Cassie
Behutsam strichen meine Fingerspitzen über den kühlen Draht.
Ich hörte wie sich die ersten Töne in der Luft ausbreiteten.
Einzeln.Meine Bewegungen verschnellerten sich und erzeugten immer mehr dieser wunderschönen Geräusche. Langsam verspannen sich die Töne zu einer Melodie, die so sanft war, dass ich das Gefühl hatte sie würden mir über meinen Körper streicheln.
Sowie sich die Luft für den letzten Ton zuschnürte, spannte sich auch mein Rückrad an und dann, als ich mich auf den letzten Ton bereit machte, blieb mir die Luft weg. Doch, noch bevor ich dazu kam die letzte Saite anzuschlagen, wurde ich unterbrochen.
Plong.
Wie aus einer Trance erwacht, hörte ich auf zu spielen und sah mich in meinem Zimmer nach diesem Geräusch um. Bandposter an den Wänden, die schwarzen Akzente, des weißen Raumes und die eingegangene Pflanze auf dem Fenstersims - alles war wie immer. Hatte ich mir das nur eingebildet?
Plong.
Da, schon wieder! Ich ließ meine Gitarre auf meinem Bett zurück während ich mich suchend umschaute. Mein Blick schweifte umher und blieb an meiner Pflanze hängen. Ich musste l daran denken, mir eine neue kaufen zu gehen.
Wie als hätte sie gemerkt, dass zum ersten Mal in diesem Monat meine Aufmerksamkeit auf ihr lag, erklang der Laut erneut. Genau aus dieser Richtung. Es kam vom Fenster!
Plong.
Ich eilte zum Fenster und öffnete es. Dann bückte ich mich hinüber, um auf unseren Vorgarten sehen zu können. Im Sonnenlicht konnte ich eine Silhouette erkennen und mir war augenblicklich klar, was hier lief.
Als das nächste Geschoss in meine Richtung flog, fing ich es und betrachtete es dann amüsiert in meiner Handfläche. Ein Kieselstein.
„Na endlich, du weißt nicht, wie lange ich hier schon stehe und versuche auf dein Fenster zu treffen. Mittlerweile kann ich verstehen, wieso ich aus dem Basketball-Team geworfen wurde."
„Du hättest auch einfach die Haustürklingel benutzen können. Dafür ist sie schließlich erfunden worden.", antwortete ich meiner besten Freundin grinsend, während sie sich nur die Hände in die Hüften stemmte.
„Das wäre doch langweilig gewesen. Jetzt können wir wenigstens Rapunzel nachspielen: Cassandra Matthews, lass dein Haar heru-"
„Ich mach' dir die Tür auf.", seufzte ich. Kopfschüttelnd ging ich meine Treppenstufen herunter.
Seit wir uns vor zwei Jahren angefreundet hatten, fuhren meine beste Freundin Ruth und ich jeden Morgen gemeinsam zur Schule. Mit meinem Skateboard in der Hand öffnete ich unsere große Haustüre, trat in die morgendliche Wärme des Frühlings und stapfte auf Ruth zu.
„Ich bin immer noch sauer auf dich", begrüßte sie mich, nicht sehr sauer.
„Dir auch einen guten Morgen, R."
Ich legte mein Skateboard auf den Bürgersteig und rollte langsam los.
Beiläufig folgte sie mir, während sie wieder begann zu sprechen.„Zwei Wochen. Zwei Wochen lang willst du mir nicht verraten, welches Fach du wählen wirst, und jetzt kriege ich heute um sechs Uhr morgens eine Nachricht, völlig unangekündigt, und ohne Erklärung?"
Ich sah zu, wie sich mein Atem mit der Luft vermischte, als ich leise lachend ausatmete.
„Ich meine, Literatur? Du musst dich irgendwann gegen sie durchsetzen."

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Lovesong
Romance„Ich bin mir gerade nicht sicher ob ich dich lieber küssen, oder von einer Brücke werfen möchte." „Kann ich aussuchen?"