XXIV. Von Paddy-Kelly-Privatkonzerten und Forsterschen Bauchentscheidungen

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Song: If I'm Being Honest - dodie

"Could you love this? Will this one be right?"

...

Meine Stimme versiegte. Der letzte Akkord des Klaviers hallte noch nach, auf diesem wundervollen Steinway-Flügel, und ich ließ meine zitternden Finger auf den Tasten liegen, das Pedal durchgedrückt. Ein Atemzug. Den Schwingungen im Raum zuhören, wie sie langsam leiser werden. Wenn sie verklungen sind, erst das Pedal runternehmen, dann die Finger von den Tasten. Wie es mir meine alte Klavierlehrerin mit zwölf Jahren beigebracht hatte.

Manche Dinge ändern sich nie.

Noch einmal atmete ich tief durch. Dann endlich drehte ich den Kopf und sah zu Patrick herüber, der auf dem Boden neben dem Flügel saß. Seinen Kopf gegen den Instrumentenkorpus gelegt, blickte er noch wie in Gedanken verloren in die Ferne. Dann erst schien er aus seiner Starre zu erwachen. Sein Kopf drehte sich zu mir, blaue Augen trafen meine. Ein sanftes Lächeln zog sich über seine Züge, so ehrlich, dass es einem glatt einen Schauer über den Rücken jagen konnte. 

"Wow, Flora", sagte er. "Das ist wirklich, wirklich gut."

"Naja", sagte ich direkt, "also, es ist ein Entwurf, und vielleicht ist er nicht ganz schlecht, also dafür, dass ich so lange nicht mehr geschrieben ha-"

"Flora", unterbrach mich Patrick sanft aber bestimmt. "Er ist fantastisch. Punkt."

"Und du findest den Song nicht kitschig?", schob ich schnell nach. 

"Are you kidding me?" Patricks helles Lachen hallte von den Wänden des Proberaums wieder. "Er ist unglaublich. Poetisch, treffend...vulnerable. Everything a good song should be."

"Das sagst du nur so", antwortete ich wie automatisch. Und doch, meine Mundwinkel, diese beiden kleinen Verräter, zogen sich ein paar Millimeter nach oben. Patrick ließ es sich nicht anmerken, aber ich wollte schwören, dass er es mitbekommen hatte. Er schon wieder und sein verdammter allwissender Blick.

"Really, I mean it!" Patrick lehnte sich vor und legte mir wie zur Bestätigung eine Hand auf den Oberschenkel. "Every word." Fast augenblicklich zog er die Hand wieder zurück, als hätte er sich verbrannt, oder Angst vor dem plötzlichen Körperkontakt bekommen. Doch er ließ mir keine Zeit, das Gedankenkarussel anzustoßen. "Und das hast du gestern einfach so in einer Stunde heruntergeschrieben?"

"Naja. Vielleicht waren es auch zwei." Welch ein Paradebeispiel der falschen Bescheidenheit.

Fassungslos schüttelte Patrick den Kopf. "Flora, du bist unglaublich."

Drei Mal hatte er meinen Namen jetzt schon gesagt in der letzten Minute. Ich mochte, wie er in seinem Mund klang, mit dem weichen englischen "r" anstatt des kehligen deutschen. Früher hatte es mich genervt, wenn mein Name so ausgesprochen wurde, wenn ich "Flora Fox", die Frontfrau der Fiona's Foxes war. Aber aus seinem Mund klang es genau richtig.

Es dauerte nicht lange und ich saß nicht mehr auf dem Klavierhocker, sondern neben Patrick auf den Boden. Mein Hinterkopf lehnte am Korpus des Flügels und ich lauschte den subtilen Schwingungen der Saiten, wie ich es schon tausende Male in Studios in Proberäumen getan hatte - ich war definitiv schon immer Team "Auf dem Boden sitzend ist man kreativer" gewesen und irgendwas daran, halb unter einem überdimensionierten Instrument zu sitzen, war besonders inspirierend. Geradezu tröstlich.

"Es ist einfach genau das passiert, was du gestern gesagt hast", sagte ich schließlich. "Ich konnte einfach nicht...nicht schreiben. Das ist so strange, vor zwei Tagen dachte ich, ich kann keine Songs mehr schreiben, und plötzlich..."

Sing Me A Song Of Summer [MPK]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt