gerade häufig.

Vielleicht sollte ich langsam zum Punkt kommen, damit ich endlich das spannende Zeug erzählen kann. Vorher muss ich euch nämlich einen klitzekleinen Einblick in mein nicht gerade spannendes Leben geben, fürs Verständnis und so.

Ich war ein ziemlich normaler Teenager. Ich ging zur Schule, schrieb durchschnittliche Noten, schwänzte zwischendurch (musste dann aber mit Stress von meinen nervigen Eltern rechnen) und spielte Videospiele.

Ganz akzeptables Teenagerleben würde man sagen. Kein Stress, kaum Streit oder Drama... es passierte auch einfach nichts. Es war jeden Tag das Selbe.

Hast du oft langweile? Ich langweilte mich so gut wie immer. Alles was mich von meiner Langweile abgelenkt hat waren meine Gitarre, mein Skateboard und natürlich Spring. Aber auch das nur kurzfristig, lange konzentrieren konnte ich mich nämlich auch nicht. Meine Eltern haben mich sogar gezwungen deshalb in Therapie zu gehen und so.... Die haben mich da mit einer Form von ADHS diagnostiziert und das wohl an Konzentrationsschwierigkeiten und Hyperaktivität und so festgemacht. So genau hab ich nicht zugehört.

Aber sie alle würden nicht glauben woran es wirklich lag. Wie denn auch? Würdest du mir glauben, wenn ich dir sage dass der Grund für meine Langeweile und Hyperaktivität in Magie und Übernatürlichem lag? Ich hätte es auch nicht getan, nicht bis zu dem Tag. Dem 29. Februar, der Tag, der alle vier Jahre die Zeit überlistet und sich heimlich in unsere Kalender stiehlt.

Lasst mich euch erzählen was sich an diesem Tag zugetragen hat.


Der 29. Februar

Ich wusste vom ersten Augenblick an, dass an diesem Tag etwas nicht stimmte. Zuallererst weckte mich Springs aufgeregtes Quaken schon um Fünf Uhr, dabei schläft er normalerweise noch, wenn ich um Sieben aufstehe. Außerdem stand mein Fenster weit offen, obwohl ich es am Abend zuvor definitiv geschlossen hatte. Dabei gewitterte es auch noch stark, dabei war es Hochsommer und die Sonne quälte uns schon seit Tagen mit endloser Hitze.

Am auffälligsten war die Atmosphäre, anstatt meiner sonstigen Launen und wirren Gedanken war ich ruhig. Fast wie in einer Ruhe vor dem Sturm. Ich fühlte intuitiv, heute würde etwas passieren, heute würde mich die Langeweile nicht quälen.

In der Schule in Philosophie starteten wir ein neues Thema: Die Zeit. Ich dachte mir damals nicht viel dabei und als der Lehrer fragte, was wir unter Zeit verstehen, antwortete ich: »Sekunden, Minuten, irgendwann Stunden, Tage, Monate und Jahre, die in unserem Leben nutzlos vorüberziehen und uns mitschleifen, ohne dass wir etwas dagegen tun könnten.«

Der Lehrer bedachte mich mit einem langen, nachdenklichen Blick, während meine Mitschüler nur lachten und obwohl er immer betonte, dass es in Philosophie kein richtig oder falsch gäbe, fühlte ich mich als hätte ich etwas falsches, vielleicht auch dummes gesagt.

Hätte ich nur gewusst wie nützlich, wichtig und sogar aufregend Zeit sein kann... Aber das ist ja, was ich ziemlich bald lernen sollte. Deshalb erzähle ich euch das alles; damit ihr nicht die gleichen Fehler macht wie ich.

Ich rede die ganze Zeit davon was ich euch erzählen will und was sich an jenem Tag zugetragen hat und trotzdem wisst ihr es immer noch nicht! Lasst uns einfach den Rest des Schultages überspringen, er ist nicht relevant für das, was ihr wissen müsst und mach dich auf eine lange, aufregende Geschichte gefasst, ja?

Jetzt wird es endlich interessant.


Gleicher Tag, 14 Uhr

Tick, tack. Tick, tack.

Ich lag auf meinem Bett und lauschte dem stetigen Schlagen der Uhr. Es erinnerte mich an das, was ich in Philosophie gesagt hatte.

Frustriert und genervt seufzte ich in mein Kissen als etwas das Tick-tack der Uhr störte. Spring quakte laut und anklagend. Erschrocken sprang ich auf, als es mich traf wie ein Stein: Ich hatte ihn heute noch gar nicht gefüttert!

Doch als ich vor Springs Terrarium stand, aus dem mein süßer, kleiner, grüner, bester Freund mich mit großen Augen anstarrte, war das Futter plötzlich vergessen. Spring saß auf etwas, das nicht in sein Terrarium gehörte. Es war ein kleiner, in Gold eingefasster und silber schimmernder Spiegel, der in etwa so groß war wie mein Handteller. Irgendetwas an dem Spiegel fesselte mich so sehr, dass ich kurz vergaß wo ich war. Ich zog mir hastig Handschuhe über, um Spring nicht zu verletzen und holte ihn und den Spiegel aus dem Terrarium.

Mit Spring in der einen und dem Spiegel in der anderen Hand schaute ich mir den Spiegel genauer an und blickte hinein. Er zeigte mir nicht was hinter mir war, stattdessen nur Weiß, doch mein schmales, ein wenig blasses Gesicht mit den dunklen, großen Augen, umrahmt von hellbraunen Haaren mit rot gefärbten Spitzen, konnte man klar erkennen.

Nur... und jetzt kommt der Magieteil... hatte mein Spiegelbild Leopardenohren und wenn man genau hinschaute, wirkte es als wäre meine Pupille oval und spitz zulaufend und... waren das etwa Schnurrhaare? Wie unnatürlich Spitz waren denn bitte meine Eckzähne plötzlich?

Voller Verwirrung tastete ich mir an den Kopf, konnte aber keine Ohren fühlen und auch meine Zähne waren sich so wie immer.

Von meiner komischen Spiegelung ausgehend drehte ich den Spiegel ein wenig seitlich in Richtung Fenster und genau in diesem Moment kam die Sonne wieder hervor. Ein Lichtstrahl reflektierte sich am Spiegel direkt in mein Auge und als es mein Auge traf meinte ich zu sehen, wie es sich in all die Farben des Regenbogens auflöste, bevor alle anderen Lichtstrahlen seinem Beispiel folgten und mein Zimmer in einem kurzen Moment in strahlendes rot, orange, gelb, grün und violett getaucht war. Dieser kurze Moment fühlte sich an wie eine Ewigkeit und ich verlor mich sofort darin. Es war das schönste, was ich in meinem ganzen, bisher so tristen Leben gesehen hatte. Bevor ich mich versah Verschwanden die Farben wieder und ließen mich in einer gähnenden, weißen Leere zurück.

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