1. Türchen

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"Weihnachten," knurrte ich und watete durch den gräulichen, mit Schmutz durchzogenen Schneematsch, der sich in meine dicken Winterstiefel saugte und meine Füße schmerzlich die kalten Wintertemperaturen spüren ließ.

"Verdammtes Weihnachten!", führte ich meine Schimpfterade weiter und trat unbeabsichtigt kraftvoll in den feuchten Schlamm, der nach oben spritzte und meine Jeans durchnässte.

Wütend fauchte ich auf und sprang auf die nächste geräumte Fläche, die sich als Gehweg herausstellte.

In den letzten Tagen hatte es in unmengen geschneit und am ersten Morgen war der Schnee noch eine wunderschöne, weiße Decke gewesen, die sich über die Dächer und Straßen gezogen hatte. Doch schnell darauf hatte sich die winterliche Idylle zu einer abartigen Matschkatastrophe verwandelt, die Schuhe und Beine durchnässte, einen unappetitlichen Anblick darbot und nur dem Zweck diente zu stören.

"ICE 138 nach Hannover fährt in wenigen Minuten auf Gleis 2 ein."

Die Stimme hallte aus dem Bahnhofsgebäude vor mir und ich seufzte resigniert.

Angewidert versuchte ich den Schneematsch von meinen Stiefeln abzuschütteln, gab den Versuch schnell wieder auf und betrat das Bahnhofsgebäude.

Wegen der geöffneten Türen war es drinnen beinahe genauso kalt wie draußen.
Die Lichter eines Kiosks, der sich innerhalb des Bahnhofs befand leuchteten mir entgegen und billige Zeitschriften traten in mein Sichtfeld.

Außerhalb des auf sein Handy konzentrierten Mannes, der hinter dem Tresen des Kiosks stand befand sich niemand innerhalb des Bahnhofsgebäudes und ich machte mich eilig auf den Weg zur Unterführung.

Ich zerrte meinen Koffer die pitschnassen, verschmutzten Treppen nach unten, folgte der Unterführung einige Schritte und stieg danach wieder ein dutzend Stufen nach oben, um an den richtigen Gleis zu kommen.

Passend mit einem einfahrenden Zug betrat ich den Gleis.
Gemeinsam mit einer älteren Dame, die eine Tür weiter vorne stand betrat ich den ICE.

Der Zug war im Inneren größtenteils nur schwach beleuchtet und ich machte mir meine Handytaschenlampe an, um zu erkennen wo mein Platz war.

Einige Minuten lang irrte ich durch den Zug und begegnete dabei der alten Dame, die mir einen mitfühlenden Blick zu warf und kurz nachdem sie an mir vorbei geschlüpft war mit einem leisen Freudenschrei ihren Platz entdeckt hatte.

Nach viel zu langer Zeit las ich an einem der Plätze die Nummer, die meinem reservierten Sitz entsprach und atmete erfreut durch.

Schnell betrat ich den kleinen Abteil, der scheinbar ganz allein mir gehörte, stellte meinen Koffer neben mir ab und nahm Platz.

Gähnend holte ich mein Handy hervor, tippte auf den Chat der Familiengruppe und schrieb eine Nachricht.

Sitze im Zug. Wenn alles gut klappt bin ich in einigen Stunden da.
23:47

Es dauerte keine Minute bis meine Mutter antwortete. Verwundert blickte ich auf die Uhrzeit, die bereits kurz vor Mitternacht anzeigte und dann zurück auf die Nachricht meiner Mutter.
Scheinbar war sie extra wach geblieben, damit sie sichergehen konnte, dass alles bei mir klappte.

Das freut mich. Ich hoffe nur, dass ihr nicht in den Schneesturm geratet, der heute Nacht wüten soll.
23:48

Ich grinste müde und antwortete ihr.

Keine Sorge. Es wird alles klappen.
23:49

Nachdem meine Nachricht abgeschickt war verstaute ich mein Handy in meiner Hosentasche und blickte auf den im Dunkeln daliegenden Bahnhof.

Wie jedes Jahr traf sich meine Familie und wir feierten Weihnachten und genau wie jedes Jahr fand ich keinerlei Gefallen daran.

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