I'll be good

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von Jaymes Young

Das Dach, des hohen Gebäudes New Yorks ist verglast und lässt die sich auf ihm befindlichen Tautropfen fröhlich glitzern, als die Morgensonne auf es fällt.

Die Frau mit den roten Haaren erklimmt die letzten Stufen der Feuerleiter und steht nun, überblickt die riesige Stadt, die gerade am Erwachen ist. 5:30 Uhr im Sommer.

Ihr schweifender Blick findet was er sucht und sie setzt sich in Bewegung um den am Rand sitzenden jungen Mann zu erreichen, welcher seine Beine in den Abgrund baumeln lässt, sich mit den Händen nach hinten abstürzt und mit geschlossenen Augen, und der Sonne zugewandtem Gesicht den Morgen und dessen Wärme genießt. Ein schönes Bild welches Zufriedenheit und Ruhe ausstrahlt, findet die Rothaarige, doch als sie ihn erreicht entdeckt sie die Rumflasche neben ihm.

„Nicht schon wieder."

Der braunhaarige Mann erschreckt nicht, legt seinen Kopf leicht schief um die Sonne besser einzufangen, scheinbar hatte er sie schon beim Erklimmen der Leiter gehört. Bevor sie anfangen kann zu meckern, öffnet er den Mund, seine Augen jedoch nicht.

„Keine Sorge, der Schnaps hat mir heute geholfen."

Sie lacht verächtlich auf. „Ach, so gut wie sonst auch immer, ja? So gut, wie wenn du Leute und Möbel zerschlägst, heulend zusammenklappst oder dir die Seele aus dem Leib schreist? Na dann bin ich aber beruhigt!"

Von ihrem Gefühlsausbruch unbeirrt genießt er weiterhin die Sonne und die morgendliche Ruhe. „Als ich heute Morgen in den Spiegel geblickt habe, hat der Teufel zurück gestarrt, der Teufel der mich seit Jahren verfolgt, der Teufel, der ich geworden bin. Und ich habe zum Alkohol gegriffen wie ich es immer tue, ja, aber heute war es anders, heute hat er nicht bewirkt, dass alles verschwimmt und ich vergessen kann. Nein, heute hat er mir mich gezeigt, wie ich bin, mich glasklar gezeigt, hat mich realisieren lassen, dass es so nicht weitergehen kann, dass diese Miesere in die ich mich selbst hineingebracht habe enden muss."

Nun ist auch sie ruhig und lässt sich neben ihm auf der Dachkante nieder. „Mit diesem Tropfen Rum hast du das alles erkannt. Man gib mir auch 'nem Schluck von diesem Wunderheilmittel."

„Nein so ist es nicht. Dieser Tropfen war eine Warnung, dass wenn ich so weiter mache, niemals wieder das Licht, oder Liebe, die wichtigen Dinge im Leben, spüren werde und das will ich nicht. Ich will gut sein und ich will, dass es mir besser geht."

„Und jetzt bist du einfach geheilt oder wie?", sie klingt skeptisch.

„Nein, ich sehe mich jetzt so wie ich bin, ich sehe jetzt was ich getan habe."

„Hör auf. Das warst niemals wirklich du. Das was passiert ist kannst du dir nicht aufladen, James."

Er lächelt. Die Sonne sieht wunderschön auf seiner blassen Haut aus. „Das war ich. Alles was ich getan habe ist meine Last, die ich zu tragen habe, aber für die letzten Jahre habe ich genug Buße getan, indem ich niemanden an mich heran gelassen habe, indem ich mich in Schuldgefühlen und Alkohol ertränkt habe. Es ist meine Vergangenheit und die muss ich jetzt akzeptieren."

Die Frau ist sprachlos, sieht den Mann mit den geschlossenen Augen verwirrt an und versucht ihn zu verstehen.

„Du warst ein Attentäter, für eine Organisation, die dich Dank Gehirnwäsche manipuliert hat und dich so zu all den Taten gezwungen hat. In welcher Welt warst das du?"

„Ich habe mich manipulieren lassen und es war mein Körper, der all diese Menschen getötet hat."

Mit einem Nicken, welches er nicht sehen kann, belässt sie das Thema dabei und wendet ihren Kopf von ihm ab, blickt hinab auf die sich langsam füllenden Straßen New Yorks.

Seine Vergangenheit ist so bitter, wie der Rum schmeckt. Damals als er sich freiwillig zur Armee in Russland gemeldet hatte, da ein neuer Krieg bevor gestanden hatte, war er nach seinen medizinischen und sportlichen Tests für ein angebliches Sonderprogramm ausgesucht worden. Ihm wurde versichert, dass er wegen seiner körperlichen und mentalen Leistung ein besonderes Training erhalten würde, weil sein Körper dieses aushalten konnte. Und dann hatten sie ihn mit Schockteraphie, Drogen und anderen Unaussprechlichkeiten gefoltert, ihn gebrochen und eine Kampfmaschiene aus ihm gemacht. Seine fleischliche Hülle, mit seinem Verstand, der einzig und allein auf Töten eingestellt gewesen war, hatte jeden Befehl, die sie bekommen hatte ausnahmslos ausgeführt. Ein Wohnhaus hochbomben, Geiseln foltern, Menschen die Kehle aufschlitzen - das waren die nicht so schlimmen Dinge gewesen. Die wohl grausamste Erinnerung ist die, in der er mit einer eisernen Faust dem FBI Agent den Schädel zertrümmert, bis nur noch roter Matsch übrig und er selbst damit bedeckt ist. Die Schreie und das Betteln des Mannes, die Töne als der Kopf wieder und wieder barstete, es würde ihn für immer verfolgen. Aber er hatte es ohne mit der Wimper zu zucken getan, denn ihm war eingebläut worden, dass Gnade nur Schwäche ist.

All die Zeit als russische Waffe ist er kalt gewesen, erbarmungslos, hat über die Länder Europas Angst und Schrecken verbreitet und seit er von NATO Mitgliedern befreit wurde und in Therapie ist fürchtet er sich vor seinen eigenen Händen. Die Hände, die all das Leid und den Tod verursacht haben, die Hände, an denen er immer noch das Blut seiner Opfer kleben sieht und egal wie doll er sie wäscht und schrubbt, es geht nicht ab. Das einzige was er damit bezweckt ist, dass die Haut seiner Hände aufreißt und das Waschbecken in Rot taucht.

„Ich werde gut sein, Natalia." Und mit diesen Worten öffnet er seine Augen.

Der Rotschopf dreht schnell den Kopf zum Redner, sie hätte nicht erwartet dass er heute Vormittag noch einmal reden würde. „Du bist schon ein guter Mensch, Barnes." Das beim Nachnamen nennen hatte ihn anfangs verwirrt, aber er hatte gelernt, dass sie das immer tat, wenn sie jemanden gern hatte.

„Vielleicht. Naja ich habe wenigstens aufgehört Unschuldige zu ermorden." Sie seufzt laut auf, doch bevor sie ihm wie immer sagen kann, dass das nicht er war, redet er weiter: „Aber ich möchte gesund werden, will endlich wieder schlafen können und sag mir jetzt nicht, dass es dich nicht stört, wenn ich nachts schweißgebadet schreiend aufwache und dich aus dem Bett werfe, weil ich Angst habe du wärst einer der Männer, der mich damals manipuliert hat."

Ein leichtes Grinsen schleicht sich auf ihre Lippen. „Hast du eine heimliche Neigung oder warum gehst du davon aus dass ein Mann nachts neben dir liegt?"

Auf diese Aussage hin lacht er kurz auf und atmet dann tief durch, blickt in ihre Augen. „Manchmal kommt der Drang, der Instinkt zu töten wieder, weißt du? Und ständig in der Angst zu leben irgendwen zu töten ist unerträglich. Ich will dieses unbarmherzige Feuer in mir nie wieder spüren und vor allem will ich dich nie wieder verletzen. Das wollte ich nie. Das alles nicht."
Bei den letzten Sätzen bricht seine Stimme und die Tränen drücken sich aus ihren Drüsen, wollen auf seine Wangen fallen.

„Hey," sie legt ihre Hand an seinen Hals und lächelt aufmunternd, „ich hab schon schlimmeres erlebt als die Hände meines russischen Vollidition von Geliebtem an meiner Kehle, die mich versuchen zu erwürgen. Das einzige was nervig war, war dein Gewicht. Junge du hast zu viele Muskeln, hättest mich beinahe erquetscht."
Und nun lächelt auch der Mörder auf, weil die Erleichterung ihn wie einen Blitz trifft.
Gott, wie er diese Frau liebt. Wie hat jemand wie er, jemanden wie sie nur verdient? Auch wenn er sich immer geschworen hatte dieses Wort nicht zu gebrauchen, weil er immer angezweifelt hat dass es sowas geben könnte... Sie ist perfekt. Ihre Taten, ihr Gemüt, ihre launische Art, ihre Kämpfernatur, ihr Verständnis. Alles. Und er möchte endlich ein guter Mensch sein, sich selbst bessern, für sie.
Für all das Licht, das er ausgelöscht hat.
Für all das Feuer, das er ausgetreten hat.
Für all die Wunden und Tränen, die er verursacht hat.
Für all die schrecklichen Dinge, die er all die Jahre getan hat.
Für all die Male, in denen er von diesem Dach springen wollte.
Heute beginnt es. Er wird ein besserer Mann sein. Er wird es schaffen. Dieser Morgen ist der Tag des Erwachens und das Sonnenlicht, das ihn gerade flutet ist seine neugefundene Kraft. Er spürt etwas, das er lang verloren glaubte; Hoffnung.

„Ich werde gut sein," mit diesen Worten legt er seine Hand auf ihre, die immer noch an seinem Körper ruht und schließt die Augen erneut, genießt die Sonne. „Ich werde die Welt und meine Leben lieben, so wie ich es auch tun sollte. Das werde ich. Für all die Zeiten in denen ich es nicht konnte."

Eine Träne verlässt Natalias Wimpern, als sie ihre Lider schließt, ihre Stirn gegen James seine legt und mit neugefundener Zuversicht und einem kleinen Lächeln auf den Lippen haucht: „Du wirst gut sein."

Clay VeinsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt