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,,Ah, unsere liebe Rachel" begrüßte mich mein neuer Therapeut. ,,Mein Name ist Herr Rot und ich bin dein Therapeut. Wir haben 3 mal wöchentlich Sitzungen, aber wenn du Probleme hast, kann ich dich sicher noch irgendwo dazwischen schieben." Er lächelte mich an und tippte auf seiner Tastatur herum. Ich stand einfach nur da und sagte nichts. Am liebsten hätte ich die Tür zugeschlagen und wäre gegangen. Alles an diesem Raum fühlte sich so falsch an. ,,Setz dich doch!", er deutete auf einen Stuhl vor ihm. Zögernd setzte ich mich darauf und starrte weiterhin auf meine Hände. Nervös fummelte ich an den Ärmel meines Pullis herum. Er redete irgendwas, aber ich hörte nicht zu. ,,Willst nicht deine Kapuze abnehmen?" Er hatte in seinem Redefluss gestoppt und sah mich nun fragend an. Ich reagierte nicht und er redete schließlich einfach weiter auf mich ein. Desinteressiert ließ ich meinen Blick durch den Raum schweifen.

Ein Fenster hinter ihm.
Ein Schrank mit Akten.
Stifte.
Einige Unterlagen.
Eine Schere.
Bücher.
Klebe-

Mein Blick blieb an der Schere hängen. In meinem Kopf schlich sich die Frage, wie ich diesen Gegenstand wohl unbemerkt entwenden konnte. Die Schere sah zwar nicht besonders scharf aus, aber vielleicht musste man nur genug Druck ausüben und...

,,Heute möchte ich erstmal nicht darüber reden, warum du hier bist, ich möchte gerne etwas über dich erfahren." Unterbrach Herr Rot plötzlich meine Gedanken. Ich sah zu Boden und schwieg, während er mich wartend musterte. ,,Also?" Ich schwieg weiterhin. Er seufzte. ,,Dann füll bitte wenigstens dieses Dokument aus." Er reichte mir ein Stück Papier. Ich nahm es und schaute darauf. Ganz oben stand mein Name, darunter waren einige Fragen.

Name: Rachel Linsney

Alter:17

Wie geht es mir: gut

Was finde ich gut daran hier zu sein: mir geht es besser

Was finde ich nicht gut: nichts

Anmerkungen: /

Ich betrachtete meine Antworten, dann gab ich es zurück. Es war eh fast alles gelogen. Der Psychologe besah meine Antworten, nickte langsam und musterte mich dann. ,,Warum willst nicht mit mir reden? Ich kann dir helfen. Es wird dir danach besser gehen! Vielleicht nicht sofort, aber nach der Zeit. Du bist hier, damit dir geholfen werden kann, Rachel! Du kannst dich mir anvertrauen!" Bei seinen Worten hätte ich ihm am liebsten ins Gesicht geschlagen. Immer die gleiche Leier. Dir wird es besser gehen. Du brauchst nur ein bisschen Zeit. Vertrau uns. Wir helfen dir. Ich kannte das, es war alles gelogen. Es würde mir nicht besser gehen und sie konnten mir auch nicht helfen. Ich schwieg ihn weiterhin an. ,,Hör mal, es gibt viele mit deinen Problemen, ich kenne mich aus, ich-" jetzt schaltete ich komplett ab.

Ich hatte kein Problem. Ich war das Problem! Hätte ich nicht versagt, wäre ich jetzt nicht hier, würde nicht hier sitzen, müsste mir das jetzt nicht anhören. Ich war einzig und allein an allem schuld! Herr Rot redete immer noch. Wütend und verzweifelt krallte ich meine Fingernägel tief in mein Handgelenk. Es schmerzte und hinterließ kleine Abdrücke. Ich sollte nicht hier sein. Er sollte aufhören zu reden. Ich sollte aufhören zu leben! Ruckartig stand ich auf. ,,Kann ich gehen? " fragte ich leise, fast flüsternd. Mein Blick war immer noch auf den Boden gerichtet. Er wirkte überrascht. ,,Eigentlich sind wir noch nicht fertig..." setze er an. ,,KANN ICH JETZT GEHEN ODER NICHT!? " schrie ich ihn an. Lass mich doch einfach gehen verdammt! Sein Blick verfinsterte sich und er notierte sich etwas. ,,Nun gut, wir reden später " sagte er leise, aber bestimmt. Ich drehte mich um und rannte aus dem Raum. Ich wollte weg! Weg von ihm, weg von seinen Fragen, weg von diesem Ort, weg vor mir selbst und weg vor dem Leben! Ich wollte einfach weg von allem...

SuizidWo Geschichten leben. Entdecke jetzt