Losing Wings

Kapitel 20: Neigung

Ich stand noch eine Ewigkeit bei Carlos, bis ich mir noch etwas zu trinken holen wollte. Da es nur eine Bar gab und ziemlich viele Leute hier waren, war es ein regelrechter Kampf dorthin zu gelangen.

Mein Weg führte auch an Max vorbei, welcher mir aber nur den Rücken zudrehte, sobald ich in seiner Nähe war. Verwirrt blieb ich stehen und beobachtete ihn, wie er mit Daniel wegging. Das Mädchen von früher stand immer noch bei Alex und unterhielt sich mit ihm.

Das Gefühl in meinem Magen war flau, jedoch rappelte ich mich wieder auf und stürzte mich in die Menge in Richtung Bar. Ich wurde das Gefühl einfach nicht los. Was war mit Max los? Er hatte mir einfach eiskalt den Rücken zugedreht...

Bedrückt ging ich weiter, bis ich in jemanden stieß. "Oh, tut mir leid, ich hab' dich nicht gesehen.", entschuldigte ich mich sofort.
"Kein Problem." Ein junger Mann stand vor mir und lächelte mich an. Zugegebenermaßen sah er wirklich nicht schlecht aus und ich lächelte zurück.

"Hey, kann ich dir vielleicht was zu trinken besorgen?" Er deutete auf die Bar, wo ich auch kurz hinsah. "Wenn dann sollte ich doch dich einladen, aber nein danke.", winkte ich ab.

"Alles klar, vielleicht sehen wir uns ja später noch einmal.", meinte er und zwinkerte mir zu.

Irgendwie fühlte es sich seltsam an ihn so einfach abzuweisen. Er war überhaupt nicht aufdringlich und wirkte wirklich ehrlich und freundlich. So etwas war heutzutage viel zu selten.

Ich ging weiter bis zur Bar, wo ich mir Vodka Orange bestellte. Ich bekam einen Becher und bezahlte sofort. Danach sah ich nach links. Max stand dort mit Daniel und sie tranken gerade Shots.

Das Mädchen von früher und Alex stießen wieder zu ihnen dazu. Daniel gab ihr einen kurzen Kuss und legte seinen Arm um die Taille. Mir wurde warm ums Herz. So gern würde ich nun auch so neben Max stehen, doch er verhielt sich eigenartig.

Seufzend drehte ich mich in die andere Richtung und ging der Bar entlang. Ich hatte keine Ahnung, wo ich jetzt hinsollte, aber ich wollte mir diese Unsicherheit dennoch nicht anmerken lassen.

"Hey warte mal." Überrascht drehte ich mich um. "Er würde dich gerne kennenlernen." Der Typ zeigte auf seinen Freund, welcher neben ihm stand.

"Nein, er redet Blödsinn." Sein Freund lachte verlegen, wobei er offensichtlich rot wurde.
Ich sagte einfach nichts, da beide anfingen zu lachen.
"Wir sehn' uns.", meinte ich dann nur lächelnd und huschte an ihnen vorbei.

Kurz sah ich Anita mit Charles. Die beiden wirkten so vertraut miteinander, was mich alles an meiner Beziehung anzweifeln ließ. Sie waren nicht einmal zusammen und hatten gerade sicherlich ein gesünderes Verhältnis zueinander, als der Niederländer und ich.

Meine Haltung verriet gerade sicher einiges über meinen Zustand. Irgendwie war ich traurig. Traurig, dass Max mich nicht wahrnehmen wollte und mich einfach so alleine ließ.

Entschlossen ging ich nach draußen, um frische Luft schnappen zu können. Außerdem könnte mir das vielleicht helfen wieder klar zu denken. Ich steuerte geradewegs auf einen Stehtisch zu, bevor mir jemand auf die Schulter tippte.

"Könnte ich vielleicht deine Nummer bekommen?" Ein fremder junger Mann stand vor mir, als ich mich umdrehte.
"Ich- keine Ahnung, ich-", meinte ich nur, da mir irgendwie der Atem stockte. Was war denn heute los, dass man mich einfach so ansprach?

Klar, wäre ich single und wäre das früher passiert, dann würde mir das total gut gefallen. Es würde mein Selbstwertgefühl geradezu verbessern.

"Keine Angst ich geh dir nicht auf die Nerven.", meinte er nur und grinste verlegen. Immer noch unsicher nahm ich schließlich sein Handy entgegen.

Warum tat ich das bloß? Ich konnte doch nicht irgendwem meine Nummer geben. Warum ließ ich mich immer so leicht überreden?

Ich fing an meine Nummer einzutippen, bis ich an der letzten Ziffer angekommen. Zögernd schwankte ich, was ich nun tun sollte. Schließlich entschied ich mich dafür, die letzte Zahl zu verfälschen. Anstelle von einer 3 tippte ich eine 4 ein.

Es tat mir leid, dass ich das tat. Er würde mir schreiben und ich würde diese Nachricht nie bekommen. Ich setzte ein Lächeln auf, als ich ihm das Handy wiedergab.
Zufrieden steckte er es ein und winkte mir noch kurz zu, bevor er zu seinen Freunden zurückging.

Mein Handy vibrierte, als ich mich an den Stehtisch stellte.

Sag bevor du gehst, ich will noch mit dir reden.

Mein Herz rutschte mir fast in die Hose. Augenblicklich fing ich an zu zittern. Eben war es noch nicht so kalt gewesen...

"Ist dir kalt?" Ich zuckte zusammen, als sich ein älterer Mann einfach zu mir stellte. "Ja, ich werde nach drinnen gehen.", meinte ich bestimmt und griff nach meinem Becher.
Das Getränk war fast leer, doch ich wollte mir nichts mehr nachholen.

"Komm her.", meinte der Mann und umarmte mich einfach. Es fühlte sich so schlecht an und ich hoffte nur inständig, dass er bald loslassen würde. Angst kam in mir auf, da ich seine Absichten nur vermuten konnte.

"Nein, ich werde nach drinnen gehen.", sagte ich mit fester Stimme und wollte mich aus dessen Griff wenden. Erst nach kurzer Zeit ließ er mich los.
"Wir sehen uns." Er zwinkerte mir einfach zu und griff mir noch auf den Po, bevor ich mich endlich von ihm distanzieren konnte.

Ein Kloß in meinem Hals ließ mich nur schwer atmen.
"Scheiße..", flüsterte ich neben den Tür und hielt mich kurz am Rahmen fest. Mir wurde übel, was aber nicht dem Alkohol zu verdanken war.

Kurzerhand kramte ich mein Handy aus meiner Umhängetasche und tippte eine Nachricht an Max ein.

Wo bist du? Mir ist schlecht...

Sofort steckte ich mein Handy zurück. Ich musste meine Augen zusammenkneifen, um nicht sofort in Tränen auszubrechen. Mit einer Hand auf meinem Bauch und etwas verschwommener Sicht bahnte ich mir meinen Weg durch die Menge. Immer noch konnte ich die Berührungen des alten Mannes spüren, was mir immer schlechter werden ließ.

Ich wollte zu Max, wobei ich ihn schon sehen konnte. Kurz vor ihm blieb ich stehen.
Er sah mich an.

Er schenkte mir nur einen kurzen Blick, bevor er sich umdrehte und in die andere Richtung verschwand.