Kapitel 24: Ändern

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09. September 2022

34 Tage lagen zwischen dem Abend und heute. Die Sommerpause war längst vorbei, wobei Max letzte Woche in Zandvoort gewonnen hatte. Ihn nur im Fernsehen zu sehen, schmerzte schon.

Alles, woran ich im letzten Monat denken konnte, war Max.
Ich wusste einfach nicht, was ich mit mir selbst anfangen sollte.

Charles hatte uns nach Monza eingeladen, als Gäste von Ferrari. Das zweite freie Training war in Gange und ich starrte einfach nur verloren auf einen Monitor an der Wand. Anita war richtig aufgeregt.

Wir hatten beide Ohrenschützer bekommen, da es doch ziemlich laut war.
Es war sehr warm hier, weswegen ich ein Sommerkleid trug. Seit dem Event in Monaco war ich einfach nur fertig. Meine Motivation war im Keller, so auch mein Selbstbewusstsein.

Es war so verdammt schwer, mich irgendwie stark zu fühlen. Die folgende Woche war der absolute Horror. Ich hatte keine Stimme und war tagelang krank zu Hause gelegen. Ich hatte große Mühe, mich nur irgendwie an die frische Luft zu schleppen.

Als dann Anita mit den Flugtickets nach Monza kam, war ich nicht sonderlich begeistert. Natürlich war mir klar, dass die Chance, auf den Niederländer zu treffen, hoch war. Die Angst war ein ständiger Begleiter.

Wenn auch nur jemand ein Red Bull Racing Oberteil trug, wurde mir sofort heiß und schlecht. Ich wollte ihn einfach nicht sehen, soweit war ich in dem vergangenen Monat schon gekommen. Anfangs hätte ich alles dafür getan ihn wieder bei mir haben zu können. Jetzt setzte ich alles daran, ihm nur irgendwie aus dem Weg gehen zu können.

"Hey, es ist aus. Treffen wir uns im Paddock?" Charles war zu uns gekommen. Ich musste ihn und Anita regelrecht dazu zwingen, sich ein Zimmer zu teilen. Mittlerweile kam ich wieder besser damit klar, wieder alleine zu sein. Klar, ich weiß, dass das mit Max und mir nicht von langer Dauer war, dennoch hinterließ es in mir gewaltige Spuren.

Ihr Zimmer war einige Etagen über meinem eigenen. Ich wurde die Einsamkeit einfach nicht los.

"Komm mit." Anita ging mir voraus in Richtung Paddock. Es herrschte ein regelrechtes Treiben an Reportern und Journalisten. Gäste kamen auch von überall her. Eilig versuchte ich meiner Schwester hinterherzukommen, doch das erwies sich als ziemlich schwierig.

"Anita! Warte auf mich!", rief ich aufgeregt, als sich viele Menschen zwischen uns drängten. Verzweifelt quetschte ich mich durch, doch von meiner Schwester war keine Spur.

Schließlich stand ich vor Ferrari's Motorhome. Ein Blick nach links und mein Herz setzte aus. Max ging geradewegs an mir vorbei, gefolgt von einer Horde an Reportern. Mein Herz schmerzte und ich musste mir an den Kopf fassen. Meine Atmung ging schnell und die Hitze setzte ganz plötzlich bei mir ein.

"Tina?" Ein Schatten befand sich über mir. Verwundert sah ich nach oben. Quinn stand vor mir, wobei mir ein Detail an ihr besonders in Auge fiel.
Es war deutlich zu erkennen, dass sie schwanger war.

"Ist dir schlecht?" Besorgt sah sie mich an. Nickend versuchte ich aufzustehen. "Komm mit, wir holen dir Wasser?" Sie ergriff einfach meine Hand und führte mich durch die Menge.

"Wie weit bist du, wenn ich fragen darf?", fiel mir dann ein. Ihr Bauch war groß, doch ich kannte mich zu wenig mit Schwangerschaften aus. "Seit gestern im 7. Monat.", lächelte sie. Sie war bestimmt sehr glücklich mit Pierre.

"Wann heiratet ihr?" Ich wusste noch von damals in Spielberg, dass die Beiden bereits verlobt waren. Zu gern wäre ich an ihren großen Tag dabei, doch dafür kannten wir uns zu wenig.

"Nächstes Jahr am 24. Juni. Ich bin schon total aufgeregt.", erzählte sie begeistert, wobei ich gerade nicht in der Lage war ihr noch etwas zu sagen. Ich spürte regelrecht, wie mir die ganze Farbe aus dem Gesicht wich.

Quinn brachte mich in das Motorhome von Alpha Tauri. "Hey.", begrüßte sie Pierre, welcher sich wohl gerade umgezogen hatte. Er drückte ihr einen Kuss auf den Mund und lächelte sie an, bevor sein Blick zu mir wanderte.

"Hey Tina.", meinte er überrascht. Wahrscheinlich wussten sie längst von der Trennung. Die Frage, die sich mir nun stellte war, auf wessen Seite sie standen. Quinn verschwand in eine andere Richtung und ließ mich mit ihrem Verlobten stehen.

"Max ist ein Arsch.", sagte der Franzose plötzlich. Perplex sah ich ihn an. "Was?", brachte ich nur hervor. Der Klos in meinem Hals, welcher immer da war, wenn mir übel war, ließ nicht mehr Worte aus meinem Mund kommen.

"Charles hat mir davon erzählt. Ich bin zwar kein sehr gutes Beispiel, aber Max sollte nachdenken, bevor er wahllos deine Gefühle verletzt." Er seufzte und sah dann zu Quinn, welche mit einer Wasserflasche wiederkam. Diese hielt sie mir hin und ich nahm sofort einen Schluck.

"Danke.", meinte ich danach etwas beschämt. Es war mir irgendwie peinlich, wie aufgeschmissen ich hier ohne eine Bezugsperson war. "Kein Problem.", winkte Quinn ab.

"Was ist los mit dir?", fragte sie Pierre daraufhin. Er schüttelte nur den Kopf. "Hätte ich das mit dir gemacht, dann würde ich mich nicht einmal trauen nur an dich zu denken." Pierre klang, als würde er sich selbst für die Taten des Niederländers schämen.

"Was meinst-... oh." Quinn war ein Licht aufgegangen. "Das tut mir ehrlich leid, Tina. Ich verstehe Max nicht, das war so gar nicht seine Art. Normalerweise ist er genau das Gegenteil. Er würde nie jemandem einfach so seine Gefühle zeigen und ihn dann im nächsten Moment wieder abweisen." Die Österreicherin sah auf den Boden.

"Ihr müsst das nicht sagen. Ich weiß, dass ihr befreundet seid und ich erwarte von euch kein Mitleid. Es ist nunmal passiert und niemand kann das jetzt ändern.", erklärte ich, wobei meine Hand anfing zu zittern. Der Gedanke an diesen Abend ließ mich erschaudern. Er hatte einfach einen so unguten Beigeschmack, dass mir schon fast kalt wurde, obwohl es draußen total heiß war.

"Nein Tina, rede dir das nicht so ein. Max sieht seine Freunde oft genug und es ist völlig absurd, dass er nicht alles unter einen Hut bringen kann. Immerhin hat er das mit Kelly auch geschafft, nur die war auch der Grund dafür, dass Max kaum noch von zu Hause wegkam." Pierre wirkte irgendwie verärgert.

"Pierre, das macht es nicht besser." Quinn sah den Franzosen sanft an. Irgendwo hatten beide ja recht....

Losing WingsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt