III. Von einsamen Gin Tonics, einem verschlafenen Morgen und schlechtem Kaffee

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Song: Coastline - Hollow Coves

"I'm leaving home for the coastline, some place under sun."

...

An diesem Abend ging ich früh zu Bett. Vor Joan behauptete ich natürlich, das sei eine rein professionelle Entscheidung, schließlich mussten wir am nächsten Morgen um 10 auf der Matte stehen, aber eigentlich hatte ich einfach nur keine Lust auf Menschen. Nachdem die allgemeinen Informationen verteilt wurden, ließ ich mich noch zu einem Gin Tonic überreden, aber während aus gelangweiltem Klaviergeklimper des Forsters sich allmählich eine allgemeine Jamsession zusammenballte, verzog ich mich unauffällig in mein Zimmer. Ich musste zugeben, ein wenig tat es mir um den nur halb ausgetrunkenen Gin Tonic leid. Aber das war nur ein kleiner Preis für die paradiesische Ruhe, die mich in meinem Zimmer erwartete.

Wir Musiker waren jeweils in Zweierzimmern im Nebentrakt untergebracht, während die „Stars" (ich hasste dieses Wort, es klang für mich irgendwie nach elfjähriges Mädchen mit Bravo-Postern an der Wand) im Haupttrakt wohnten – gemeinsam mit einem Kamerateam. Ich beneidete sie definitiv nicht darum. Auch, wenn ich das Prinzip der Sendung im Grunde ganz interessant fand, die vielen Kameras nervten mich. Zum Glück blieben wir die ersten Tage von den Filmmenschen verschont, schließlich waren die Proben wohl wenig interessant für die Öffentlichkeit. Das bedeutete leider auch, dass André erst in ein paar Tagen nachkommen würde. So lange war ich wohl allein unter Verrückten.

Es war noch immer unglaublich warm, als ich in meinem leichten Nachthemd am weit aufgerissenen Fenster stand und der Sonne zusah, wie sie allmählich hinter den Bäumen verschwand. Ich hörte vom Probenraum Stimmen und Musik, die wie aus einer anderen Welt in mein kleines, stilles Zimmer nach oben drang. Noch immer schmeckte ich Gin Tonic auf meinen Lippen und vor meinem inneren Auge sah ich mein halb ausgetrunkenes Glas einsam an der Bar stehen, ich sah Joan, die sicherlich irgendwo tanzte und plapperte und schallend über einen dummen Witz von Basti lachte, den Kelly, der sich mit den seltsamsten Bewegungen, die ich je gesehen hatte, durch den Raum bewegte, das ESC-Sternchen, das sich mit Mark Forster die Kante gab und dabei fleißig Instagram-Stories aufnahm, und während sie alle mit Trinken, Musik machen und gemütlichem Beisammensein beschäftigt waren, verschenkte keiner auch nur einen Gedanken an mich. Ein seltsames, allzu bekanntes Gefühl machte sich in meiner Brust breit und legte sich dann drückend auf meinen Magen. „Was machst du hier eigentlich?", murmelte ich mit rauer Stimme zu mir selbst und fragte mich im nächsten Augenblick, was ich mit „Was" eigentlich meinte. Dann schüttelte ich den Gedanken ab. Es war sinnlos, sich den Kopf über irgendwelche vielleicht oder vielleicht auch nicht vorhandenen Sinnhaftigkeiten zu zerbrechen. Durch diese drei Wochen musste ich jetzt einfach durch.

Entschlossen schloss ich das Fenster, wohl etwas lauter als beabsichtigt.

Ich sah nicht, wie unten auf der Terrasse ein Mann, von dem lauten Geräusch aufgeschreckt, zu meinem Zimmer hinaufschaute und die Stirn runzelte. Ob das wohl sie war?

...

Falls ich erwartet hatte, am nächsten Morgen motiviert und energiegeladen aufzuwachen und all meine Zweifel und Unlust in Luft aufgelöst zu finden, dann war ich wohl sehr naiv gewesen. Tatsächlich fühlte ich mich, als mein Wecker mich um sieben Uhr aus dem Bett warf, noch mieser als am Tag zuvor. Ich drehte mich auf den Bauch und vergrub meinen Kopf ins Kissen. Das ist alles nicht echt. Das ist ein Traum. Du kannst weiterschlafen. Und in ein paar Stunden kommt pappa ins Zimmer und bringt dir einen Kaffee. Ja, genau so wird es sein.

In diesem Moment hörte ich von draußen ein ohrenbetäubendes Quietschen, auf das ein Platschen und allgemeines Gelächter folgte. Genervt öffnete ich die Augen und erkannte durch meine verklebten Wimpern, dass das Fenster sperrangelweit offen stand. Joan war wohl bereits auf den Beinen und hatte sich entschieden, durchzulüften, von ihr selbst war aber nichts zu erkennen.

Sing Me A Song Of Summer [MPK]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt