18. Kapitel

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Pruna hatte sich zunächst einmal setzen müssen, einen Platz hatte ich ihm nicht mehr angeboten. Ganz vorsorglich hatte ich eine schöne Distanz zwischen uns gebracht und lehnte mich von hinten an das Sofa, auf dem Gavi nach wie vor kleinlaut hockte. Die Story hatte natürlich ich erzählen dürfen, etwas Nennenswertes hatte Gavi dazu wirklich nicht beigetragen. Aber ich verübelte es ihm in dieser Situation auch nicht, schließlich hatte er sich ja schon vor mir ziemlich einen abgebrochen. Dass er nicht gleich wieder in Tränen ausgebrochen war, war schon alles, eigentlich war es allerdings nur eine Frage der Zeit, bis der Damm dann doch brach.
,,Ihr Jugendlichen habt aber auch absolut keine Selbstdisziplin mehr!", schnaubend schüttelte der Arzt den Kopf: ,,Saufen bis zum Umfallen und euch über die Konsequenzen erst dann Gedanken machen, wenn es längst zu spät ist!" In mir kochte es: ,,In Ihrem Beruf sind Sie aber auch dazu angehalten Sich nach dem Wohl Ihrer Patienten zu erkundigen. Regelmäßige Untersuchungen und Fitnesstests werden ja auch nicht umsonst abgehalten!", empörte ich mich. ,,Früher konnte ich mich aber auch darauf verlassen, dass hier noch ein bisschen Anstand herrscht. Da gab es sowas nicht!", empörte sich Pruna: ,,Sportler sind nicht umsonst verpflichtet sich dem Verein zu verschreiben!" ,,Früher wurde auf manch eine Sache noch überhaupt keinen Wert gelegt. Der Druck und der Leistungszwang waren nie so stark wie jetzt und entsprechend muss auch die Betreuung angepasst werden!", stellte ich klar. Es gab genug Missstände im Profisport und das war auch an mir in jungen Jahren nie spurlos vorbeigezogen. Es gab viel, was weder gut noch richtig lief und dass das Betreuungsangebot nicht entsprechend ausgebaut wurde, war meines Erachtens wirklich ein Unding. Gleich zu Beginn und gerade bei jungen Spielern war eine psychologische Betreuung unumgänglich. Es war viel was auf einen einwirkte und noch mehr, das gefordert wurde.
,,Na du kennst dich ja aus, was? Warst ja auch offensichtlich kein besonders leichter Fall!", meinte Pruna abwertend. Mir war klar, dass ich auch vereinsintern lange ein Gesprächsthema gewesen war und auch meine Akten lagen da sicher noch irgendwo rum. Das dieser Arzt, der selbst eigentlich erst frisch dabei war, jedoch die Dreistigkeit besaß mich derart anzugehen, ließ mein Gemüt dann aber doch auch schnell überkochen. ,,Okay, es reicht!", schnaubte ich empört: ,,Entweder Sie kommen jetzt Ihren Aufgaben nach und kümmern sich um Ihren Spieler oder Sie wissen, wo Sie die Tür finden!" Pruna hob die Augenbrauen, mit einer solchen Reaktion hatte er vom kleinen labilen Javier wohl doch nicht gerechnet. Mit vor der Brust verschränkten Armen stand ich nach wie vor hinter Gavi, seine Reaktionen bekam ich also nicht mit. Der Arzt sah zunächst erneut zu mir, dann blieb sein Blick jedoch auf Gavi hängen. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich und wurde ein wenig weicher. Klar hatte ich ihm einiges vorgeworfen, aber ein Rest seines Pflichtbewusstseins schien wohl doch noch übrig zu sein: ,,Gut, ich werde mich um alles kümmern. Ich melde mich, sobald ich alles hintereinander habe. Bis dahin ist es wohl besser, wenn Gavi nicht allein bleibt!" Immerhin da waren wir mal einer Meinung. ,,Dir selbst solltest du auch noch ein wenig Ruhe antun, also nehme ich mal an, dass ihr das schafft!", meinte er, kleine Sticheleien konnte er sich wohl nach wie vor nicht verkneifen. Besonders viel hielt ich von diesem Mann nicht, aber auch bei den anderen Verantwortlichen im Verein konnten wir uns auf wenig entspannte Gespräche einstellen. Vielleicht war das ja noch ein ganz guter Einstieg in die Verhandlungen gewesen...
Ich war jedenfalls heilfroh, als Pruna verschwunden und endlich wieder Ruhe eingekehrt war. Gavi war wie zu erwarten ziemlich aufgelöst und als ich ihm dann auch irgendwann wieder gegenüberstand, sah ich es auch. ,,Ich hab nicht gedacht, dass er so stur ist...", seufzte ich und ließ mich neben meinem Freund auf dem Sofa nieder. ,,Ich wusste das es keine gute Idee ist...", schniefte er leise vor sich hin. Ich legte ihm einen Arm um die Schulter und zog ihn dichter an mich, er legte den Kopf an meine Schulter und die ein oder andere Träne tropfte auf mein Shirt. ,,Aber die richtige!", behutsam strich ich ihm über den Rücken: ,,Wenn du das alles geschafft hast, dann wirst du dich viel besser fühlen. Und so wie es jetzt ist kann es nicht bleiben, auch wenn noch es bedeutend schlimmer sein könnte." Ich kannte den versuch sich in irgendetwas hineinzuflüchten. Bei jedem nahm es andere Ausmaße an, auch wenn viele ihre Probleme einfach still in sich hineinfraßen. Ich selbst hatte mich mit Gavi und Selbstzweifeln verrannt. Gavis Strategie war eben eine andere geworden und Pedris war es seine eigene Unsicherheit zu überspielen, in dem er sich auf die anderer konzentrierte. Gesund war sicher nichts dergleichen und desto eher man sich den eigenen Missstand eingestand, desto besser standen die Chancen sich davon auch wieder zu befreien.
Stumpf rumsitzen und in Gedanken zu versinken, war für einen ersten Therapieansatz natürlich keine Option. Ausgehen und den nächstbesten Club zu stürmen, war in diesem Fall jedoch auch nicht sinnstiftend. Raus mussten wir hier jedoch allemal, Gavis Bekanntheit machte dies allerdings auch alles andere als einfach. Damit er sich weg von allem wirklich kurieren konnte, musste also raus hier und nicht lediglich raus aus der Stadt. Für erste genügten wir uns allerdings mit einem Ausgiebigen Abstecher in Gavis Pool. Ohne den Zuspruch des Verein lief hier leider Gottes so gut wie nichts. Dass sie sich komplett querstellen würden, konnte ich mir nicht vorstellen. Gavi war ein guter Spieler und hatte eine noch bessere Zukunft vor sich, um wen, wenn nicht ihn würden sie sich ausdrücklich bemühen wollen? Negative Presse galt es sich sowieso zu ersparen. Da Gavi noch dazu so ziemlich der Fan-Liebling war, würde sich auch so genug Druck auf den Verein aufbauen, der zu einem Halt des Spielers drängen würde.
Ich war ganz sicher kein Optimist und bemühte mich doch sehr um eine realistische Betrachtung der Tatsachen, doch aber war ich sehr optimistisch, dass sich das hier schnell wieder in den Griff kriegen ließ.

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