Wie jeden Morgen hier im Paris Institut wurde ich von meiner nervigen älteren Schwester geweckt. „Komm schon Clarissa! Wach auf! Oder willst du etwa das Frühstück verpassen?" meckerte Jennifer, während sie versuchte mich wachzurütteln. „Ich bin schon wach, schrei hier nicht so rum." „Dann steh endlich auf, die anderen warten schon auf uns. Außerdem haben wir Besuch und es wäre unhöflich von dir unseren Gast nicht zu begrüßen, da unsere Eltern dieses Institut leiten. Falls du das vergessen haben solltest." „Ja ...", murmelte ich verschlafen, „ich hab' doch gesagt, dass ich schon wach bin. Reg dich nicht so auf, Jenny." Widerwillig stand ich auf und ging zu dem Spiegel am anderen Ende des Zimmers. Der Spiegel war ziemlich groß und bedeckte fast die ganze Wand, sodass ich mich ganz in ihm betrachten konnte. Meine langen, rotblonden, lockigen Haare hingen mir wirr ins Gesicht und unter meinen goldenen Augen hatte ich Augenringe von der gestrigen Jagd. Hätte dieser blöde Vampir nicht das Abkommen zwischen Schattenwesen und Schattenjägern gebrochen, dann wäre ich schon längst ausgeschlafen und beim Training. Aber so etwas wie einen guten und entspannten Tag gibt es in der verborgenen Welt, in die ich hineingeboren wurde, ja leider nicht. Aber wenigstens brauchen Schattenjäger auf der ganzen Welt keine Befürchtungen mehr zu haben, da ihre vermeintlich größten Feinde, Valentine und sein Sohn Jonathan, schon seit Jahren tot sind. Besiegt von der eigenen Tochter beziehungsweise Schwester. Clary Fray, oder wie ihr richtiger Nachname lautet, Fairchild. Meine Mutter hat sie schon immer bewundert, weshalb ich auch den gleichen Vornamen wie sie bekam. Sie dachte wohl, wenn sie mich wie eine Heldin nennt, würde ich auch einmal etwas Großes vollbringen. Doch das Einzige, was ich tat, war, die Straßen von Paris und die Menschen, die hier lebten vor Dämonen und Schattenwesen, die das Abkommen brechen, zu beschützen. Ja, das ist mein Beruf, der Beruf eines Schattenjägers oder Nephilim, wie wir in der Schattenwelt genannt werden.
„Beeil dich einfach, wenn das möglich ist!", rief mir meine große Schwester noch zu, bevor sie auch schon mein Zimmer verließ. Ich sah noch eine Weile zur Tür, durch die sie verschwunden war, bevor ich mich auf den Weg ins Badezimmer machte, um mich herzurichten. Um gleich danach den großen Speisesaal aufzusuchen, in dem wir immer alle gemeinsam frühstückten.
Nachdem ich geduscht und mir meine Schattenjägermontur übergestreift hatte, machte ich mich auch schon auf den Weg zum Speisesaal. Um wie immer ein wenig Zeit zu schinden, ging ich den längeren Weg durch das Institut, vorbei an den anderen Zimmern und der Küche. Als ich an der Küche vorbeischlenderte, hörte ich Martha, unsere Köchin, auch schon jemanden anschreien. „Ryan, hatte ich dir nicht verboten, weiterhin von meinen Schoko-Brownies zu naschen!" Lachend und mit einer Hand voller Brownies, kam Ryan aus der Küche gelaufen. „Oh, Hi Clary. Ich kann jetzt leider nicht mit dir reden, wir sehen uns dann im großen Saal!", rief er mir schnell zu und bog dann auch schon um die nächste Ecke. „Wo ist dieser gierige Dieb!"; schrie Martha als auch sie endlich aus der Küche gelaufen kam. Doch als sie mich sah, beruhigte sie sich und strahlte mich an, „Ach morgen Liebes, wie geht es dir denn heute?" „Guten Morgen Martha, den Umständen entsprechen eigentlich relativ gut." „Freut mich zu hören, dass es dir nach gestern gut geht. Dieser Vampir muss ja wirklich zäh gewesen sein, so spät wie ihr wieder zurückgekommen seid?" „Ja, er war wirklich ziemlich lästig, aber wir haben das erledigt. Na gut, ich sollte dann auch mal weiter." Nachdem ich von Martha noch einen Brownie bekommen hatte, machte ich mich jetzt so schnell wie möglich auf den Weg zum Speisesaal, in dem wir uns alle wie jeden Morgen trafen. Dort angekommen, blieb ich erst einmal vor lauter Schreck stehen. Ich konnte nicht glauben, wer dort neben meinen Eltern saß und als er mich dann auch noch mit seinen grün-gelben katzenartigen Augen musterte, war ich noch sprachloser als zuvor. Denn genau neben meinen Eltern saß Magnus Bane. Der Magnus Bane, oberster Hexenmeister von Brooklyn und ein treuer Freund der Nephilim von New York. War ja klar, dass meine Mutter ihm sofort Einlass gewähren würde, er kennt auch die Heldin aller Schattenjäger höchstpersönlich, dachte ich mir. „Es ist wirklich schön dich kennen zulernen Clarissa. Deine Eltern haben mir schon sehr viel über dich erzählt", drang auf einmal eine Stimme ganz nah an mein Ohr und unterbrach somit meine Gedanken. Als ich aufschaute, stand niemand anderes als Magnus neben mir und lächelte mich an. „Ach, haben sie das? Ich hoffe doch nur Gutes." „Sollten sie mir denn etwas Schlechtes über dich erzählen?", fragte er mich so leise, dass nur ich es hören konnte, während er anfing zu grinsen. „Nein, eigentlich nicht, aber meine Mutter übertreibt gerne, müssen Sie wissen", antwortete ich ihm genauso leise. Meine Familie und meine Freunde, die ein wenig geschockt wirkten, beobachten die ganze Szene, ohne einzugreifen. Doch anscheinend wurde es meiner Mum so unbehaglich, dass sie uns aufforderte uns hinzusetzen. Während meine Eltern sich wieder in ein Gespräch mit Magnus vertieften, ließ ich meinen Blick über den Tisch streifen. Es waren fast alle da, die einzigen die fehlten waren Amanda und Kyle. Noch mal blickte ich durch die Runde und blieb dann an Ryans eisblauen Augen hängen. Er hatte seine schwarzen Haare heute nicht gestylt, weshalb sie strubbelig in alle Richtungen wegstanden. Am liebsten würde ich meine Hand durch seine Frisur gleiten lassen, aber diesen wirren Gedanken verdrängte ich sofort wieder. Ich durfte ihn nicht gernhaben, er war der feste Freund meiner besten Freundin Amanda. Doch als ich wegschauen wollte, sah er mich auch schon mit einem breiten Grinsen im Gesicht an. Ich konnte nicht anders als zurückzugrinsen, immerhin war er, auch wenn ich nicht mit ihm zusammen sein konnte, mein bester Freund. Jenny, die bemerkte wie bescheuert Ryan und ich uns angrinsten, fing an mich unter dem Tisch mit ihrem Fuß zu treten, was meinen Blick auch sofort zu ihr lenkte. Fragend und mit hochgezogenen Augenbrauen starrte ich sie an, als Antwort auf meine ausgesprochene Frage schüttelte sie nur leicht den Kopf. Sie hatte recht, ich sollte damit aufhören, auf seine Flirtversuche einzugehen, schließlich schuldete ich Kyle noch eine ehrliche Antwort auf seine Frage. Dass Kyle mich letzte Nacht während der Jagd auf ein Date eingeladen hatte, verwirrte mich immer noch. Nicht dass er nicht gut aussah, er war wirklich heiß, mit seinen grünen Augen, den bronzefarben Haar und seinen vollen Lippen, aber, mit dem älteren Bruder meiner besten Freundin auszugehen war genauso verrückt, wie auf die Flirtversuche ihres festen Freundes einzugehen. Wenn man vom Teufel spricht, erschienen genau in dem Moment Kyle und Amanda in der Türe. Amanda hatte ihre langen braunen Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und sich auch ihre Schattenjägermontur angezogen. Kyle hingegen hatte nur eine schwarze Jeans und ein weißes Hemd, genau wie Ryan, unter dem man seine Muskeln sowie seine schwarzen Runenmale gut sehen konnte. „Amanda, Kyle. Gut, dass ihr hier seid, Magnus wollte uns gerade etwas Wichtiges erzählen", sagte mein Vater auch schon als er die beiden bemerkte. Gespannt schauten wir alle zu Magnus und warteten darauf, dass er anfing zu erzählen. „Eigentlich würde ich so etwas ja sofort der Familie Lightwood erzählen, aber da es hier um Clarissa geht", setzte er an und blickte zu mir, „dachte ich mir, dass ich es lieber euch mitteile." Alle starrten ihn nur entgeistert an und wussten nicht, was sie sagen sollten, was mich zur Weißglut brachte. Was ist hier los und was meint er damit? Wieso sollte etwas mit mir sein? Da die meisten noch immer zu verwirrt waren, um ihn zum Weitererzählen aufzufordern, übernahm ich das einfach. „Was meinen Sie mit ‚da es hier um Clarissa geht', was soll den mit mir sein?" „Clary!", ermahnte mich auch schon meine Mutter, die wieder zu sich gekommen ist. Doch Magnus brachte meine Mum, ohne den Blick von mir abzuwenden, mit einer einzigen Handbewegung zum Schweigen. „Nein Carol! Sie hat ein Recht darauf es zu erfahren, weshalb alle Dämonen wie auch Schattenwesen hinter ihr her sind." Total verwirrt von dem, was Magnus da gerade gesagt hatte, fing ich an nachzudenken. Mehr oder weniger stimmte, was er sagte, denn immer, wenn wir auf der Jagd waren, stürzten sich die Dämonen oder Schattenweltler auf mich, als würden die anderen, die mit sind, gar nicht existieren. Warum waren sie immer nur hinter mir her? Magnus hatte recht, aber weshalb. Bevor ich mich zurückhalten konnte, fragte ich ihn auch schon: „Wieso sind sie hinter mir her?" „Hast du dich schon jemals gefragt, weshalb du Clary heißt, oder weshalb du Sachen tun kannst, die andere nicht können?", fragte er mich ganz ruhig und sah mir dabei tief in die Augen. Und während ich auch in seine Augen blickte, konnte ich mich plötzlich als kleines Baby in den Armen einer Fremden sehen. Die Frau, die mich in dieser Erinnerung in den Armen hielt, war nicht meine Mum Carol Verlac, nein, die Frau, die mich hier hin und her schaukelte, war niemand geringerer als Clary Fray. Sie hatte ihre roten Haare zurückgebunden und strahlte mich an. In ihren grünen Augen konnte ich nur ein Gefühl erkennen und das war Liebe, aber weshalb hatte mich Clary in ihren Armen und nicht meine Mutter. Bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, kam auch schon eine neue Erinnerung. Jedenfalls sahen diese Bilder aus wie Erinnerungen. Dieses Mal jedoch hielt mich nicht Clary in ihren Armen, sondern ein Mann, der, wenn es hinkommt, ein paar Jahre älter war als sie. Auch er sah das kleine Baby, das natürlich immer noch ich war, zärtlich an und wiegte es in seinen Händen beruhigt hin und her. Ich wusste nicht woher, doch auch ihn kannte ich. Durch seine blonden Haare, den goldenen Augen – die eindeutig genauso aussahen wie meine – und die warme und liebevolle Art wie er mit Clary umging, konnte er nur ihr Mann Jonathan Harondale sein. Bevor die Bilder ganz verblassten, konnte ich noch einmal beide zusammen mit mir als Baby sehen. Doch was hatten diese Bilder zu bedeuten? Beziehungsweise, was wollte mir Magnus damit mitteilen. Als ich wieder in seine grün-gelben Augen sehen konnte, starrte er mich nur mitleidig an und flüsterte mir zu: „Es war alles nur zu deinem Besten. Sie wollten es so." Und ab diesem Satz verstand ich plötzlich alles, ich konnte es plötzlich wie in Zeitlupe vor mir sehen, so als hätte man mir all meine Erinnerungen auf einen Schlag zurückgegeben. Ich war die Tochter von Clary Fray und Jace Harondale und um meine Adoptivmutter immer daran zu erinnern, dass ich nicht ihre leibliche Tochter war, bekam ich den Namen meiner richtigen Mutter. Schockiert schaute zu meinen Freunden und meiner angeblichen Schwester, die mich jedoch alle nur traurig und mitleidig ansahen. Sie hatten es alle gewusst und mir nie etwas davon erzählt. Wie konnten sie nur? Nun schaute ich auch endlich in die Gesichter meiner ‚Eltern'. Wenn ich sie noch als meine Eltern bezeichnen kann, denn rein theoretisch sind sie gar nicht meine richtigen Eltern. Ziemlich schockiert und verwirrt, stand ich auf und lief davon. Ich merkte, dass mir die meisten hinterherriefen oder versuchten mir zu folgen, aber von Magnus aufgehalten wurden. Gut so, dachte ich mir und hielt meine Tränen nicht mehr zurück.
DU LIEST GERADE
Plötzliche Erinnerungen - TMI One Shot
FanfictionDeutsche Version Dieser TMI One Shot, wurde von mir vor Jahren im Zuge eines Wettbewerbs auf Facebook geschrieben. Ich hoffe euch gefällt diese kleine Geschichte. Handlung spielt im Pariser Institut. Bekannte Charaktere wie Clary Fray, Jace Heronda...