17. Kapitel

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Das wir dieses eine Gespräch geführt hatten, hatte ich noch bis zum Morgen zu verdauen. Ich war erleichtert und Gavi war es mindestens genauso, was auch immer er sich da gestern alles ausgemalt hatte. Was mir durch den Kuss mit Gavi allerdings auch bewusst geworden war, war das nach wie vor der Kuss mit Sergi in meinem Kopf herumgeisterte. Es war so verdammt anders mit ihm gewesen, ein schönes anders. Und ich bereute es wirklich, so unbeholfen auf ihn reagiert zu haben. Natürlich lag es daran, dass wir uns noch nicht besonders gut kannten und natürlich hatte ich da auch so meine Vorurteile. Er war Profisportler, ein gutaussehender und bekannter Mann. Ich war... Javier... Ein versuchter, aber gescheiterter Fußballspieler, jemand den vermutlich nicht mal jeder in meiner eigenen Nachbarschaft kannte und ganz sicher niemand, der aus der Masse schlug. Ich konnte mir nicht erklären, was Sergi an mir finden sollte. Vielleicht war ich nur einer von vielen Flirts und mehr als ein One-Night-Stand wäre sowieso nie zustande gekommen... Vielleicht aber eben auch nicht... Vielleicht war da mehr, vielleicht empfand er wirklich etwas für mich und vielleicht war er auch an mehr als nur einer einmaligen Sache interessiert. Vielleicht war er genau der Mann, den ich suchte und vielleicht ärgerte ich mich auch Gott verdammt über meine gestrige Reaktion...
,,Hast du gut geschlafen?", wollte Gavi wissen, als ich zum Frühstück dann auch mal wieder unten erschien. ,,Ja, ich hoffe du auch!", schmunzelte ich und ließ mich auf dem Stuhl nieder. Gavi nickte, während er sich zu mir setzte. ,,Ich muss dich mal was fragen!", meinte ich auch etwas, was mich seit längerem beschäftigte. ,,Hau raus!", meinte er mit vollem Mund: ,,Nachdem ich dich da heute Nacht überfallen hab..." Ich lachte leise: ,,Nein, sowas wird es schon mal nicht. Mich würde aber mal interessieren, wie oft du in und unter der Woche so trinkst und vor allem wie viel!" Gavis Laune schlug schlagartig um: ,,Wieso das?" ,,Weil ich mir da echt ein wenig Sorgen mache. Ich meine es wirklich nicht böse, aber heute ist Donnerstag und ich bin mir ziemlich sicher, dass es nach dem Spiel am Wochenende weiter geht", meinte ich. ,,Da hast du doch deine Antwort; Am Wochenende!", meinte er, nach wie vor in leicht gehobener Stimmlage. Ich nickte leicht: ,,Es ist aber ja nicht nur am Wochenende, es ist auch unter der Woche immer mal wieder und ich frage mich wirklich, ob das so sein muss? Du konntest doch auch früher ohne Alkohol Spaß haben und vor allem allein zu Hause solltest du nicht trinken." ,,Deswegen bist ja jetzt du da!", meinte er: ,,Dann trinke ich ja nicht allein zu Hause." zugegeben, hatte ich mir selbst auch allmählich schon so etwas gedacht. ,,Aber dann siehst du doch, dass da irgendetwas nicht in Ordnung ist oder nicht?", meinte ich bedacht ruhig. Gavi sah mich eine Weile einfach nur an, dann nickte er schließlich: ,,Ja... irgendwie schon..." ,,Möchtest du das ich dir helfe, es zu ändern?", wollte ich wissen und er nickte, wenn auch ein wenig zögerlich. ,,Das freut mich und das ist gut. Aber ganz allein schaffen wir das nicht!", meinte ich. Er wusste, worauf ich anspielte, und ich wusste, dass es ihm nicht gefallen würde.
,,Nein, einfach nein. Die Blöße gebe ich mir nicht!", meinte Gavi entschieden. Wir diskutierten schon eine Weile, aber an Sturheit war Gavi nun eben kaum zu übertreffen. ,,Wer bekommt davon denn mit? Es sind doch nur die, von denen du auch willst, dass sie es erfahren. Der Verein unterstützt dich und deine Teamkollegen und Freunde auch. Sowas macht man nicht allein!", meinte ich versucht beschwichtigend. Gavis hoch roter Kopf zeugte jedoch eher weniger von Entspannung oder dergleichen. ,,Und was ist, wenn es eben sonst doch noch wer mitbekommt? Wenn die ganze Welt darüber lacht, dass ich mein Leben nicht geschissen kriege!", schnaufte er und drehte erneut eine Runde vor dem Fenster entlang. ,,Es wir niemand mitbekommen!", versuchte ich ihn zu beruhigen: ,,Und selbst wenn, was sollen sie sagen? Mal zu straucheln ist menschlich!" Gavi schnaufte in einem Anflug der Hysterie: ,,Du weißt genau, dass sie es dabei nicht belassen. Sie werden es ausschlachten, wie sonst was und wie stehe ich am Ende da?" ,,Und wie stehst du am Ende da, wenn du wegen Alkoholmissbrauch aus dem Verein gekickt wirst?", wollte ich wissen, für Gavi war das natürlich zu viel. Wut, Frust und eine Menge Verzweiflung trieben ihm Tränen in die Augen: ,,Ich... ich kann das einfach nicht..." ,,Du kannst und ich werde dir helfen. Du weißt das du Hilfe brauchst und die hast du dir gesucht. Das war doch schon der erste Schritt in die richtige Richtung und jetzt müssen wir einfach nur das weitere Vorgehen planen, du bist damit ja nicht allein!", ich richtete mich auf und legte ihm einen Arm um die Schulter.
Gewirkt hatten meine Worte wohl doch, aber besonders glücklich wirkte Gavi auch in den nächsten Tagen noch nicht. Wir hatten entschieden das weitere zunächst mal mit Pruna zu versprechen, der sich meine Prellung noch einmal genauer ansehen wollte. Und dieser Moment war heute gekommen.
,,Das sieht doch gut aus!", stellte der Arzt fest und tastete meinen Bauch ab. Von der Prellung war nichts mehr zu sehen und bis auf die Gewissheit, dass mal was war, war wenig geblieben. ,,Es hat sich doch gelohnt, mal den Ball flach zu halten, oder?", wollte er selbstzufrieden wissen, ich rollte die Augen. Genug Selbstgefälligkeit für einen Tag, ich zog mir mein Shirt wieder an. Gavi hatte ziemlich bedröppelt auf dem angrenzenden Sofa Platz genommen und mehr als ein: ,,Hallo...", noch nicht hervorgebracht. Mit einem Blick zu ihm herüber, brachte ich schnell in Erfahrung, dass das wohl auch so bleiben würde. Nun also räusperte ich mich: ,,Wir hatten da noch ein Anliegen, das wir gern mit Ihnen besprechen würden!" ,,Auf HIV lässt du dich am besten von deinem Hausarzt testen, für dich bin ich nicht zuständig!", stellte Dr. Pruna klar. Entgeistert sah ich mein Gegenüber an: ,,Ernsthaft...?" Bevor Pruna mich weiter anfeinden konnte, war es doch Gavi, der endlich den Mund aufbekam: ,,Ich hab ein Alkoholproblem..."

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Endspurt! 🙈

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