6 - Abstand

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*Lina*

Als ich am Abend meine beste Freundin Ella anrief, konnte diese kaum glauben, was ich ihr erzählte. Sie wusste von meiner ewig langen Träumerei über Domen Prevc und war doch sehr überrascht,  dass ich seinen Namen mit den Worten "arroganter Arsch" in einen Satz packte. Es war immer ein Insider gewesen,  wenn ich gesagt hatte, dass ich Domen irgendwann heiraten würde. Es war ein lächerlicher Witz, so wie ihn jeder bei seinem Lieblingsathleten hatte. Und nun hatte ich tatsächlich einige Worte mit Domen gewechselt.

"Mama, wir waren heute am See.", erzählte Luka am Abend als wir gemeinsam am Tisch saßen. Sara ließ mir ziemlich viel Freiheit in den Tagesplanungen mit den Kindern.
"Nejc war leider mit Peter unterwegs, aber Cene hat mit mir Ball gespielt.", führte er fort und Sara grinste mich an.
"Hast du das überstanden, Lina?", schmunzelte sie und ich nickte.
"Ziemlich gut sogar.", zwinkerte ich.

In der nächsten Woche war es also so weit, dass ich Alma zu Mina brachte und zusammen mit Luka das Training der Brüder verfolgte. Es waren mehr Leute da, als ich vermutet hatte. Natürlich war Lara auch da, welche mir auf den zweiten Blick doch nicht so hübsch aussah, wie ich sie in Erinnerung hatte. Meiner Meinung nach sah sie sogar etwas alt aus. Trotzdem lächelte ich sie freundlich an und widmete meine Aufmerksamkeit dann den Springern und Luka. Endlich konnte ich die Gelegenheit nutzen und unauffällig Bilder mit den Springern machen.

Domen blieb natürlich nicht stehen und warf mir nur einen frechen Blick zu. Ab dem nächsten Wochenende wären sie im Rahmen des Sommer Grand Prix unterwegs, ehe dann der Weltcup startete.

Es war Cene, der eine Weile bei uns stehen blieb und sich mit uns unterhielt, ehe er mir seine Freundin Patricija vorstellte, die sich scheinbar gut mit Domens Mitbringsel verstand. Wobei das auch Höflichkeit sein konnte.
Nach seinem letzten Sprung, erbarmte Domen sich dann doch und blieb bei uns stehen. Allein aus Prinzip nutzte ich die Außenkamera und machte ein Bild von Luka und ihm. Auf gar keinen Fall würde ich sein Ego auf diesem Wege pushen. Und das wusste er natürlich genau. Er kannte meine Schachzüge, bevor ich sie überhaupt zu Ende gedacht hatte.

Nach dem Training kam Peter zu uns gejoggt, denn er war so nett und hatte uns auf dem Weg hier her mitgenommen.
"Ich habe noch ein paar Sachen zu erledigen, aber Domen nimmt euch zwei mit.", sprach er und ich schaute ihn verdutzt an während Domen grinsend hinter ihm her dackelte. Triumphierend grinste er in sich hinein.
"Bodenlos.", seufzte ich leise auf deutsch, im Wissen, dass es kein slowenisches Wort dafür gab. Wäre ich bloß selbst her gefahren. Luka grinste, da er meinem deutschen Wortschatz diesbezüglich schon gut kannte, während Domen uns Peter mich verwirrt musterten.

"Lara bringt euch schonmal zum Auto, ich komme gleich nach.", zwinkerte er frech. Es wirkte wie eine Show, die er einstudiert hatte, so als müsste er beweisen, dass er auch fähig für eine Beziehung war. Aber es wirkte aufgesetzt und unecht. Er behandelte sie wie eine Schulfreundin. Als wäre er der größte Gott der Welt zog er von Dannen. Und Lara war die ganze Zeit damit beschäftigt irgendwelche Bilder mit Domen zu machen, um sie auf Instagram zu stellen. Alles in allem sehr komisch, denn für gewöhnlich hielt er sich von den Medien fern.

"Hast du eigentlich einen Freund?", frate sie mich total beiläufig als wir zu Domens wagen liefen. Luka musste anfangen zu lachen und ich schlug ihm auf die Schulter.
"Ich habe keine Zeit für so einen Schwachsinn.", gab ich deswegen von mir. Und das entsprach der Wahrheit,  denn ich war entweder mit meinen Freunden unterwegs oder mit meiner Arbeit beschäftigt. Und das war absolut in Ordnung so. Mir fehlte nichts.

Domen lagerte bereits seine Sachen in seinen teuren Wagen. Als wir ankamen legte Domen mit nachdenklichem Gesicht seinen Arm um Laras Hüften. Es wirkte so als müsste er sich selbst von dieser Beziehung überzeugen,  die sie irgendwie hatten. Mina hatte ihn neulich als kaputt bezeichnet und wenn man ihn genau ansah und unter die Fassade des antrainierten Selbstbewusstseins blickte, konnte man genau diese zerbrochene Seele erkennen.

Eine Sekunde lang erwiderte er meinen Blick und sah ertappt schnell wieder weg. Als wollte er unterbinden, dass ich versuchte ihn zu durchschauen. Es war leicht zu verstehen, dass er Menschen lieber auf Abstand hielt. Er hatte kein Interesse daran, neue Leute kennenzulernen.  Und ich glaubte, dass er auch Lara irgendwie auf Abstand hielt. Es war eine Form des Selbstschutzes, denn, wenn keiner etwas über einen wusste, dann konnte er es auch nicht gegen ihn verwenden. Er wirkte unnahbar und verschlossen und einen Großteil der Zeit, war sein Blick hart. Lara und er waren sich nah, aber dennoch fremd. Dieses Mal grinste er nicht schief, sondern schaute konzentriert nach vorn und mied meinen Blick.

Lara setzte sich auf den Beifahrersitz und ich konnte beobachten, wie jeder Versuch, um Domens Nähe oder Aufmerksamkeit zu erhalten allein von ihr aus ging. Er wollte scheinbar niemanden nah sein. Als müsste er ein Einzelkämpfer sein. Ich würde sehr gerne erfahren, wer er wirklich war.  Seinen Charakter sehen, wenn er allein und ganz bei sich selbst war. Ob er selbst überhaupt wusste, wer er war, wenn er nicht vorgab Jemand sein zu müssen, der er nicht war?

Ich wollte hinter seine Fassade schauen und ihm helfen stark zu sein und Schwäche zuzulassen. Lara liebte ihn mit Sicherheit,  aber sie liebte ihn eher als Domen Prevc, wie er sich gab ohne das in Frage zu stellen. Und wahrscheinlich war es genau das, was Mina meinte. Wenn er zerbrochen war, dann würde ich ihm gern beim Heilen helfen. Ella würde jetzt sagen, dass ich nicht jedem helfen konnte, aber ich konnte es nicht lassen. Ich musste es versuchen. Wenn ich zurück in Deutschland wäre und sie ihr Studium beendet hatte, dann würden wir in eine WG ziehen.

Ich wusste, dass sie glaubte, dass ich mich total in die Sache hineinsteigerte, aber sie würde es niemals aussprechen, sondern mich immer unterstützen. Sie hatte mein Interesse für Domen nie richtig nachvollziehen können. Es war ja offensichtlich nicht einer der beliebtesten Skispringer.

Während der Fahrt erwischte ich Domen, wie er ab und an in den Rückspiegel sah und mich mit nachdenklicher Miene betrachtete . Als würde er versuchen meine Gedanken zu lesen, welche ich mir gerade über ihn machte.
Er benahm sich wie ein Arsch. Wie einer der Typen, bei denen man seinen Freundinnen riet das Weite zu suchen. Aber nicht bei Domen Prevc. Es war seine Art,  die Leute auf Abstand zu halten.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 31, 2023 ⏰

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Bigger than the whole sky {Domen Prevc}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt