Mit einer Zahnbürste im Mund, die ich mit kleinen, kreisenden Bewegungen über meine Zähne schrubbte stand ich im Badezimmer und blickte wie gebannt aus dem Fenster.
Die Nacht war stockfinster und nur wegen dem Licht, das hier im Raum brannte konnte ich die weißen Schneeflocken erkennen, die in einer beunruhigenden Menge vor dem Fenster herabrieselten.
Patrick, der neben mir am Waschbecken stand und ebenfalls seine Zähne putzte schenkte dem heftigen Schneetreiben keine Beachtung, sondern beobachtete sein eigenes Spiegelbild.
Aus dem Augenwinkel musterte ich den Brünetten, der verschiedene Muskeln in seinem Gesicht anspannte und jede Regung, die dies herbeiführte aufmerksam verfolgte.
"Dir muss doch im Moment unglaublich langweilig sein, oder?", wollte ich wissen und hoffte, dass meine Frage durch meine Zahnbürste einigermaßen verständlich gewesen war.
Ich kannte Patrick noch nicht lange, aber er schien mir eine dieser Personen zu sein, die eine Energie in sich trugen, welche kaum auszuschöpfen war.
Das hatte ich spätestens dann gespürt, als wir auf der Couch gesessen hatten und er keine fünf Minuten still da hatte sitzen können ohne an der Fernbedienung herum zu spielen oder mit den Fingern kleine Übungen zu vollführen.Den Drang die Hände irgendwie zu beschäftigten kannte ich zu gut. Ich hatte meine gesamte Kindheit Klavier gespielt und selbst nach Jahren, in denen ich mich keinem Instrument mehr genähert hatte, verspürte ich immer noch den Drang meine Finger ständig irgendwie zu beschäftigen.
Patrick hatte nicht erwähnt, dass er jemals ein Instrument gespielt hatte also vermutete ich, dass er einfach eine unruhige Energie in sich trug.
Angesprochener stoppte mit seiner seltsamen Gesichtsübung und sah mich durch den Spiegel hinweg an.
"Wieso sollte ich gelangweilt sein?"
Es war schwer zu erklären, aber Patricks Spiegelbild wirkte noch rastloser als er selbst.
"Naja," ich lehnte mich mit der Hüfte gegen das Waschbecken und verschaffte mir so die Möglichkeit ihm direkt in die Augen zu sehen," Du scheinst mir ein Mensch zu sein, der gerne unterwegs ist und Dinge unternimmt. Normalerweise würde dieses Haus jetzt nur so von deinen Familiemitgliedern wimmeln, ihr würdet Spiele spielen, Gespräche führen und andere aufregende Dinge unternehmen. Stattdessen bist du hier eingepfercht mit mir."
Ich kniff die Augen zusammen und erkannte wie Patrick zu einer Antwort ansetzte.
Mit einer Handbewegung unterbrach ich ihn:" Und tu jetzt nicht so als hättest du nicht bemerkt, dass ich eine Person bin, die es bevorzugt in ihren eigenen vier Wänden zu bleiben, nichts allzu aufregendes zu erleben und einen entspannten Nachmittag einem Abenteuer vorzieht."Ein belustigtes Funkeln huschte über Patricks Züge und er wandte sich von mir ab.
Er beugte sich über das Waschbecken, was mich dazu veranlasste beiseite zu treten und spülte seinen Mund sowie seine Zahnbürste aus.Sein Blick traf auf meinen und ohne ihn abzuwenden verstaute er seine Zahnbürste in einem Glas.
"Lass mich dir mal etwas sagen." Patrick fuhr sich mit den Fingern über die Mundwinkel und lächelte schief. "Ich langweile mich kein bisschen und dich finde ich erst recht nicht langweilig. Es ist sogar das Gegenteil. Du denkst von dir du seist unscheinbar, aber ich finde dich wirklich spannend. Du trägst ein paar ziemlich schwere Päckchen auf deinen Schultern und niemand verübelt es dir ein ruhiges Leben einem ausgefallenen vorzuziehen. Außerdem genieße ich die kleinen Dinge, die wir unternehmen. Sie mögen nicht besonders abenteuerlich sein, aber genau das gefällt mir. Mit meiner Familie wird es sehr schnell stressig. Alle plappern wild umher, haben vollkommen verschiedene Pläne und erwarten sich von unserem Weihnachtsfest etwas anderes. Mit dir hingegen habe ich das Gefühl ich kann durchatmen und dann das tun worauf ich Lust habe. Ich fühle mich nicht gedrängt etwas zu tun, das ich eigentlich gar nicht tun möchte."
Patrick verstummte und mit ihm auch die Bewegungen meiner Zahnbürste.
Mit großen Augen und einer reglosen Zahnbürste, die mir aus dem Mund hing sah ich meinen Gegenüber an."Oh, ich hoffe natürlich, dass ich dich nicht zu irgendetwas drängen sollte, worauf du keine Lust hast," Patrick kratzte sich verlegen am Hinterkopf und ich schüttelte sofort den Kopf.
"Keinesfalls."
"Gut." Er lächelte erleichtert.Ich beugte mich nun selbst über das Waschbecken und spülte meinen Mund aus, danach verstaute ich meine Zahnbürste.
"Ist es denn wirklich so stressig mit deiner Familie?"
Ich trat in den Flur hinaus und Patrick folgte mir.
Bei meiner Frage verharrte er einen Moment und schien angestrengt nachzudenken, danach zuckte er mit den Schultern und schloss die Badezimmertür hinter uns.
"Nicht immer. Es gibt diese Momente, in denen wir zusammen auf der Couch sitzen oder am Esstisch und uns unterhalten. Einfach über das Leben reden und die Gedanken fliegen lassen. Das liebe ich. Trotzdem gibt es genug stressige Situationen, besonders wenn es ums Kochen und um Geschenke geht."
"Du bist wirklich der Koch während sich deine Familie hier über Weihnachten versammelt?" Es fiel mir schwer meine Belustigung zu verbergen und ein Lächeln brach über meine Lippen herein.
Patrick streckte mir die Zunge heraus, sein Gesicht gab jedoch keine Verägerung, sondern lediglich Belustigung Preis:" Das ist eine ehrenvolle Aufgabe und es macht mir Spaß. Wie gesagt, es ist nur recht stressig."
"Kann ich mir vorstellen."Wir kamen vor dem Schlafzimmer an, in dem ich die letzte Nacht und auch diese verbringen würde und ich nickte Patrick zu:" Wir sehen uns dann wohl morgen früh. Gute Nacht!"
"Gute Nacht!" Mit einem fröhlichen Winken verschwand er im Zimmer nebenan und ich betrat ebenfalls mein Schlafzimmer.
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Adventskalender- KT
FanfictionManuels einziges Ziel ist es Weihnachten so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Ein Schneesturm und ein freundlicher Fremder bringen diesen Plan gehörig durcheinander.