I. Der Anfang des Bösen

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Wer es war, wo es passierte und wie es dazu kam, diese drei Fragen gilt es zu klären und das so schnell wie möglich. Wir hatten mal wieder einen unserer berühmt berüchtigten Krimiabende gestartet. Wir schreiben das Jahr 2022. Es war angenehm kühl draußen, es war aber auch erst April, also würde die Wärme in den nächsten Monaten noch so richtig kommen. Diesen Monat würde der Krimiabend bei Jessica stattfinden.
Bei mir hatten wir ihn letztes Mal veranstaltet und das war eine richtige Sauerrei gewesen, denn Rick, der sich den Fall für diesen Abend ausgedacht hatte und das Opfer spielen musste, war der Meinung, dass er, als Opfer, erschossen worden war und dass das Blut und Gehirn des Opfers überall landen musste.
Dies musste er natürlich genauso in meinem Apartment nachbilden. Ich hatte zwei Tage gebraucht, um das alles sauber zu kriegen. Tatsachlich finde ich aber ab und an immer noch Reste vom Auftragsmord an Stewart van Dyn.
Diesen Monat war Rachel dran sich eine Geschichte zu überlegen und Jessicas Apartment mit Hinweisen und Verdächtigen, ebenso wie einer Leiche zu versehen, die man später interviewen konnte. Ich hoffte für Jessica, dass Rachel ihr Apartment nicht komplett versauen würden, aber so war Rachel nicht. Rachel war ordentlich, gerissen und trotzdem sehr liebenswert. Sie würde niemals etwas tun, was anderen mehr Arbeit machen würde. Also war ich zuversichtlich.
Wir trafen uns alle pünktlich um 20 Uhr an diesem Abend vor Jessicas Wohnkomplex. Sie hatte ein Apartment im Herzen von Seattle ergattert. Es war wunderschön und nicht weit von ihrem Arbeitsplatz, im Museum für Kunstgeschichte, entfernt. Sie war schon immer künstlerisch begabt gewesen. Schon in der Middleschool hatte sie immer die beste Note des Kurses und ihre Bilder wurden regelmäßig in unserer Schule ausgestellt.
In der Highschool war klar, dass sie wieder Kunst wählen würde. Niemand hatte daran gezweifelt. Und wieder war sie die beste des Kurses und wieder hatte niemand das angezweifelt. Dass sie sich dann am College für Kunstgeschichte bewarb und dann auch noch ein kreatives Stipendium absahnte, welches ihr das komplette Studium bezahlte, wunderte niemanden mehr. Selbst dort war sie die perfekte Studentin.
Ein klein bisschen neidisch war ich schon. Ich, Francesca Alves, war immer eine mittelklassige Schülerin und Studentin. Ich wurde nie für etwas geehrt und gelobt sowieso nie. Ich war froh, als ich am College für Journalismus angenommen wurde. Ich wäre auch aufgeschmissen gewesen, wenn ich das nicht geschafft hätte. Mein Dad glaubte ja eh schon, dass ich nichts auf die Kette kriege.
„Ich hoffe so sehr, dass sie sich was cooles überlegt hat.", riss mich Samuel aus den Gedanken.
„Ich hoffe einfach inständig, dass sie mein Apartment nicht auseinandergenommen hat und ich nicht tagelang irgendwelche Überreste aufwischen muss.", sagte Jessica voller Hoffnung.
„Hey, das war doch voll geil, gebt es zu.", rief Rick und sah mich aus dem Augenwinkel lachend an.
Ich rollte nur mit den Augen. Ich hoffte wirklich, dass wenn wir unseren Krimiabend bei Rick veranstalteten, dass ich mir einen Fall ausdenken durfte. Ich würde allein für diesen Spruch überall Blut und sonst was verteilen. Der würde an Weihnachten noch Überreste finden. Schwachkopf. Ich kann nicht glauben, dass ich diesen Kerl liebte. Ich und er waren seit dem ersten Jahr im College zusammen, das war jetzt schon fast 4 Jahre her. Ich bereute es immer noch, dass ich ihn nicht mein Apartment hab schrubben lassen. So einen Mist hätte der nie wieder angestellt. Das redete ich mir jedenfalls ein, aber mir war klar, dass ihn das Putzen nicht von sowas abhalten würde.
Mir fiel jetzt erst auf, dass zwei von uns fehlten. Tommy und Margot waren beide noch nicht hier.
„Wisst ihr was von Tommy und Margot?", fragte ich in die Runde.
Meine vier Freunde schüttelten den Kopf. Unser Krimiabend war mittlerweile zu einer Pärchen Aktivität geworden. Anfangs waren Rick und ich das einzige Paar, aber nach und nach verliebten sich immer mehr meiner und Ricks Freunde ineinander. Jessica war mit Samuel zusammen, Max und Rachel waren zwei Jahre nach mir und Rick zusammengekommen. Rachel war meine Mitbewohnerin im College und Max lernten wir im letzten Jahr im College kennen. Er zog erst für das letzte Semester auf den Campus und wurde Ricks Mitbewohner. Jessica und Samuel lernten sich durch Max kennen. Ich kannte Jessica schon seit der Middleschool und Max kannte Samuel aus einem seiner Kurse am College. Schnell war klar, dass Rick und ich, nachdem wir die Idee für den Krimiabend hatten, Jessica und Rachel einladen würden und Rick lud Max noch ein und der brachte dann Samuel mit. Margot war meine Nachbarin gewesen, wir hatten uns schon immer gut verstanden und deshalb lud ich auch sie ein. Tommy war ein weiterer Freund von Max gewesen, den kannte er seit der Highschool. Und so schnell waren wir dann zu acht. So machte es am meisten Spaß.
Kurz nachdem ich meine Frage in die Runde stellte, kamen Tommy und Margot um die Ecke gerannt. Sie waren fünf Minuten zu spät, was nicht weiter schlimm war. Pünktlich hatten wir noch nie angefangen.
„Entschuldigung für die Verspätung. Margot musste sich nochmal umziehen. Sie hat beim Abendessen gegessen wie ein Schwein.", sagte Tommy lachend und Margot gucke peinlich berührt auf den Boden und trat Tommy auf den Fuß.
„Ey, ist doch wahr!", sagte Tommy wieder einmal lachend. Dafür bekam er von Margot nur einen bösen Blick.
Wir gingen los und durch die Tür von Jessicas Wohnkomplex. Hier würden Rick und ich bald gemeinsam einziehen. Nach dem College hatten wir uns für ein Jahr jeder sein eigenes Apartment gemietet. Wir waren einfach noch nicht bereit fürs zusammenziehen. Aber jetzt war es an der Zeit und wir hatten recht schnell dieses Apartment gefunden, welches zufälligerweise in Jessicas Komplex war. Wir nahmen den Aufzug in den ersten Stock und stiegen aus dem Fahrstuhl.
Samuel fielen die blutigen Fußabdrücke zuerst auf.
„Hey, guckt mal wie cool voll realistisch.", rief Samuel laut und zeigte auf die Fußabdrücke die Richtung Fahrstuhl führten.
Das war wirklich sehr cool gemacht, aber was anderes hatte ich von Rachel nicht erwartet. Sie hatte einen Hang für Dramatik.
Wir hatten abgemacht, dass wir bevor wir das Apartment betraten, zweimal klingelten, damit das Opfer sich bereitmachen konnte. Max ging Richtung Tür und klingelte zweimal. Kurze Zeit später griff Jessica nach ihrem Schlüssel, um den Tatort aufzuschließen. Dies war jedoch nicht nötig.
„Die Tür ist nur angelehnt Leute, ich brauch meinen Schlüssel gar nicht!", sagte Jessica mit zusammengezogenen Augenbrauen. Max trat zuerst in die Wohnung, er wollte sehen, was seine Freundin dort gezaubert hatte. Danach gingen wir anderen voller Spannung hinein. Das Apartment war schön eingerichtet und überall hingen Fotos von Verdächtigen und deren Aussagen. Wow, sie hatte sich wirklich viel Mühe gegeben. Das heutige Opfer hatten wir jedoch noch nicht gefunden.
„AHA!", hörte ich es aus dem Bad rufen.
Ich ging der Stimme nach und fand Samuel im Bad vor, genauso wie unser heutiges Opfer. Die Todesursache war gleich klar. Sie hatte mehrere Stichwunden im Rücken, nur die Tatwaffe war nicht aufzufinden. Extra spannend also. Samuel und ich sahen uns an. Das Opfer wurde also im Bad vom Täter überrascht, denn die Stiche waren im Rücken und ihr Makeup war in das Waschbecken gefallen. Nach einem Kampf sah es hier nicht aus.
Wir riefen die anderen dazu. Sie kamen sofort aus verschiedenen Richtungen. Rick hatte eine gelbe Akte in der Hand, das wird wohl der Hintergrund des Opfers sein.
Maxine Stewart, war der Name des Mordopfers. Sie war 25 Jahre alt und arbeitete als Lehrerin in einer Grundschule. Ihre Kollegen beschrieben sie als zuverlässig, höfflich und engagiert, jedoch ab und an recht in sich gekehrt und zurückhaltend. Ihre Eltern lebten in Chicago und sie war für ihr Studium nach Seattle gezogen und dortgeblieben. Einen Freund hatte sie keinen jedoch eine 2-jährige Tochter namens Clementine, aus ihrer vorherigen Beziehung. Diese übernachtete heute bei ihrem Dad ein paar Straßen weiter.
Auch Feinde hatte sie laut ihren Freunden keine. Ihre Nachbarin Janett hatte sie gefunden, nachdem sie sah, dass die Tür offenstand. Die blutigen Fußabdrücke, die wir im Flur gefunden hatten, wurden jedoch mit keinem Wort erwähnt. Komisch eigentlich.
„Ich glaube es wird Zeit das Opfer zu interviewen.", sagte Tommy aus der hintersten Reihe.
Dies war unser Stichwort, dafür dass das heutige Opfer aufstehen konnte und am Verhörtisch platznehmen sollte.
Rachel jedoch rührte sich kein Stück.
„Rachel? Jetzt mach schon, du musst aufstehen.", sagte ich und tippte Rachel mit meinem Fuß an. Immer noch regte sich Rachel nicht. Erst jetzt fiel mir auf, dass sich hier Körper fürs Atmen auch nicht hob und senkte. So lange konnte doch niemand die Luft anhalten. Nicht mal Rachel die für ihr Leben gerne tauchte.
Diesmal tippte Max sie etwas grober an. Immer noch nichts.
Langsam wurde das alles hier sehr komisch. Ich kniete mich hin und versuchte an ihrem Hals einen Puls zu finden. Nichts. Absolut gar nichts. Ich spürte absolut nichts an meinen Finger. Kein pochen. Einfach nichts. Das hier war definitiv nicht richtig. Sie war noch warm, also war das hier definitiv keine lebensechte Puppe, die aussah wie Rachel. Das war Rachel und sie war tot. Ich schrie und rutschte von Rachels Leiche weg. Die anderen guckten nur verwirrt. Keiner schien zu verstehen was hier passiert war.
„Oh mein Gott! Das hier ist alles echt. Rachel ist tot. Sie hat keinen Puls!", rief ich nachdem ich so weit wie möglich von dem leblosen Körper meiner Freundin weggerutscht war. Max wurde ganz bleich. Er hatte Rachel umgedreht und sie starrte ihn mit ihren leeren toten Augen an. Er dreht sich um und rannte aus dem Raum. Er schien in ihrem Blut gestanden zu haben, denn er hinterließ einige blutige Fußspuren. Margot stand dicht an Tommy mit ihrem Gesicht in seiner Brust vergraben. Sie weinte.
Jessica rannte in die Küche und übergab sich in ihren Mülleimer und Samuel stand da wie angewurzelt, total unter Schock. Ich sah zu Rick er hatte sein Handy in der Hand.
„Was machst du da?", schrie ich ihn an.
„Ich ruf die Cops was denn sonst?", rief er zurück.
„Nein, tust du nicht. Das kannst du nicht.", sagte ich panisch.
„Wieso kann ich das nicht?"
„Wir haben den Tatort verändert. Max hat hier überall Fußabdrücke hinterlassen und sie umgedreht. Hier sind überall unsere Fingerabdrücke. Die werden denken wir haben sie getötet."
„Fuck stimmt. Scheiße was machen wir denn jetzt?"
Wir fünf, die im Bad übriggeblieben waren, waren still. Das Einzige, was man hören konnte, war Jessicas Würgen, Margots schluchzen und Max der im Wohnzimmer vor Panik und Trauer auf und ab lief.
Ich wusste nicht, was wir jetzt machen sollte. Die Cops rufen war keine Option.
„Wir müssen den Fall selbst lösen.", sagte Tommy ruhig.
Wir sahen ihn zustimmend an. Was anderes blieb uns nicht übrig.
Jetzt gilt es herauszufinden, wer Rachel getötet hatte und wieso.

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