Kapitel 3 "Capax infiniti"

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Holding infinity

Aurora trug ihr langes und gewelltes Haar offen und es legte sich sanft um ihr spitzes Gesicht und rahmte es ein wie das Gemälde eines Sonnenuntergangs. In ihren Augen spiegelte sich jeder einzelne Grünton, den man in dem von ihr behüteten Garten entdecken konnte und sie trug ein weißes Korsettkleid mit scheinbar unendlich vielen Bändern, Mustern und Verzierungen welches ihren Porzellanteint gut zur Geltung brachte. Das Eindrucksvollste an ihr waren jedoch ihre spitzen, länglichen Ohren sowie ihre filigranen, durchsichtigen und in allen erdenklichen Farben schillernden Flügel. Aurora war eine Elfe inmitten von winzigen Feen in einem über Nacht aufgetauchten Paradies- Könnte glatt aus einem Disneyfilm entsprungen sein.

"Also?", begann sie, während sie uns offen und herzlich anlächelte, "Seid ihr freundlich gesinnt oder müssen wir euch vertreiben?" Beim letzten Wort bleckten die Kolibrifeen bedrohlich ihre unglaublich spitzen Zähne zu einem gefährlichen Grinsen, was mich sofort erschrocken zurückschrecken ließ, doch Spring, die immer noch gesessen hatte, sprang lachend auf und zog Aurora in eine herzliche Umarmung, aus welcher sich diese nach wenigen Sekunden verdutzt wieder löste.

Sofort begann Spring zu plappern. "Das hier ist dein Garten? Ich liebe ihn, er ist so wunderschön! Und so tolle Pflanzen... Die Sonnenblumen, wie hast du sie so unglaublich groß gezüchtet? Sonnenblumen mag ich am Liebsten. Aber echt, wie du das alles in einer Nacht geschafft hast, das musst du mir verraten. Magie vielleicht? Oder wie lange haben wir geschlafen?"

Deutlicher könnte Aurora die Überforderung nicht ins Gesicht geschrieben sein und doch antwortete sie langsam, zwar und mit gerunzelter Stirn, aber sachlich und vor allem total nett. "Uh, Sonnenblumen mögen meinen Elfenstaub besonders, er hilft ihnen beim Wachsen. Aber was zur Mutter Natur meinst du mit einer Nacht? Der Garten existiert seit Anbeginn meiner Erinnerung. Wenn es euch wirklich so sehr interessiert, kann ich euch gerne alles zeigen."

Irgendetwas an dem eben gesagten verwirrte mich, wie ein noch zu lösendes Rätsel oder unfertiges Puzzle und auch Spring hob irritiert eine Augenbraue, doch schnell lenkte Aurora uns ab, indem sie begann uns durch ihre kleine Welt zu führen und dabei vor allem mit Spring über alle möglichen Pflanzen und ihre Bedürfnisse sowie Lebensbedingungen zu reden. Beide waren sichtlich in ihrem Element und schon nach kurzer Zeit wirkte es, als würden sie sich schon länger kennen.

Ich war froh dass wir Aurora gefunden hatten, doch die Ereignisse überschlugen sich und ich wollte eine Erklärung, außerdem begann Springs und Auroras Gespräch über Heilpflanzen und ihre Wirkungen uninteressant zu werden und so blieb ich stehen und stellte ernst meine erste Frage.
"Aurora, wo sind wir hier?", wollte ich wissen, "oder besser, warum sind wir hier?" Auch Spring blickte Aurora sichtlich neugierig an, welche etwas überrumpelt ebenfalls stehenblieb und die Stirn runzelte, nachdenkend, bevor sie antwortete:
"Ihr steht hier in meinem geliebten Garten der schlafenden Umarmungen. Aufgrund des Sees der immer wiederkehrenden Koi befindet sich hier der Beginn und das Ende von Allem, außerdem kann man hier die violette Wunschblume der Antwort um Rat ersuchen." listete sie mit vor Stolz funkelnden Augen auf, auch wenn ich dank ihrer äußerst rätselhaften Ausdrücke nur Bahnhof verstand, doch sie fuhr fort, bevor ich sie bitten konnte, verständlicher zu reden.
"Ich weiß nicht, warum ihr hier seid, normalerweise suchen meinen Garten nur Verletzte und Verirrte auf, und solche, die dringend nach einer Antwort suchen und diese sind sich stets ihrer Frage bewusst." Sie untermalte ihr Unwissen mit einem hilflosen Schulterzucken, wobei sie beinahe das Gleichgewicht verlor, sich jedoch im letzten Moment an Spring abstützen konnte, jedoch nicht ohne ein verlegenes Lächeln.

"Das alles hilft uns nur leider nicht." brummte ich enttäuscht, bevor Spring beschwichtigend das Wort ergriff. "Nun ja, theoretisch suchen wir doch nach Antworten, nicht Shade?" "Das stimmt." fügte ich hinzu, und Auroras Augen leuchteten vor Eifer auf. "Da kann ich euch helfen!", rief sie erfreut aus. "Erst zum nächsten Sonnenuntergang zwar, aber ich bin sicher, bis dahin könnt ihr euch noch gedulden."

Gebannt warteten ich und Spring auf eine nähere Erklärung, zu der Aurora auch gleich ansetzte.
"Ich hatte doch den See der immer wiederkehrenden Koi erwähnt. Der See ist zur Hälfte in einer Hälfte in einer Höhle verborgen, die andere liegt im Freien. Ein Wasserfall trennt die beiden Hälften, und zwar ein Wasserfall aus Glas. Zwei sich liebende Koi schwimmen in gegensätzliche Richtungen ein Unendlichkeitszeichen in dem See. Sie treffen sich nur einmal am Tag für kurze Dauer und zwar wenn sie beide gleichzeitig die Mitte des Zeichens erreichen, jeden Tag bei Sonnenuntergang. Sie stellen das absolute Gleichgewicht zwischen Liebe und Vernunft dar, denn sollten sie jemals aufhören, dem Muster der Unendlichkeit zu folgen, zerfällt unsere gesamte Welt, genau wie sie entstanden ist, als die Koi damit begonnen haben."

"Deshalb ist hier der Beginn und das Ende von Allem...", wisperte Spring fasziniert, während ich die Enttäuschung darüber, dass und das nicht das kleinste Bisschen weiterhalf, zu verbergen versuchte, doch Aurora begann bereits wieder zu berichten.

"In der Höhle hinter dem gläsernen Wasserfall befindet sich die violette Wunschblume der Antwort. Man kann sie alles fragen und sie wird dem Suchenden Antwort geben, ist also genau, was ihr sucht. Jedoch kann man aufgrund des Glaswasserfalls ihre Höhle normalerweise nicht betreten... Außer bei Sonnenuntergang, denn wenn sich die Koi bei  Abendröte unter dem Fall begegnen, schmilzt das Glas zu Tränen derer Liebe, wird also zu Wasser, durch das man hindurchgehen kann, um zur Höhle und damit zur Blume zu gelangen, bis die Sonne endgültig untergegangen ist und die Koi sich für einen weiteren Tag trennen."

"Warum bleibt man dann nicht einfach in der Höhle, bis die Sonne wieder untergeht und fragt die Wunschblume in der Zeit alles mögliche?" fragte ich und fühlte mich ein wenig schlau, weil mir die Idee gekommen war. Aurora blickte mich lange an bevor sie zu einer Antwort ansetzte und in ihrem Blick schienen Missbilligung, Vorsicht und gar ein wenig Verärgerung zu liegen. 

"Die Wunschblume hat nicht unendlich Antworten, Shade. Ihre Blüten brauchen lange Zeit um nachzuwachsen und ist sie einmal blütenlos, stirbt sie endgültig...
Und eine Antwort kostet sie eine Blüte. Außerdem kann sie dir deine Antwort nur geben, wenn das letzte Sonnenlicht sie trifft, dort zu bleiben ist also sinnlos.", erklärte sie, und ich schnaubte genervt.

Nach dem jetzigen Stand der Sonne schien Sonnenuntergang noch ein paar Stunden entfernt zu sein, doch ich hatte, um ehrlich zu sein, keine Lust mehr mir solange anzuhören, was die Elfe zu sagen hat bevor ich endlich meine verdammten Antworten bekam, wie:
Warum war ich hier? Wo zum Teufel ist "hier"? Wie kam ich nach Hause?

Aber wollte ich denn überhaupt nach Hause? Wo es hier so viel spannender war? Spring schien meine Ungeduld zu bemerken und ließ mich all diese Bedenken binnen Sekunden vergessen, indem sie mich an meinem Arm zu diversen Pflanzen, Tieren oder Bäumen zum Klettern und Toben zog und schnell hatte ihre Begeisterung mich angesteckt und ich vergaß die Stunden bis zur Gewissheit zu zählen.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Nov 28, 2022 ⏰

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